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WÜRZBURG
Dank für Sitzplatz: 72-Jähriger kommt zu 14-Jährigen in die Klasse
Rentner Ullrich Hacker bedankt sich bei Levi Fiedler (links) und seinen Mitschülern der David-Schuster-Realschule für eine interessante Diskussion über höfliches Verhalten. Foto: Lena Köster
Foto: Lena Köster | Rentner Ullrich Hacker bedankt sich bei Levi Fiedler (links) und seinen Mitschülern der David-Schuster-Realschule für eine interessante Diskussion über höfliches Verhalten. Foto: Lena Köster
Manuela Göbel
 |  aktualisiert: 27.04.2023 05:25 Uhr

Eigentlich eine ganz normale Sache: Ein Senior steigt in die Straßenbahn, ein Schüler steht auf und bietet ihm seinen Platz an. Doch Rentner Ullrich Hacker ist von der spontanen Reaktion Levi Fiedlers so gerührt, dass er nicht nur einfach „Danke“ sagt und sich hinsetzt.

Einige Wochen nach der Begegnung in der proppevollen 5er nach Rottenbauer besucht der 72-Jährige den 14-Jährigen in der David-Schuster-Realschule und schenkt ihm ein Buch. Auf diese Idee ist Hacker noch in der Straba gekommen, deshalb hat er gleich Namen und Schule des Jugendlichen aufgeschrieben. Jetzt steht er vor der Klasse: „Ich möchte mich bedanken und zum Nachahmen aufrufen“. Mit seiner Aktion stößt der Rentner eine Diskussion an: Über Höflichkeit und über den Umgang zwischen Jung und Alt.

„Ich bin einfach höflich“

„Ich erlebe es wirklich ganz selten, dass ein Jugendlicher in der Straßenbahn unaufgefordert aufsteht“, berichtet Hacker. Den Schülern der 9a ist er bei seinen Fahrten offensichtlich noch nicht so oft begegnet, denn nicht nur Levi berichtet, dass er das für selbstverständlich hält. „Ich bin einfach höflich“, sagt zum Beispiel Nikolas. Ein Mitschüler meint sogar, dass man sich alle paar Minuten in der Straba umschauen soll, um neu eingestiegene ältere Fahrgäste zu bemerken. „Denn gerade ältere Menschen fällt es oft schwer zu stehen“, ergänzt Felix.

Die 14- bis 16-Jährigen nennen in der Diskussion einige interessante ethisch-moralische Aspekte des Gebots der Höflichkeit. Gregor spricht von einem „Grundrespekt“, den er allen Menschen gegenüber habe. „Im höheren Alter würde ich es ja selbst begrüßen, wenn jemand für mich aufsteht“, meint ein Mitschüler. Interessant auch der Gedanke von Lovis: „Wenn man aufsteht, gibt einem das ein gutes Gefühl, weil man jemandem geholfen hat.“

Wenn man höflich bittet, stehen die meisten Jugendliche auf

Dennoch ist die Wahrnehmung von älteren Menschen oft eine andere. Auch Regine Samtleben, die im Arbeitskreis Verkehrsangelegenheiten bei der Seniorenvertretung Würzburg aktiv ist, erlebt nicht immer, dass Kinder und Jugendliche in Bussen oder Bahnen freiwillig aufstehen. Vor allem nicht, wenn diese in einer Gruppe unterwegs seien. „Vielleicht finden sie es dann uncool von sich aus ihren Platz anzubieten“, vermutet die 74-Jährige. Aber: „Wenn man höflich darum bittet, machen es die meisten schon.“

Es gibt auch sehr grimmige ältere Menschen

Damit nennt die frühere Stadträtin einen interessanten Aspekt: Nicht alle älteren begegnen jungen Menschen höflich. Zwar erzählen die Schüler der 9a von vielen angenehmen Begegnungen mit Senioren. „Oft ergeben sich richtig nette Gespräche“, erzählt zum Beispiel Anton. Aber manchmal erleben sie eben auch anderes.

„Man trifft auch auf unhöfliche ältere Menschen, die einen schlecht behandeln“, weiß Chris. Robin berichtet von „sehr grimmigen älteren Menschen, die dich nicht einmal zurück grüßen“. Ein anderer Schüler wurde schon einmal angeschrien, weil er nicht schnell genug aufstand.

So ein Benehmen ist für die Schüler dann auch der Anlass, selbst nicht mehr höflich zu sein. „Ich stehe nicht auf, wenn mich jemand anraunzt,“ sagt Anton. Seine Mitschüler stimmen ihm zu.

