
Ein beachtlich großer schmiedeiserner, schwarzer Greifvogel, der einen kunstvoll gefertigten Fingerhut im Schnabel trägt, breitet über der etwas außerhalb von Creglingen gelegenen ehemaligen Wassermühle seine Flügel aus.

Mit diesem nichtalltäglichen Schmuck an der Hausecke symbolisiert Thovard Greif seinen Namen und das Fingerhutmuseum, das vor nunmehr fast 38 Jahren seinen Platz in dem uralten Anwesen bekommen hat. Die Familie Brigitte und Thorvard Greif mit Tochter Isgard fügte mit dieser Einrichtung der Jahrhunderte langen Geschichte des Gebäudes, das unweit der bekannten Hergottskirche steht, ein ganz eigenes Kapitel zu.
Nachdem Thorvard Greif 1980 das desolate Mühlenanwesen mehr durch Zufall entdeckt und dann nach und nach renoviert und umgebaut hatte, wurde zwei Jahre später das Fingerhutmuseum eröffnet. Dieses damals weltweit einzigartige Privatmuseum dieser Art ist derzeit wegen Corona geschlossen. Wie Isgard Greif schätzt, wird es im Juni wieder in gewohnter Weise seine Türe für die Besucher öffnen.
Ab kommendem Jahr Einlass nur mit Voranmeldung
Im kommenden Jahr allerdings, das hatte die Familie Greif bereits vor der Corona Krise entschieden, werden die Öffnungszeiten entfallen und lediglich Gruppen nach Voranmeldungen Einlass finden. "Es rechnet sich einfach nicht mehr", erklärt Isgard Greif. Und durch die derzeit schwierige Situation noch weniger.
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Bedingt durch die Einschränkungen der Corona-Pandemie konnte sie die Saison nicht wie üblich am 1. April starten. Hinzu kommen ihre Bedenken, unter welchen Auflagen und Einschränkungen das Museum wieder geöffnet werden kann. Sich dem Vorschlag des Museumverbands Baden Württemberg anzuschließen und pro Besucher 15 Quadratmeter vorzusehen, dafür sei das Museum flächenmäßig einfach zu klein.

Wie ihr 80-jähriger Vater erinnert sich auch die Goldschmiede-Meisterin noch an die Zeiten, in denen die Romantische Straße-Tour per Bus die Besucher zur Hergottskirche und damit fast bis zu ihrer Haustür fuhr. Der Besucherstrom ist längst versiegt. Dass sich 70 Besucher gleichzeitig im Museum drängten, ist nur noch in der Erinnerung von Thovald Greif lebendig.
Die Geschichte des Fingerhutmuseums, die der heute 80-Jährige anschaulich erzählt, hatte mit seinem Vater Helmut Greif ihren Anfang genommen. Im Jahre 1963 nämlich übernahm Helmut Greif den Nachlass der Gebrüder Gabler in Schorndorf. Dem schwäbischen Silberschmied Ferdinand Gabler, der sich 1824 im "Schwäbischen Merkur" als Fingerhutfabrikant vorgestellt hat, war es damals gelungen, eine sogenannte Einwalzmaschine für Fingerhüte zu konstruieren. Daraus entwickelte sich eine bedeutende Spezialfabrik, die zeitweise einen Großteil des Bedarfs an Fingerhüten weltweit deckte.
Nachdem durch einen Brand die Produktion vernichtet wurde, begann Helmut Greif sich intensiv mit der Forschung über die Herkunft der Fingerhüte zu beschäftigen. Die ansehnliche Sammlung von Greif veranlasste die Erben Gablers dazu, das Museum zu gründen. Am 8. August 1982 wurde mit 800 Ausstellungsstücken das Fingerhutmuseum eröffnet.
Mit viel Herzblut und Sachverstand
Heute sind in dem 36 Quadratmeter großen Raum 4000 Exponate aus aller Welt untergebracht. Dazu füllen Nähutensilien, Werkzeuge, Fingerhutbehälter und viele Dinge rund um die Handarbeit die Vitrinen und Schaukästen. Ein Stickbild nimmt einen besonderen Platz ein. Das Bild, das neben verschiedenen Sticktechniken die Aufschrift trägt "Creglingen 1906" wurde von einer Frau in Bielefeld entdeckt. Da ihr das Fingerhutmuseum bekannt war, überließ sie ihren Fund der Familie Greif.

Thorvald Greif und seiner Tochter, die mit viel Wissen, Sachverstand und vor allem mit Herzblut und Leidenschaft die große Sammlung aufgebaut und ständig vergrößert haben, ist vorrangig daran gelegen, diese kleinen Zeugnisse aus der Vergangenheit nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. "Genäht wurde schon immer", erklärt die Goldschmiedin mit Blick auf die uralten Exponate mit denen im Altertum die Näherinnen ihre Finger geschützt haben.

Dem Betrachter bietet sich ein Blick in die Zunft der "Fingerhüter", die den einfachen Gebrauchsgegenstand geschaffen haben bis hin zu den wertvollen Zierfingerhüten in den vielfältigsten Formen und Materialien. Hervorstechend unter den Exponaten sind nicht zuletzt die von Thorvald Greif geschaffenen Fingerhüte.
Der Goldschmied fertigt mit meisterhaft handwerklichem Geschick Fingerhüte an, die ihre eigene Geschichte erzählen. Die kleinen aus Silber oder Gold gefertigten Kunstwerke mit Darstellungen wie jene, die an den Tod von Lady Diana erinnern, sind reine Zier und für Sammler gedacht.
Durch die Nähmaschine ging die Nachfrage zurück
Im Gegensatz zu früher, als die Patentante der Braut zur Hochzeit einen Fingerhut geschenkt hat, ging nach der Erfindung der Nähmaschine die Nachfrage nach Fingerhüten stark zurück, erklärt Isgrad Greif. "Dafür wurden die einstigen Gebrauchsgegenstände weltweit zu beliebten Sammelobjekten." Während Thovard Greif nicht zuletzt wegen des nachlassenden Interesses von Sammlern nur noch wenige seiner extravaganten Stücke anfertigt, führt Isgard Greif die Handwerkstradition der Familie Greif fort. Sie hatte 2011 den Betrieb von ihrem Vater übernommen.
Die Goldschmiedin fertigt in der großen Werkstatt im Untergeschoss nach ihren eigenen Entwürfen keltische, griechische und moderne Schmuckstücke ebenso wie speziell geformte Knöpfe und Eheringe, die aus dem gewohnten Rahmen fallen.
Nach der Wiedereröffnung des Fingerhutmuseums gelten bis zum 31. Oktober folgende Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 Uhr bis 12.30 Uhr und 14 Uhr bis 17 Uhr. Informationen unter: www.fingerhutmuseum.de
