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Würzburg
Corona: Gesichtsmasken statt Matratzen und Möbelauflagen
Wenn die Not am größten ist, gibt es immer wieder Menschen, denen Lösungen einfallen. Wie die Würzburger Firma Wegerich den Pflegediensten und Krankenhäusern helfen will.
Geschäftsführer Markus Wegerich von Schaumstoff Wegerich stellt waschbare Gesichtsmasken für soziale Einrichtungen her. Er zeigt auf unserem Bild die Muster.
Foto: Thomas Obermeier | Geschäftsführer Markus Wegerich von Schaumstoff Wegerich stellt waschbare Gesichtsmasken für soziale Einrichtungen her. Er zeigt auf unserem Bild die Muster.
Ernst Lauterbach
 |  aktualisiert: 27.04.2023 09:38 Uhr

Dort, wo sonst Pflegebettmatratzen, Polster für Gartenmöbel oder Matrazenauflagen hergestellt werden, werden ab diesem Montag die Nähmaschinen rattern und ein Produkt hervorbringen, das in vielen Einrichtungen derzeit händeringend gesucht wird: Über 100 000 Gesichtsmasken für Krankenhäuser, Altenheime oder ambulante Dienste will die Würzburger Firma Wegerich in den kommenden Wochen herstellen.

"Die Ehefrau eines unserer rund 50 Mitarbeiter ist Ärztin, die eines anderen Dialysepatientin", berichtet Firmenchef Markus Wegerich am Telefon. "Wir bekamen immer wieder Informationen, dass diese Masken Mangelware werden. Im Dialysezentrum mussten die Mitarbeiter bereits mit hoch gezogenen T-Shirts  oder selbst gebastelten Masken auskommen", sagt er. "Eigentlich sind  wir ein Handwerksbetrieb, der alles herstellt, was aus Schaumstoff ist, aber da haben wir überlegt, was können wir tun?"

"Wenn alles klappt, können wir an diesem Montag beginnen."
Markus Wegerich - Firmenchef

"Wir stellten dabei fest, dass wir bei uns Vliesstoffe im Einsatz haben, die von der Materialbezeichung auch in den klassischen Wegwerfmasken verwendet werden. Also haben wir uns diese Masken besorgt und stellten keinen Unterschied fest", erzählt er weiter. "Einer unserer Lieferanten produziert zudem unter anderem auch die Vliesstoffe, die für zertifizierte Masken verwendet werden. Dort haben wir angefragt, doch die standen bereits unter staatlicher Aufsicht und meinten, wenn Sie heute bestellen, bekommen Sie solche Stoffe von uns frühestens im Sommer 2021. Aber ein Muster samt Datenblatt zum Vergleich konnten  sie uns schicken", berichtet Wegerich.

Die verwendeten Materialien hat er durch die Polsterei weitgehend vorrätig und verkauft diese Masken zum Selbstkostenpreis.
Foto: Thomas Obermeier | Die verwendeten Materialien hat er durch die Polsterei weitgehend vorrätig und verkauft diese Masken zum Selbstkostenpreis.

"Gleichzeitig kam die Info, dass private Pfegedienste nicht mehr zu ihren Patienten fahren würden, weil sie keine Masken mehr haben", berichtet er weiter. "Da habe ich den Rolf Müßig, den Geschäftsführer der Arche, angerufen, den ich geschäftlich und privat kenne. Als ich ihm erzählte, was wir vorhaben, hat er geantwortet: ,Ich bin gleich da'.  Er kam, hatte Masken zum Vergleich mitgebracht, und wir haben festgestellt, dass sie vom Aufbau und den Materialien unseren Versuchsmasken sehr glichen."

Abgegeben werden sollen die Masken aber nur zum Selbstkostenpreis an relevante Einrichtungen, nicht an Privatpersonen, sagt der Firmenchef. Hier eine Näherin, die zeigt, wie sie produziert werden. 
Foto: Thomas Obermeier | Abgegeben werden sollen die Masken aber nur zum Selbstkostenpreis an relevante Einrichtungen, nicht an Privatpersonen, sagt der Firmenchef. Hier eine Näherin, die zeigt, wie sie produziert werden. 

"Es kommt hinzu, dass diese Masken eigentlich Einwegmasken sind, die man nach circa einer Stunde wegwerfen und eine neue nehmen soll. Das ist natürlich in der jetzigen Situation Wahnsinn", weiß Wegerich. "Unser Diplomingenieur für Kunststoff- und Elastomertechnik wusste aber, dass unser Vliesstoff bei 100 Grad beständig ist, das heißt, die Masken können bei 60 Grad gewaschen werden, da passiert gar nichts. Herr Müßig hat dann berichtet, dass in den Arche-Alten- und Pflegeheimen bei der 60-Grad-Wäsche zusätzlich ein desinfizierendes Waschmittel eingesetzt wird."

"Wenn ich das erzähle, geht das wie ein Lauffeuer herum."

