zurück
Würzburg
ChatGPT bringt mündliche Prüfungen zurück: Wie Technische Hochschule und Uni Würzburg mit Künstlicher Intelligenz umgehen
Wo Studierende für eine Arbeit viele Stunden benötigen, braucht Künstliche Intelligenz wenige Sekunden. Unterfrankens Hochschulen müssen sich etwas einfallen lassen.
Studium und Künstliche Intelligenz: Diese Bild hat die Bild-KI 'Midjourney' erstellt.
Foto: Nikola Biscan mit Hilfe der KI Midjourney | Studium und Künstliche Intelligenz: Diese Bild hat die Bild-KI "Midjourney" erstellt.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 15.07.2024 11:11 Uhr

Revolution und Fortschritt oder kultureller Niedergang? Bald ein halbes Jahr ist ChatGPT auf dem Markt – ein Chatbot, der Künstliche Intelligenz (KI) nutzt. Der Run auf den Textroboter ist enorm.

Hochschulen in Unterfranken sehen sich gefordert: Was heißt es für die Wissenschaft, wenn Künstliche Intelligenz in Sekundenschnelle komplizierte Fragen beantwortet und Texte in gewünschter Länge ausspuckt? Schreiben sich Hausarbeiten nun von allein?

Auch die Würzburger Julius-Maximilians-Universität  und die Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt ringen um den richtigen Umgang mit ChatGPT. Von einem Verbot hält man nichts. Aufzuhalten sei die Entwicklung nicht, heißt es von den Hochschulleitungen. Neben den Risiken sieht man auch Chancen in der KI – sei es in der Medizin oder für Produktentwicklungen. 

Studierende und Dozierende setzen ChatGPT bereits ein

Unter Studierenden haben sich ChatGPT und andere KI-Systeme in Windeseile verbreitet. Sie setzen die digitalen Werkzeuge ein fürs Umformulieren in Hausarbeiten, für die Quellensuche, für Bewerbungen oder für Anregungen und Ideen. "Ab Mitte März wussten alle Bescheid", sagt Andreas Fuchs, Professor für Marketing und Digital Business an der Technischen Hochschule. "Jeder hat sofort verstanden: Das hat ein Riesenpotenzial!"

Fuchs beschäftigt sich schon seit längerem mit der Text-KI. Ihm und anderen Professorinnen und Professoren dämmerte schnell, dass ChatGPT einiges auf den Kopf stellt. Manche setzen die KI selbst ein – beispielsweise, um Daten als schöne Schaubilder zu präsentieren. ChatGPT schreibt den Code dafür.

Fuchs berief an seiner wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät zu Jahresbeginn eine Arbeitsgruppe ein, ein gutes Dutzend Kolleginnen und Kollegen machten gleich mit. Sie erarbeiten Handreichungen zum Umgang mit der Text-KI für die eigene Fakultät. Aus dem Ministerium gibt es noch keine Direktive, doch Warten ist keine Option. "Das kann Jahre dauern", befürchtet Fuchs.

Die Empfehlungen der Arbeitsgruppe will er auch anderen Fakultäten zur Verfügung stellen, über die Hochschulleitung. "Wir haben das Thema auf dem Schirm", sagt der Schweinfurter Hochschul-Vizepräsident Achim Förster, zuständig für die Lehre. Je nach Fachgebiet sei der Einsatz von Text-KI ganz unterschiedlich möglich. "Konstruktiv und im Dialog zwischen Studierenden und Lehrenden" müsse man mit den technologischen Entwicklungen umgehen.

Bringen ChatGPT und Co. mündlichen Prüfungen an Unis mehr Gewicht?

Was sich an Technischer Hochschule und Uni abzeichnet: Die mündliche Prüfung könnte eine Renaissance erleben – oder zumindest wieder eine größere Rolle spielen. Denn damit können Lehrende am ehesten testen, ob eine Studentin oder ein Studentin eine Sache wirklich durchdrungen hat. Auch mit Aufsichts-Arbeiten, den klassischen Klausuren, wäre eine Nutzung von ChatGPT auszuschließen.

Kritischer sind nach Einschätzung von Andreas Fuchs so genannte Open-Book-Klausuren, bei denen alle Hilfsmittel erlaubt sind. Oder Hausarbeiten, die sich jeder Kontrolle entziehen. "Das ist die einzig wirklich problematische Prüfungsform", sagt Andreas Dörpinghaus, Uni-Vizepräsident für Studium und Lehre. Ob jemand ChatGPT für einzelne Zwecke verwendet, lässt sich kaum nachprüfen.

