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Würzburg
Corona: Würzburger Uni-Forscher sind Medikament auf der Spur
Können Arzneien für andere Krankheiten auch gegen Covid-19 wirken? Forscher der Uni Würzburg haben eine spannende Entdeckung gemacht. Im Blickpunkt: ein Antidepressivum.
An der Uni Würzburg wird in vielen Bereichen zum Coronavirus geforscht. Virologen und Chemiker sind nun auf einen Wirkstoff gestoßen, der eigentlich bei Depressionen zum Einsatz kommt.
Foto: Patty Varasano | An der Uni Würzburg wird in vielen Bereichen zum Coronavirus geforscht. Virologen und Chemiker sind nun auf einen Wirkstoff gestoßen, der eigentlich bei Depressionen zum Einsatz kommt.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:36 Uhr

Weltweit wird mit Hochdruck daran geforscht: An Medikamenten, die im Kampf gegen die Corona-Pandemie helfen könnten. So wie Remdesivir, das bislang einzige eingesetzte Mittel mit nachgewiesener Wirkung. Wissenschaftler der Universität Würzburg sind nun auf ein Antidepressivum gestoßen, das in Laborversuchen überraschend stark die Vermehrung des Virus vom Typ SARS-CoV-2 bremst.

Eine Studie dazu haben Prof. Jochem Bodem und sein Team vom Institut für Virologie und Organische Chemie veröffentlicht – unterstützt von Chemiker Prof. Jürgen Seibel. An Covid-Erkrankten muss die Wirksamkeit des Mittels erst bestätigt werden. Der echte Praxistest steht somit noch aus. Auch wird die vor wenigen Tagen im Netz publizierte Studie gerade erst von externen Experten geprüft. Dennoch gibt sie Anlass zur Hoffnung, dass infizierte Corona-Patienten von einer Behandlung mit dem Medikament profitieren könnten.

Fluoxetin: Seit 40 Jahren in der Anwendung bei psychischen Erkrankungen

Fluoxetin heißt der Wirkstoff. Er wird laut Mitteilung der Uni seit mehr als vier Jahrzehnten bei Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen eingesetzt, seit den 70er schon in Kliniken. Das ist der große Vorteil: Das Medikament ist längst zugelassen, das Patent abgelaufen, von verschiedenen Firmen erhältlich und laut Uni auch relativ günstig. Es müssen also nicht erst wie bei neuen Mitteln zeitaufwändige und teure klinische Studien durchgeführt werden.

Die Zeit dafür fehlt im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Deshalb haben die Würzburger Wissenschaftler einen anderen Weg gewählt: "Wir haben uns in unseren Untersuchungen auf bereits zugelassene Medikamente konzentriert", so Jochen Bodem. Wie weit können sie SARS-CoV-2 wirksam blockieren? Mit Fluoxetin haben die Forscher offenbar einen Treffer gelandet. "Es hemmt SARS-CoV-2 bereits in einer sehr geringen Konzentration", sagt der Virologe zu den Testergebnissen.

Wirkstoff hemmt die Vermehrung des Virus

Geprüft hatten Bodem und seine Kollegen auch andere genannte "Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer" (SSRI), die sonst bei psychischen Leiden verwendet werden. Doch nur Fluoxetin zeigte eine starke Wirkung auf das Coronavirus. Was heißt, dass ein Nebeneffekt des Wirkstoffs  dem Virus zusetzt und nicht seine eigentliche Aufgabe bei der Aufnahme des "Glückshormons" Serotonin. Die Erklärung aus Sicht der Forscher: Fluoxetin hemmt die so genannte Proteinexpression im Virus. Damit kann es nicht die Bausteine bilden, die es zur Vermehrung in einer menschlichen Zelle braucht.

Diese Bremswirkung scheint Fluoxetin in besonderer Weise beim SARS-CoV-2-Virus zu haben, bei Tollwut- oder Herpesviren etwa tut sich nichts. "Es spricht also alles dafür, dass Fluotexin virusspezifisch ist", erklärt Virologe Bodem. Die Würzburger Wissenschaftler halten es deshalb für sinnvoll, den Wirkstoff bei Covid-19-Patienten in Heilversuchen und Studien einzusetzen.