"Also habe ich gesagt, wir machen eine waschbare dreilagige Maske aus beidseitigem Doppeltuch mit Ökotex-Standard 100, das ist die Produktklasse für Babies mit Hautkontakt. Dazwischen liegt eine mehrlagige Schicht aus Vlies, die einer OP-Maske äußerst ähnlich ist.  Wir haben ja keine Zertifizierung, und ich möchte eigentlich nichts machen, was ich nicht darf", sagt Wegerich. "Aber Herr Müßig hat gesagt: ,Wenn Sie die Masken produzieren, hätte ich gerne tausend Stück. Und wenn ich das erzähle, geht das wie ein Lauffeuer herum. Wenn Sie in der Lage sind, 100 000 Masken zu produzieren, würde ich mich  nicht sorgen, dass die verkauft werden können.'"

"Das stimmt", sagt Rolf Müßig. "Ich habe die Entwicklung unterstützt, das war eine Kooperation. Das Projekt hat sich auch bereits herumgesprochen, und wir haben schon die ersten Anfragen, die wir an die Firma Wegerich weitergeben werden", berichtet Müßig am Freitagnachmittag.

Eine Tagesproduktion von 1000 bis 2000 Stück ist angepeilt

"Wenn alles klappt, können wir an diesem Montag beginnen und wollen im Lauf der Woche auf eine Tagesproduktion von ein- bis zweitausend Stück kommen", hofft Wegerich. Bleiben die Kosten: "Was eine Maske genau kostet, kann ich derzeit noch nicht genau sagen, wir wollen sie auch nur kostendeckend verkaufen. Ich musste in der vergangenen Woche Mitarbeiter nach Hause schicken, und wenn ich jetzt zehn Mitarbeiter kostendeckend beschäftigen und gleichzeitig einen Beitrag für die Gesellschaft leisten kann, dann ist das das Ziel."

"Ich gehe fest davon aus, dass wir die Masken nicht an Endverbraucher verkaufen dürfen und dazu schon bald eine amtliche Vorgabe bekommen", fährt er fort. Die Masken seien ohne Textilkennzeichung auch nicht für den normalen Handel geeignet. "Die sind den relevanten Einrichtungen vorbehalten, also Krankenhäusern, Pflegediensten oder Dialysestationen", sagt er. Und bekräftigt: "Wir werden die nicht an Privatpersonen über den Ladentisch verkaufen. Wir nehmen Anfragen nur telefonisch auf und werden diese sammeln." 

 
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Kommentare
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  • B. E.
    Find ich gut! Bin gerne mit einer Spende dabei, wenn's später anwaltliche Hilfe gegen übereifrige Bürokratie braucht.
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  • F. H.
    Aller Achtung ! ! !
    Diese Entscheidung finde ich super.
    dann legt morgen mal los, denn die
    Masken von Euch werden dringend in
    den Kliniken und bei der Pflege gebraucht.
    Nochmals vielen Dank an euch Alle.
    Gruß aus Estenfeld ! ! !
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  • B. L.
    Hut ab vor Herrn Wegerich! Andere an seiner Stelle würden daraus jetzt ein Riesengeschäft machen. Liebe Würzburgerinnen und Würzburger, das sollten wir alle honorieren - und die nächsten neuen Matratzen fürs Bett unbedingt bei Schaumstoff Wegerich kaufen!
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  • J. B.
    Vielen Dank an Herrn Wegerich und an Herrn Müßig für die schnelle, unbürokratische und selbstlose Hilfe für unsere Gesellschaft, für alle die Helfer in den Pflegeberufen. Ich zolle Ihnen einen riesen großen Respekt für diese Leistungen - ich kann nur sagen - solche Menschen braucht unser Land. Und wenn wir alle unseren Beitrag leisten - dann meistern wir auch diese Krisenzeit. Bleibt alle gesund.
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  • A. G.
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  • J. N.
    Das nenn ich mal echte Kreativität und Hilfsbereitschaft!
    Und ich hoffe sehr, dass jetzt nicht irgendwelche Gewerbeaufsichtsämter dazwischengrätschen, von wegen fehlender amtlicher Zulassung usw.

    Jede Maske in den Krankenhäusern/Pflege ist besser als gar keine, und hier macht sich mal immnerhin jemand Gedanken, was man TUN kann...

    Dank für diese gute Idee!
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  • H. S.
    Sollte, könnte, dürfte, müsste: nein, einfach machen. Auch wenn in Deutschland sonst nichts ohne Zulassung, Zertifizierung, Genehmigung, Prüftests usw. abgeht: Es geht auch anders. Kompliment Firma Wegerich. Apall an andere: einfach nachmachen, denn es geht auch ohne Bürokratismus.
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Sehr gute Geschäftsidee!! DAS kann Leben retten!! Respekt!!
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  • H. S.
    Saucool.....Ärmel hoch und los gehts.
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