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Würzburg/Berlin
BVUK in Würzburg: Lobbyarbeit von Altkanzler Schröder am Pranger
Seit 2020 ist Altkanzler Gerhard Schröder als eifriger Lobbyist der Würzburger Versicherungsagentur BVUK unterwegs. Und das ziemlich geräuschlos. Bislang.
Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) ist seit Anfang 2020 für die Würzburger Versicherungsagentur BVUK als Lobbyist unterwegs.
Foto: Kay Nietfeld, dpa | Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) ist seit Anfang 2020 für die Würzburger Versicherungsagentur BVUK als Lobbyist unterwegs.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:39 Uhr

Wenn Politiker nach ihrem Karriereende die Seite wechseln und die Interessen der Wirtschaft vertreten, gibt es gerne mal kritische Schlagzeilen. So ging es zum Beispiel Ex-Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP), als er 2015 und damit nur gut ein Jahr nach dem Aus als Politiker zum Rüstungs- und Autozulieferer Rheinmetall ging. Sigmar Gabriel, Brigitte Zypries, Stanislaw Tillich, Franz-Josef Jung oder Ronald Pofalla: alles weitere Beispiele für den Seitenwechsel.

In welcher Weise Schröder für BVUK aktiv ist

Am wohl schillerndsten ist der Fall Gerhard Schröder (SPD). Der frühere Bundeskanzler ging wenige Monate nach seiner Abwahl im Jahr 2005 nicht zuletzt wegen der ihm nachgesagten Nähe zum russischen Staatschef Wladimir Putin zum Energiekonzern Gazprom. Er ist noch heute dort aktiv, als Chef des Aktionärsausschusses der Konzerntochter NordStream AG.

Lobbyismus ist hierzulande nicht verboten, stößt aber immer wieder an moralisch-ethische Grenzen. Für Unternehmen wie Wirtschaftsverbände sind die einst einflussreichen Politikerinnen und Politiker äußerst wertvoll, wenn es darum geht, bis hinauf zur Bundesregierung Eigeninteressen durchzusetzen. Schließlich sind all die Schröders, Gabriels und Pofallas nach wie vor gut vernetzt.

Das nutzt auch der BVUK-Verband in Berlin. Die Abkürzung steht für Betriebliche Versorgungswerke für Unternehmen und Kommunen, die zum Versicherungsvermittler BVUK in Würzburg gehören. Der Verband holte Altkanzler Schröder Anfang 2020 in seinen Vorstand.

Seither hat der 77-Jährige offenbar so intensiv für BVUK an Berliner Ministeriumstüren geklopft, dass jetzt die Wochenzeitung "Die Zeit"den Zeigefinger erhob. Die Journalisten Christian Fuchs und Martin Reyher haben zusammen mit der Redaktion von abgeordnetenwatch.de herausgefunden, dass der Altkanzler "seit Frühjahr 2020 mindestens acht Gespräche mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und einigen Ministern" geführt habe. Und dies wohl einige Male "im Auftrag der Maklerfirma", also BVUK in Würzburg, wie es in der aktuellen "Zeit"-Ausgabe vom 2. Dezember heißt.

Steuergelder für Schröder und sein (Lobby-)Büro

Damit nicht genug: "Mit dem designierten Bundeskanzler Olaf Scholz sprach er zwischen August und Oktober 2021 (...) viermal." Für die Autoren ist klar: "Nun ist der Altkanzler auch ein Altersvorsorgekanzler", macht BVUK um Chef Michael Reizel doch mit der Vermittlung von Betriebsrenten Geschäfte. Namhafte Kunden von BVUK sind zum Beispiel Obi, Henkel und das Deutsche Rote Kreuz.

Ein Thema, das Schröder sehr nahe sei, wie in der "Zeit" und bei abgeordnetenwatch.de zu lesen ist. Denn "als Kanzler förderte er ab 2002 die freiwillige Betriebsrente mit großzügigen Steuergeschenken". Ein Großteil der Lobby-Termine Schröders werde von seinem Altkanzler-Büro im Bundestag organisiert. "Finanziert wird dieses Büro von den Steuerzahlern mit über 400 000 Euro pro Jahr", heißt es in dem Bericht.

