Zigtausend Schritte hat Johannes Wohlfahrt schon über die Alte Mainbrücke gemacht, stadteinwärts ist er gegangen, stadtauswärts und wieder stadteinwärts. Mit Gästen und alleine, schlendernd und hastend, und den einen oder anderen Brückenschoppen hat er hier freilich auch schon getrunken. Und wie er da so stand und an seinem Wein nippte, fiel sein Blick plötzlich auf den Sternenkranz des Heiligen Nepomuk. „Der war mir bis dahin nie aufgefallen“, sagt er. „Vor allem wenn man mit Gästen unterwegs ist, konzentriert man sich auf die bekannten Brückenheiligen und übersieht dann doch vieles. Und so ein Detail wie den Sternenkranz erst recht.“
Womit Johannes Nepomuk dem böhmischen König auf die Nerven ging
Neugierig geworden, begann er zu recherchieren. Johannes Nepomuk wurde 1380 zum Priester geweiht und war Pfarrer an der Kirche St. Gallus in Prag. Neun Jahre später war er Generalvikar des Prager Erzbischofs und wurde dafür bekannt, dass er die Rechte der Kirche gegenüber dem König energisch vertrat. Das ging dem böhmischen König Wenzel IV. gehörig auf die Nerven. Und als dann auch noch die Gattin des Königs, Sophie Euphemia von Bayern, Johannes zu ihrem Beichtvater wählte, war er endgültig schlecht auf den Geistlichen zu sprechen. Wenzel wollte nur zu gern wissen, was seine Holde ihrem Beichtvater anvertraut hatte. Doch der schwieg. Er schwieg auch dann noch, als König Wenzel ihn foltern und in die Moldau werfen ließ.
Der Körper des Toten wurde jedoch geborgen. Wie das vonstattenging, dazu gibt es zwei Versionen: Der ersten zufolge trocknete die Moldau aus, nach der zweiten Variante erschienen der Königin fünf leuchtende Sterne, durch die der Leichnam gefunden werden konnte. Eben jene Sterne, die auch die Nepomuksfigur auf der Alten Mainbrücke als Attribut trägt. „Diese fünf Sterne stehen für fünf Buchstaben“, sagt Wohlfahrt. TACUI, das bedeutet: „Ich habe geschwiegen.“ Seitdem wird Nepomuk meistens mit den Sternen dargestellt. Es gibt allerdings noch eine andere Variante der Geschichte, wie Joachim Schäfer im "Ökumenischen Heiligenlexikon" schreibt: „Historisch richtiger ist, dass Johannes in den Auseinandersetzungen zwischen König Wenzel und dem Prager Erzbischof Jenzenstein sein Schicksal erlitt.“
Mit Fackeln in Brand gesteckt und in die Moldau geworfen
Der Erzbischof widerstand dem Plan des Königs, ein westböhmisches Bistum zu gründen „und dafür das Vermögen des Klosters Kladrau/Kladruby zu verwenden, indem er einen neuen Abt für das Kloster ernannte, was Johannes Nepomuk als Generalvikar bestätigte.“ Der Erzbischof und Johannes wurden verhaftet, und während es dem Erzbischof gelang zu fliehen, wurde Nepomuk vom König mit Fackeln in Brand gesteckt und schließlich in die Moldau geworfen. „Die Geschichte vom schweigsamen Beichtvater der Königin berichtet erstmals Thomas Ebendorfer in seiner Kaiserchronik um 1450“, schreibt Schäfer. Und: „In der Überlieferung wurde er zunehmend das ideale Gegenbild zum tyrannischen Herrscher Wenzel.“
Der Legende zufolge musste Nepomuk also sterben, weil er sein Versprechen – das Beichtgeheimnis zu wahren – hielt. Dass seine Sterne, die an dieses Versprechen erinnern, auch über der Alten Mainbrücke leuchten, hat eine ganz besondere Bedeutung. Denn ausgerechnet König Wenzel IV., der Nepomuk der Legende zufolge ermordete, weil der sein Versprechen hielt, brach in Würzburg das Seinige: Er war nämlich anno 1397, vier Jahre nach Nepomuks Tod zu Gast in der Stadt am Main und fand so großen Gefallen an ihr, dass er Würzburg die Reichsunmittelbarkeit versprach. Doch kaum hatte er die Stadt verlassen, widerrief er sein Versprechen wieder. Daran erinnert an der Eingangstür des Wenzelsaals im Rathaus der Reichsadler mit einem zerbrochenen Zepter als Symbol des gebrochenen Versprechens. Und über der Alten Mainbrücke leuchten Nepomuks Sterne, die sagen: Ich habe geschwiegen.
Text: Eva-Maria Bast
Der Text stammt aus dem Buch „Würzburger Geheimnisse - Band 2“ von Eva-Maria Bast, das in Kooperation mit der Main-Post entstand. Das Buch enthält 50 Geschichten zu historischen Geschehnissen und Orten. Präsentiert werden die Begebenheiten jeweils von Würzburger Bürgern.
…… nicht denken-selber was gegen die weißen Käferchen tun!!!!