Mira Kempf lebt mit Mann und den zwei Töchtern in Rocco di Papa bei Rom. Die 48-Jährige aus Erlabrunn (Lkr. Würzburg) arbeitet in der italienischen Hauptstadt als staatliche geprüfte Stadtführerin. Ihr Mann Igor Spinelli ist als staatlich geprüfter Fremdenführer für hauptsächlich amerikanische Besucher ebenfalls in der Tourismusbranche tätig. Seit Dienstag lebt die Familie in Quarantäne, seit die italienische Regierung aufgrund der Corona-Krise die rote Zone auf das komplette Land ausgeweitet hat.
Frage: Frau Kempf, normalerweise zeigen Sie Touristen die schönsten Ecken Roms. Können Sie noch arbeiten?
Mira Kempf: Nein, die Tourismusbranche in Italien liegt komplett am Boden. Seit dem Dekret der Regierung von Dienstag müssen die Menschen untereinander einen Abstand von ein bis zwei Metern halten. Man darf sich nicht mehr in Gruppen treffen, es dürfen folglich auch keine Gruppen durch Rom geführt werden. Abgesehen davon haben auch alle Museen und öffentliche Einrichtungen geschlossen. Seit Donnerstag sind auch Restaurants, Bars, Eisdielen und viele andere Geschäfte wie Friseurläden geschlossen. Nur noch Läden für den dringenden Bedarf sind geöffnet, wie Lebensmittelgeschäfte oder Baumärkte. Meine letzte Rom-Führung hatte ich am 2. März. Ich bin freiberuflich tätig, betreue häufig Kreuzfahrttouristen und arbeite daneben hauptsächlich für kleinere Veranstalter. Es ist alles bis zum 3. April komplett abgesagt, es gibt keine Kunden.
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Sind Sie gegen den Verdienstausfall versichert?
Kempf: Nein. Eigentlich habe ich zwischen März und Oktober bis zu 40 Führungen im Monat, diese Einkünfte fallen im Moment weg. Der Staat berät derzeit über finanzielle Hilfen für Freiberufler, so eine Art Sozialhilfe über die Dauer von drei Monaten. Da ist aber noch nichts beschlossen. Ich bin schon etwas besorgt. Es könnte ja sein, dass Italien aufgrund der vielen Schlagzeilen von Touristen langfristig gemieden wird – auch wenn wir die Krise irgendwann bewältigt haben.
Wie sieht derzeit ihr Alltag aus?
Kempf: Seit Dienstag, seit ganz Italien zur roten Zone erklärt wurde, stehen wir unter häuslicher Quarantäne. Wir dürfen zwar Spaziergänge machen, aber keine Freunde oder Bekannte treffen. Das wird polizeilich kontrolliert und mit Strafen bis zu 200 Euro oder sechs Monate Freiheitsentzug geahndet. Die Schulen sind geschlossen. Immerhin ist schönes Wetter und wir können auf der Terrasse sitzen. Nur den Kindern ist es langweilig. Sie können nicht verstehen, warum sie ihre Freundinnen nicht sehen können, die nur 100 Metern entfernt wohnen. Jetzt unterhalten sich die Mädchen über Skype. Uns geht es gut, aber die medizinische Lage im Land ist mancherorts dramatisch. Vor allem fehlt es an Beatmungsgeräten.
Wie sieht es mit der Verpflegung aus?
Kempf: Das ist kein Problem. Die Regierung rät auch von Hamsterkäufen ab, da die Belieferung der Läden und Supermärkte mit Lebensmitteln gesichert ist. Allerdings ist es hier so, dass der Zugang zu Supermärkten reglementiert ist. Es dürfen je nach Größe zwischen einer und acht Personen hinein. Die Warteschlangen vor den Eingängen werden kontrolliert. Ich habe heute erstmals den Lieferservice eines Metzgers genutzt. Das hat gut funktioniert.
Wie bewerten Sie das Krisenmanagement der italienischen Regierung?
Kempf: Ich habe Vertrauen in den Staat, es werden klare Entscheidungen gefällt. Vielleicht hätte man früher radikaler sein müssen, was Schulschließungen und das Verbieten von Veranstaltungen betrifft. Aber hinterher ist man immer schlauer. Italien war ja das erste europäische Land, das es so hart getroffen hat. Die Krise zeigt, wie fragil unsere Gesellschaft ist. Die Quarantäne ist belastend, aber wir sind gesund. Trotzdem fühlt man sich unsicher und es geht einem nicht gut, wenn einem die Freiheit genommen ist.
Was könnte Deutschland von Italien im Umgang mit dem Virus lernen?
Kempf: Ihr habt noch einen zeitlichen Vorteil, den man nutzen sollte. Ich habe gelesen, dass beispielsweise das Frühjahrsvolksfest in Würzburg abgesagt wurde. Ich bin überzeugt davon, dass es richtig ist, größere Veranstaltungen abzusagen. Je eher, desto besser. Es muss darum gehen, die Ausbreitung zu verlangsamen, damit keine medizinischen Notstände auftreten wie hier bei uns in Italien.