Italien stimmt an diesem Sonntag in einem Referendum über die größte Verfassungsreform seit Jahrzehnten ab. Auch 600 Würzburger Italienerinnen und Italiener sind wahlberechtigt – unter ihnen Antonino Pecoraro, Grünen-Stadtrat und langjähriger Vorsitzender des Ausländer- und Integrationsbeirates.
Frage: Herr Pecoraro, ist das Referendum auch ein wichtiges Thema für die Italiener in Würzburg?
Antonino Pecoraro: Sicher interessieren sich auch die Italiener hier dafür – allerdings beklagen sie die spärlichen Informationen. Erst vor wenigen Tagen haben alle, die bei den Konsulaten registriert sind, ein Schreiben der italienischen Regierung mit Infos und Erklärungen erhalten.
Wie sehr wird unter den Würzburger Italienern darüber diskutiert?
Pecoraro: Hier wird, im Gegensatz zu Italien, das Referendum recht gelassen gesehen. In Italien aber ist regelrecht einen Parteienkrieg entbrannt. Es geht nicht mehr um Reformen, sondern darüber, ob Ministerpräsident Renzi und seine Regierung bleiben oder nicht. Leider eine alte Gewohnheit: Personen stehen im Vordergrund und nicht nötige sachliche Veränderungen.
Gibt es auch eigene Wahllokale wie bei der Europawahl?
Pecoraro: Nein, aber zum Glück gibt es jetzt die Möglichkeit der Briefwahl. Unterlagen haben alle Staatsbürger erhalten, die bei den Konsulaten registriert sind. Man hätte sich genauso für die Wahl in Italien entscheiden können.
Wie wichtig ist denn dieses Referendum aus Ihrer persönlichen Sicht?
Pecoraro: Es ist ungeheuer wichtig, dass Italien aus der Sackgasse, in die es sich seit Jahrzehnten hineinmanövriert hat, herauskommt. Das Parlament in seiner jetzigen Form ist obsolet. 945 Parlamentarier, die größte Zahl in einem westlichen Land. Ein Zweikammersystem, das das Gesetzgebungsverfahren lähmt. Regionen, deren Funktionen immer undurchsichtiger werden – all das hat die Kosten der Politik und der öffentlichen Verwaltung ins Unermessliche steigen lassen.
Italien wird immer mehr handlungsunfähig. Das Bankensystem scheint in manchen Bereichen zu kollabieren, die Arbeitslosigkeit, besonders der Jugend, hat erschreckende Ausmaße erreicht. Perspektivlosigkeit macht sich bei den Menschen breit. Die Flucht der Jugend, insbesondere gut ausgebildete Hochschulabgänger, macht Italien noch ärmer.
Das heißt, Sie hoffen, dass die Verfassung, wie von Renzi vorgeschlagen, geändert wird?
Pecoraro: Ja, das hoffe ich. Es ist lediglich ein Anfang mit wenig Änderungen, der nur einige Einsparungen bringt. Weitere und weitrechende Reformen müssen folgen um, bei einem stabilen politischen Umfeld, die Wirtschaft wieder handlungs- und konkurrenzfähig zu machen, damit wieder Arbeitsplätze entstehen können. Das Bildungs- und Gesundheitssystem dümpelt vor sich hin und muss immer mehr Einsparungen ertragen.
Und falls nicht?
Pecoraro: Dann bleibt alles beim Alten bzw. Italien fällt noch mehr in die Rezession, als es sich heute schon befindet. Es werden sich ökonomische, finanzielle und sicherheitspolitische Abgründe auftun. Die Gefahr, dass Anti-Europäer, die bereits auf den Vormarsch sind, Italien und die EU beschädigen, wird dann Realität.