
Ein bisschen langweilig werde der Alltag unter Quarantäne nach einer Woche allmählich schon. Es habe sich "alles ein bisschen eingespielt hier", sagt Thomas Scheller am Telefon. Aber die Gelassenheit, die der Würzburger schon in der Hektik der Rückkehr aus China zeigte, hat ihn auch nach einer Woche des Eingesperrtseins in der Südpfalz-Kaserne in Germersheim nicht verlassen. Scheller und seine Frau Chloe machen aus der Kasernierung das Beste, um vor allem ihrer dreijährigen Tochter den Zwangsaufenthalt unter Quarantäne so angenehm wie möglich zu machen.
Beim Besuch von Chloes Familie in China waren sie vom Ausbruch des Coronavirus überrascht worden. Sie gehörten zu den 120 Bürgern, die von der Bundesregierung vor einer Woche mit einer Maschine der Bundeswehr nach Deutschland geflogen worden waren. Nun sitzen sie abgeschirmt in der Kaserne, rund 100 Kilometer von Frankfurt entfernt – und hoffen, dass sie das Virus nicht aufgeschnappt haben.
Viel Lob für die freiwilligen Helfer
"Die Helfer hier machen eine fantastische Arbeit, um es uns so leicht wie möglich zu machen", wird Thomas Scheller nicht müde zu versichern. "Wir haben bisher keinen Grund, uns zu beschweren." Es gebe abwechslungsreiches Essen, üppig Obst. "Berge von Spielzeug" würden die Helfer für die 20 Kinder herbeischaffen. Für die Erwachsenen gebe es Fernsehen, WLAN und Bücher.

Zum Prinzip der Quarantäne gehört, dass jeder abgeschirmt für sich den Großteil des Tages in seiner Stube verbringt. Scheller hat da noch Glück, dass er nicht allein ist, sondern mit Frau und Kind zusammen. "Man sieht sich ansonsten nur hinter der Maske beim Essenholen", berichtet der Würzburger aus dem Alltag. "Dann kann man sich auch kurz unterhalten" – im Abstand von eineinhalb Metern, um eine mögliche Infektion zu verhindern.
Die drei Mahlzeiten, die sich die Menschen jeweils aufs Zimmer holen, strukturieren den Alltag. Dazwischen liegen immer drei bis vier Stunden, die man dort verbringt. Da habe man inzwischen einen gewissen "Schedule"“ gefunden, sagt Scheller, der unwillkürlich den amerikanischen Ausdruck für Rhythmus, Gewohnheit benutzt, weil er ja seit Jahren in Chicago lebt und arbeitet.
"Ein kleines Meeting" mit Kollegen
Ganz pragmatisch macht er das beste aus der Situation: Wenn er gerade mal nicht mit seiner dreijährigen Tochter beschäftigt sei, könne er am Computer sogar "ein bisschen arbeiten". Er habe sogar schon mit Arbeitskollegen "ein kleines Meeting" via Internet gehabt.
Irritiert ist Thomas Scheller mehr durch den großen Auflauf der Presse. Manche Bewohner hätten schon viele Interviews gegeben, weiß der Würzburger. Er möchte das nicht und bat, seine Nummer nicht weiter zu geben. Diese Redaktion hatte nach der ersten Veröffentlichung über die Familie zahlreiche Anfragen von bundesweiten Medien erhalten. Vor dem Virus, das derzeit die ganze Welt in Atem hält, fürchtet er sich nicht so wie vor missverständlichen Schlagzeilen.