Genau dies fordert der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA). Dort unterstützt man den Ansatz, bereits für andere Krankheiten vorhandene Medikamente zur Behandlung von Corona-Patienten umzuwidmen. Ärzte, so heißt es beim Verband, hofften auf schnellstmögliche Klärung, welche dieser Medikamente sie gegen Covid-19 sinnvoll einsetzen können – und bei welchen der Betroffenen: "Denn was für frisch Infizierte hilfreich ist, ist womöglich bei Patienten auf der Intensivstation nicht mehr wirksam oder sogar nachteilig." Manche Medikamente wiederum seien vielleicht sogar vorbeugend gegen eine Infektion einsetzbar.

All dies könne letztlich nur durch Studien mit freiwilligen Patienten geklärt werden. Laut Verband ruhen die Hoffnungen bisher vor allem auf Medikamenten für Lungenerkrankte, bei Herz-Kreislauf-Störungen, für die Immunregulierung und andere Virus-Erkrankungen. Sollte ein Antidepressivum wie Fluoxetin für die Corona-Behandlung zum Einsatz kommen, wäre dies Neuland – betreten mit Hilfe der Forscher aus Würzburg.

Corona-Forschung an der Uni Würzburg

Nicht nur der Lehrbetrieb der Würzburger Julius-Maximilians-Universität (JMU) steht im Zeichen der Coronakrise. Er wurde im Sommersemester auf digitale Vorlesungen und Seminare umgestellt. Auch die Forschung beschäftigt sich intensiv mit Art, Verbreitung und Schutz vor dem Virus. Fast alle Fakultäten sind beteiligt. Bereits im Januar begannen Forschungsteams um den Infektionsbiologen Prof. Jörg Vogel, Direktor des Instituts für Molekulare Infektionsbiologie (IMIB) und des hiesigen Helmholtz-Instituts, mit Arbeiten zum Coronavirus. Sie wollen dessen Erbgut verstehen und Ansätze für Therapeutika und Impfstoffe finden. Auch Strukturbiologen wie Dr. Andrea Thorn versuchen das Virus zu entschlüsseln. Und natürlich die Chemie: Jürgen Seibel, Professor für Organische Chemie, ist Spezialist für die Entwicklung neuer Medikamente und synthetisiert seit Jahren Substanzen als Grundlage für neue Arzneimittel, jetzt auch gegen Covid-19. Und die Folgen der Corona-Pandemie? Sie ergründen an Würzburgs Uni Ökonomen, Juristen, Informatiker (Stichwort App), Psychologen, Didaktiker, Geografen und sogar Theologen.         
aj
 
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  • D. H.
    Nochmals neu, da das neue Notebook nicht so will wie ich: Impfstoff und Fluoxetin kann man nicht vergleichen. Der Impfstoff soll verhindern, dass man an Covid19 erkrankt, Fluoxetin kommt erst nachdem man den Virus hat zum Einsatz. Dieses Antidepressivum ist auch nicht ohne....
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  • D. H.
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  • C. L.
    Das wäre aber jetzt blöd, wenn das durchschlägt.
    Ist dann wohl zu billig, weil das Patent abgelaufen ist.
    Oje und 400 Mio Impfdosen vergebens bestellt.
    Aber bei CureVac beteiligt.
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  • A. B.
    Na machen sie mal hablang - Die Untersuchungen und vor allem die verschiedenen Ansätze für einen Impfstoff sind durchaus gerechtfertigt. Das Virsu mutiert immer wieder, so dass es wichtig ist verschiedene Ansätze für einen Wirkstoff oder evtl. auch verschiedene Impfstoffe zur Verfügung zu haben, die evtl. an den Biometer der verschiedenen Personen angepasst und verwendet werden kann. Im Übrigen bedarf es ja noch der klinischen Studien, die dann für den Impfstoff bzgl. der Realität menschlichen Lebens aussagen können. Da ist die Entwicklung anderer Impfstoffe schon weiter gediehen.
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