Die Glocke des Kirchturms läutet, ein italienisches Dorf um 1950. Don Camillo, der Pater, bekreuzigt sich, als plötzlich Peppone, sein Erzfeind im Dorf, samt Frau und Kleinkind auftauchen. Don Camillo möge Peppones Sohn auf den Namen „Libero Lenin“ taufen. Der Pater weigert sich, es kommt zum lautstarken Gezanke.
So beginnt die auf einem Roman von Giovanni Guareschi beruhende Komödie. Die „Roten“ auf der einen, die Konservativen auf der anderen Seite beharken sich. Es gilt, die Vermählung des Mariolino, einem sozialistischen Romeo, mit der aus reichem Hause stammenden Gina zu unterbinden.
Freilichtbühne extra groß gebaut
Den literarischen Klassiker hat das Theater Chambinzky im Sommer vier Wochen lang auf die Bühne gebracht – wegen Corona unter freiem Himmel und nicht im angestammten Haus in der Valentin-Becker-Straße. Die Freilicht-Bühne am Hubland sei extra groß gebaut worden, verrät die Regisseurin des Stücks, Gwendolyn von Ambesser. Dies ermögliche es den Schauspielern, untereinander Abstand zu halten. Von Ambesser ist ein echtes Theaterurgestein. Eine Ausnahmesituation wie die aktuelle Pandemie habe sie in ihren 70 Jahren jedoch noch nicht erlebt.
Wie sich die Corona-Vorschriften auf die Bühne auswirken? Bei den Proben dienen Personenlisten samt Ankunftszeit der Rückverfolgung möglicher Infektionsketten. Es werde darauf geachtet, dass jeder Schauspieler nur seine eigene Trinkflasche benutzt, zwischen den Spiegeln der Umkleide wurden Trennwände gezogen.
Sorgen bereitet der gebürtigen Münchnerin der Ausblick auf die kommende Spielzeit, die witterungsbedingt nicht mehr auf der Freilichtbühne, sondern im Haus in der Valentin-Becker-Straße stattfinden muss. Immerhin gebe es erstklassige Wenig-Personen-Stücke, wie etwa "Kerle im Herbst" von Katrin Wiegand, das mit nur drei Darstellern auskommt. Was die Zuschauer anbelangt, wird es schwieriger.
Natürlich möchte man das Publikum bestmöglich schützen, dem Gegenüber stehe jedoch die Wirtschaftlichkeit des Theaters. Im großen Saal, der 130 Personen fasst, dezimiere sich die Kapazität unter Einhaltung der 1,5-Meter-Abstandsvorgabe auf 40 Zuschauer. "Schauen Sie,", so von Ambesser, "in jedem Flugzeug können Sie das Fünffache an ‚Publikum‘ haben". Womit sie ungefähr richtig liegt. In einen Airbus A320neo passen 180 Passagiere – das Auslassen von Sitzplätzen gibt es auf Flügen offiziell nicht.
Csaba Béke, der seit zwei Jahren Intendant des Chambinzky ist, zieht ebenfalls einen Vergleich zur Flugindustrie: "Die Lufthansa zum Beispiel hat eine ganz andere Lobby." Der 40-Jährige ärgert sich darüber, dass die Kulturwirtschaft in kleinteilige Interessengruppen zersplittert sei. Immerhin habe sich vergangene Woche der deutsche Bühnenverein in einer Pressemitteilung für eine optimale Auslastung der Saalkapazitäten stark gemacht, die Tagesschau berichtete.
"Wir appellieren seit Monaten auf ein Schachbrettsystem", so Béke. Nur ab 50 Prozent Auslastung könne sein Theater wirtschaftlich arbeiten, 65 Personen bei Vorstellungen im großen Haus seien damit "Unterkante". Zwar wird das Budget des Chambinzky zu rund 20 Prozent gefördert. Diese Gelder sind jedoch an künstlerische Tätigkeiten gekoppelt. Seine sechs fest angestellten Mitarbeiter aus dem technischen Bereich kann er damit nicht bezahlen. Gleichzeitig lobt er die Unterstützung der Stadt Würzburg.
Die finanziellen Schwierigkeiten verschärfen sich durch die notwendige Investition in eine Anlage zur Frischluftzufuhr. Diese dient der Minimierung des Übertragungsrisikos durch Aerosole, der Schutz der Gäste habe höchste Priorität.
Vorverkauf für neue Spielzeit soll in Kürze starten
Trotz der Ungewissheiten soll in Kürze der Vorverkauf für die kommende Spielzeit starten, Béke hofft zudem auf Gutscheinkäufe und private Spenden. Auf dem Programm stehen dann ab Anfang Oktober eine für die Bühne adaptierte Version des Nick-Hornby-Romans "A Long Way Down" sowie das mehrfach ausgezeichnete Stück "Chaim & Adolf".
Das Publikum am Hubland bekam von diesen Sorgen wenig mit. In Biergartenatmosphäre ließ sich das Dauerthema Corona für zwei Stunden vergessen. Obwohl nicht ganz: Auf der Bühne küssen Mariolino und Gina nicht etwa einander, sondern die rasch dazwischen gehaltene Plexiglasscheibe!
Text: Andreas Jäger