Die Erziehung hat sich geändert

„Ältere Menschen erwarten von Kindern und Jugendlichen manchmal zuviel“, meint Regine Samtleben. „Einfach weil uns als Kinder das Einhalten von Höflichkeitsformen selbstverständlich beigebracht wurde. Das ist in der heutigen Erziehung nicht mehr immer so.“ Samtleben vermutet, dass sich manche Senioren deshalb ärgern, wenn nicht sofort jemand in der Straba einen Platz anbietet. Gut wäre es, dann nicht patzig zu reagieren, sondern junge Menschen freundlich darum zu bitten.

In der Seniorenvertretung ist das Thema Höflichkeit in der Straßenbahn bislang zwar noch nicht auf den Tisch gekommen. Aber Samtleben findet die Diskussion darüber sehr interessant.

Das zufällige Zusammentreffen von Senior Hacker und Schüler Levi hat sich also gelohnt. Zum einen für Levi, dem es gar nicht peinlich ist, als „Musterschüler“ im Mittelpunkt zu stehen. „Ich finde das ok“, sagt er ganz cool. Zum anderen für Hacker, der sich als Leiter des Würzburger Freundeskreis „Positives Denken“ natürlich wahnsinnig freut, dass seine positive Reaktion so gut angekommen ist. Am Ende bedanken sich einige Schüler noch persönlich bei ihm für sein Kommen.

Aufstehen als Gebot der Höflichkeit

„Älteren den Platz zu überlassen ist ein klassisches Gebot der Höflichkeit“, schreibt der Mediziner und Jurist Rainer Erlinger in einer Ausgabe seiner Kolumne „Gewissensfrage“ in der Süddeutschen Zeitung. Aber auch eines der Moral: Man macht den Platz für jemanden frei, von dem man annimmt, dass er oder sie nicht (mehr) gut stehen kann. Dies sei ein Beispiel für ein klassisches Hilfegebot.

Der Verlust an Höflichkeit wird in den vergangenen Jahren immer wieder beklagt. Unter anderem im Miteinander in sozialen Netzwerken. Einig ist man sich, dass der höfliche Umgang auch heute nichts von seiner Bedeutung verloren hat. Vor ein paar Jahren hat die Zeitschrift Focus berichtet, hat gutes Benehmen nach wie vor einen hohen Stellenwert. besitzt. Laut einer Umfrage gehört das Anbieten des eigenen Sitzplatzes in öffentlichen Verkehrsmitteln dabei sogar zur wichtigsten Grundregel im höflichen Umgang miteinander. Nahezu alle Befragten (95,7 Prozent) sagten, man müsse Schwangeren oder älteren Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln unaufgefordert den eigenen Sitzplatz anbieten.

„Wenn man aufsteht, gibt einem das ein gutes Gefühl, weil man jemandem geholfen hat.“
Lovis, Schüler der David-Schuster-Realschule
 
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Kommentare
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  • clubfan2@gmx.de
    Manchmal muss man sich echt überlegen
    was man macht und was man sagt.

    Ich geh dann aber eher auf die Leute zu.

    Wenns an der Kasse mal wieder länger dauert
    und man Leut mit weniger Artikeln vorlässt,
    dann wurde ich auch schon angeraunzt,
    aber nicht von jüngeren Semestern.

    Ich nahm die Sache mit Humor und bemerkte
    das es schade ist, das viele Leute zum
    Lachen scheinbar in den Keller gehn.

    Weil hier an der Kasse hab ich noch nie jemand
    lächeln sehn.
    Die Kassierin schmunzelte nur und im Gespräch
    ergab sich dann das mehr "FREUNDLICHE" Kunden
    denn Arbeitsalltag etwas erhellen würden.

    Also nicht so griesgrämig.
    Ein freundliches Grüß Gott und Lächeln
    tut keinem weh.
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  • jutta.noether@web.de
    Wem ich auch immer einen Platz in öffentlichen Verkehrsmitteln abiete, sind Mütter mit kleinen Kindern - damit sich die Kinder setzen können. Denn die können sich beim Stehen kaum richtig festhalten, passen ja oft auch zu zweit auf einen Sitz und sind damit sozusagen "aus dem Weg". Ich bin selbst früher mit meinen kleinen Kindern viel Bus und Bahn gefahren, und weiß noch, wie es ist, wenn man Gepäck und Kinder und auch noch sich selbst irgendwie festhalten muss. Da hilft es sehr, wenn man wenigstens die Kinder sicher verräumen kann.
    Leider ist das aber immer nur wenigen Mitfahrern aufgefallen. Da habe ich manchmal auch selbst nachgefragt - und bekam nicht selten eine empörte Reaktion. Und das NICHT von den Jugendlichen...
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