Draußen vor dem Zaun und am Telefon steht Kai Kranich den Medien Rede und Antwort. Der Arzt beim Deutschen Roten Kreuz ist für die wegen Coronaverdachts in Germersheim internierten China-Heimkehrer verantwortlich. "Selbstverständlich versuchen wir auch die Beschränkungen so gering als möglich zu halten", macht Kranich deutlich. Es gibt vier Gruppen mit eigenen Ausgangszeiten, um das Gebäude zu verlassen. "Ich habe Kinder gesehen, die mit ihren Eltern draußen gespielt haben."
Hilfsbereit, aber vorsichtig
Dennoch ist man auf der Hut: Wolle jemand etwas im Kiosk besorgen, trete er an den Tresen und zeige auf den Gegenstand, den er braucht. "Dann tritt er wieder zurück, damit der Helfer den Gegenstand auf den Tresen legen kann", erklärt Kranich die Spielregeln. "Dann wiederum geht der Helfer zurück, damit die Person den Gegenstand nehmen kann und sich beide nicht berühren."
Auch Kommunalpolitiker wie Sascha Hofmann, Erster Beigeordneter der Stadt Germersheim, mühen sich, Ruhe zu wahren. "Wir hatten natürlich mit einigen Ängsten der Anwohner zu kämpfen. Aber wir merken, es flaut ab. Die sehen ja auch, was das Rote Kreuz und die Bundeswehr hier leisten," sagt er vor laufenden Kameras.
Aufklärung gegen Angst der Anwohner
Vor rund 50 Pressevertretern bemüht sich Hofmann gemeinsam mit Landrat Fritz Brechtel und Kranich zu erklären, was derzeit mit den Isolierten passiert. "Auf den Gängen ist striktes Berührungsverbot“, erklärt Brechtel. 20 freiwillige Helfer des Roten Kreuzes haben sich zu den Isolierten begeben und leben jetzt ebenfalls in der Quarantäneeinheit.
"Sie sind gerade dabei, mit Wattestäbchen Rachenabstriche zu nehmen", sagt er. "Spätestens in vier bis fünf Tagen werden wir dann wissen, ob sich weitere Personen mit dem Virus infiziert haben", sagt der Landrat. Sollte eine Infektion festgestellt werden, bringe man den Patienten in die Klinik.
"Unter den Helfern sind auch Ärzte", so Kranich. "Die gehen auf alle zu, fragen, wie es geht, messen Fieber. Noch klagt niemand über Husten. Es geht allen gut." Auch die Helfer werden untersucht. Sie arbeiten im sogenannten schwarzen Bereich. Und weil sie in direktem Kontakt zu den Isolierten stehen, werden auch sie bis zum Ende der Quarantäne in frühestens zwei Wochen die Süd-Pfalz-Kaserne wieder verlassen dürfen.
Keine Pakete mehr
Pakete von außerhalb waren zunächst erlaubt, um die Versorgungslage zu verbessern und mit persönlichen Gegenständen von Angehörigen ein bisschen Privatheit zu ermöglichen. Dann wurde sie aber aus Sicherheitsgründen doch untersagt.
Die Quarantäne macht sie alle zu einer Schicksalsgemeinschaft: Sollte ein Test positiv ausfallen, könnte sich für alle 120 die Quarantänezeit um weitere zwei Wochen verlängern. Diese Aussicht verbreitet bei den meisten Bewohnern weit mehr Schrecken als die Käse-Sahne-Nudeln bei der Essensausgabe, über die manche in Interviews meckerten.

Den Besuch von Gesundheitsminister Jens Spahn habe man nur aus der Ferne mitbekommen, als er am Zaun entlang ging, sagt Scheller. Die Abschirmung funktioniere auch hier. Und der Amtsarzt des Roten Kreuzes habe ihnen erzählt, welche Besorgnis auch draußen vor dem Zaun der Südpfalz-Kaserne kursiere – und welche manchmal kuriosen Blüten das treibe.
Verdachtsfall hat sich nicht bestätigt
Niemand hat Fieber, keiner hustet. Und selbst die Kinder bewahren Ruhe – solange das WLAN funktioniert. Die Heimkehrer waren direkt nach der Ankunft in Frankfurt untersucht worden. Fünf Tage später erfolgte ein zweiter Test. Denn die Mediziner wissen: In vielen Fällen bricht die Krankheit bei denen, die das Virus in sich tragen, binnen fünf Tagen aus. "Bisher war nix, sagt Thomas Scheller, der die Tage zählt. "Wenn es so bleibt, sind wir in einer Woche raus." Dann wollen sie seine Eltern in Würzburg besuchen – und dann endlich in die USA zurückfliegen. "Ich habe den Flug schon mal gebucht."
(mit Material von dpa)
wäre und seine Familie doch
in China geblieben
oder wieder nach Amerika gegangen
würde uns weniger kosten