Andreas Fuchs ist seit 2019 Professor für Marketing und Digital Business an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt. Er beschäftigt sich mit den Auswirkungen von KI auf die Lehre.
Foto: Thomas Obermeier | Andreas Fuchs ist seit 2019 Professor für Marketing und Digital Business an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt. Er beschäftigt sich mit den Auswirkungen von KI auf die Lehre.

TH-Professor Fuchs will das Werkzeug trotzdem nicht verteufeln: "Ich möchte sogar, dass es eingesetzt wird." Aber, und das ist zentral: Die Nutzung von KI müsse mit Verweisen klar kenntlich gemacht werden. Denkbar wäre zum Beispiel, zusätzlich zum KI-Ergebnis auch den sogenannten Prompt zu dokumentieren – also die Aufgabe, die Studierende ChatGPT gegeben haben.  

Aber Vorsicht: Dass der Textroboter mitunter Stuss liefert, haben Nutzerinnen und Nutzer schon hinreichend erfahren. Auch aus diesem Grund bleiben viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler skeptisch. "Man muss die Ergebnisse immer kritisch prüfen", sagt Fuchs. Sein Credo: "ChatGPT so einsetzen, dass Studierende nicht verblöden, sondern kritisch darüber nachdenken."

Wer übrigens als Studentin oder Student ohne Quellenangabe halbe Arbeiten oder mehr von ChatGPT schreiben lässt, handelt riskant: Mittlerweile gibt es Programme, die KI-generierte Texte auffliegen lassen. Wenn nicht die Prüferin oder der Prüfer selbst draufkommt. "Mit etwas Erfahrung ist das relativ leicht zu erkennen", sagt Andreas Fuchs. "ChatGPT formuliert immer in der gleichen Logik." Und allzu perfekt, ohne jeden Rechtschreibfehler.

Gänzlich neu ist die Problematik freilich nicht. Schon immer konnten Abschlussarbeiten von bezahlten Ghostwritern, Freunden oder Eltern geschrieben werden.

Universität: Intensiver Austausch zu Künstlicher Intelligenz, Freiheit für Fakultäten und Institute

Ein Riesenthema ist ChatGPT auch an der Uni Würzburg. Der Einsatz werde in allen mit Studium und Lehre befassten Gremien diskutiert, so Vize-Präsident Andreas Dörpinghaus. Der Umgang mit der Text-KI stehe den einzelnen Fakultäten, Instituten oder Lehrstühlen derzeit frei. Sie sollen nach eigener Fachkultur, Lehrverständnis und Lernzielen entscheiden.

In einem digitalen Forum können sich Dozentinnen und Dozenten über ChatGPT austauschen. Demnächst soll auch an der Uni in Würzburg ein Arbeitskreis dazu gegründet werden. 

Angepasst wurde für alle Studierenden bereits die so genannte Selbstständigkeits-Erklärung. Nun gibt es zwei Varianten für schriftliche Arbeiten: Entweder man versichert, sie ohne Zuhilfenahme von Text-KI geschrieben zu haben. Oder man bestätigt deren Nutzung und sichert zu, dass entsprechende Stellen gekennzeichnet wurden.

Bildungswissenschaftler Dörpinghaus kann dem "technologischen Krisenimpuls" ChatGPT grundsätzlich etwas Gutes abgewinnen. Er nötigt Dozierende und Studierende zur Klärung zentraler Fragen: Was macht wissenschaftliches Denken aus? Wie unterscheiden sich Mensch und Maschine? Was gehört zu echter Bildung und was kann KI niemals leisten?

"Das ist eine in jeder Hinsicht fruchtbare Diskussion", ist der Uni-Vize überzeugt. Von Studierenden erwarte er, dass sie einen Sachverhalt klug beurteilen und mündig mit eigenen Worten analysieren und erklären können. Und ChatGPT? Sei im Vergleich dazu ein "Schreibsklave".

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Schweinfurt
Andreas Jungbauer
Chatbots
Intelligenz
Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Lehrstühle
Markt Höchberg
Studentinnen und Studenten
Technische Hochschulen
Universität Würzburg
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top