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BRÜSSEL
Matteo Renzi und sein Zitter-Referendum
Detlef Drewes
Detlef Drewes
 |  aktualisiert: 05.12.2016 03:57 Uhr

Die Nervosität vor dem Sonntag wächst. Nüchtern betrachtet sind die italienischen Bürger zwar lediglich aufgerufen, über eine Reform ihres Wahlsystems abzustimmen. Es geht um mehr Macht für die römische Zentrale von Parlament und Regierung, um weniger Gewicht für die Regionen. Premier Matteo Renzi will dem Land mehr Stabilität verordnen, nach 63 Regierungen seit dem Zweiten Weltkrieg sicherlich kein unanständiges Unterfangen.

Doch über Italien hinaus bangen Brüssel und die EU, ob das gewagte Abstimmungsabenteuer nicht statt zu mehr Sicherheit zu einem Chaos führen könnte, sollte der Sozialdemokrat Renzi den Wahlgang verlieren. Zwar hat der Ministerpräsident inzwischen seine Ankündigung, er werde seine politische Zukunft vom Ausgang des Referendums abhängig machen, relativiert. Dennoch dürften Neuwahlen unausweichlich sein und damit ein Durchmarsch der linken Populisten von der Fünf-Sterne-Bewegung des einstigen Komikers Beppe Grillo bevorstehen. Und der hat Kritik an der EU und ein Ende des Euro im Programm – ohne Rücksicht auf ein ökonomisches Erdbeben und übrigens auch die eigene Verfassung, die eine Volksabstimmung über den Euro verbietet.

Italien, so befürchtet nicht nur die EU-Kommission, sondern auch die Europäische Zentralbank (EZB), könnte eine Denkzettel-Wahl ins Haus stehen. Das Land ist überfordert – vom Massenansturm der Flüchtlinge, von den Folgekosten der Erdbeben und – wie Renzi nicht müde wird zu betonen – von den Folgen des Brüsseler Spardiktates. Als Zeichen seines Ungehorsams gegen die EU-Zentrale schimpft Renzi seit Monaten auf die „Herren Technokraten in Brüssel“, denen er einen Haushalt 2017 schickte, in dem das bisherige Defizit-Ziel von 1,8 Prozent auf 2,4 Prozent erweitert wird.

Der 41-jährige einstige Hoffnungsträger weiß, was die Italiener bedrückt: Zwischen 2005 und 2014 gab es quer durch alle Einkommensgruppen stagnierende oder fallende Einkommen. Die Schuldenlast, die auf den Staat drückt, liegt bei 133 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung. Rund 66 Milliarden Euro werden allein in diesem Jahr für Zinszahlungen fällig – bei extrem niedrigen Zinsen. Sollten die steigen, würde Italien an den Rand der Insolvenz geraten. Und sie steigen bereits im Vorfeld des Urnengangs.

In Brüssel wächst die Nervosität

Den überschuldeten Banken aber kann niemand wirklich helfen. Der EZB sind bei einem Euro-Mitglied die Hände gebunden, seit die EU die Regeln für eine Bankensanierung in Kraft gesetzt hat. Demnach sind zunächst die Gläubiger und Anteilseigner für die Kosten heranzuziehen. Die Geldinstitute in Italien gehören zu 80 Prozent den privaten Sparern. Die EZB wies in ihrem jüngsten Monatsbericht darauf hin, dass der Versuch, die Geldhäuser zu sanieren, einem politischen Selbstmordkommando gleichkommt.

So wächst in Brüssel die Nervosität vor dem Ausgang des Referendums, weil irgendwie jedes Ergebnis dramatisch wäre: Verliert Renzi die Mehrheit, drohen dramatische Verschiebungen, wenn die Linkspopulisten die Macht übernehmen können. Am Ende wäre sogar ein Italo-Exit denkbar. Gewinnt Renzi, wäre zwar die Zukunft des Landes in der Gemeinschaft sicher. Dann aber müsste der Premier noch tiefgreifendere Reformen einleiten, um Italien auch ökonomisch zu stabilisieren. Das würde mindestens genauso schwierig, schließlich liegt das Wachstum seit Jahren bei „null Komma irgendetwas“, wie Renzi selbst beschrieb.

 
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