"Dass wir mit der Politik im Gespräch sind, ist bekannt."
Sprecher Karsten Hintzmann zur Lobbyarbeit von BVUK

Das Büro des Altkanzlers reagierte auf eine Bitte dieser Redaktion um Stellungnahme nicht. Offener ist BVUK-Sprecher Karsten Hintzmann. Der Bericht in der "Zeit" und auf abgeordnetenwatch.de "ist an den Haaren herbeigezogen". An den Spekulationen dort rund um Schröders Lobby-Dienste beteilige sich BVUK nicht. Dass der Altkanzler für die Würzburger in Berlin ungewöhnlich viele Gespräche auf höchster politischer Ebene geführt habe, sieht Hintzmann anders: "Dem ist nicht so."

In dem Bericht wird mehrfach das "Entrecote" erwähnt, wo ein Teil jener Treffen stattgefunden haben soll. In dem Berliner Nobel-Restaurant unweit des ehemaligen Grenzübergangs Checkpoint Charlie kostet die Flasche mit französischem Wein schon mal 420 Euro.

Dass sich Schröder dort auch mit Vizekanzler Scholz traf, ist für BVUK-Sprecher Hintzmann nichts Besonderes. Denn Schröder "ist nicht unser Beschäftigter". Und grundsätzlich gelte: "Dass wir mit der Politik im Gespräch sind, ist bekannt."

 
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  • U. A.
    Gibt es etwas wo der Gas-Schröder nicht die Finger drin hat? Oder besser die Hände?
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  • H. S.
    Wo wird Politik gemacht, wo fallen Entscheidungen? Sicher nicht im Parlament. Wer hat Erfolg? Wer Beziehungen hat. Warum geht man in die Politik? Man ist finanziell abgesichert (Pension), bekommt Kontakte, baut Netzwerk aus, hat nach dem Ausscheiden größere Chancen für Jobs in der Wirtschaft. Das geht im Dorfgemeinderat los bis hinauf in den Bundestag.
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  • C. W.
    wie sagte ein LR. so funktioniert Politik!
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  • H. G.
    Der Herr Schröder ist ein Nimmersatt, in der Politik hat er viel Unheil gebracht.
    Aber bei Gazprom liegt er richtig, dafür werden wir Herrn Schröder noch alle Danken.
    Mit Gas kann man Energie herstellen.
    Ich würde mich mit soviel Geld zur Ruhe setzen, in der Politik ist man besessen.
    Schönen zweiten Advent.
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  • D. K.
    Für alle die es noch nicht mitbekommen haben:

    Gas ist ein fossiler Energieträger und schadet der Umwelt.

    Nord Stream 2 ist für unseren Gasbedarf nicht notwendig, es geht darum die Ukraine zu umgehen.

    Nord Stream 2 wäre die beste Sanktionsmöglichkeit gewesen, da sie direkt den Staat und einige Oligarchen getroffen hätte, die jetzigen Sanktionen haben unserer Wirtschaft viel mehr geschadet als Russland.

    Da auch andere europäische Staaten direkt von Russland bedroht werden sind diese zurecht verärgert.

    Auch wenn die Amerikaner Europa als Absatzmarkt für Fracking Gas betrachten haben sie trotzdem damit Recht dass man sich hier noch weiter von einem Diktator abhängig macht.
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  • D. K.
    Man sollte doch eigentlich meinen dass Schröder in seiner politisch aktiven Zeit schon genug Schaden angerichtet hat.
    Doch dann verharmlost er als Putins Hofnarr dessen Verbrechen.
    Und nun schadet er mit Steuergeldern finanziert noch weiter der Allgemeinheit.
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  • L. W.
    Nebeneinkünfte

    sollten bei ehemaligen Politikern auf die Altersversorgung angerechnet werden.

    Es ist doch für den Normalbürger schier unerträglich, dass diese Expolitiker gigantische Bezüge (zumindest aus Sicht eines Rentners) beziehen und nebenher noch ein mehrfaches an Geld nur mit ihrem Namen "verdienen".
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  • A. K.
    Die Nähe Schröders zu Altersvorsorgeversicherungen ist doch nichts Neues.
    Stichwort: Maschmeyer
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