"Eigentlich könnten die Briten jetzt auch in der EU bleiben." Jürgen Götz, der Bürgermeister von Veitshöchheim (Lkr. Würzburg), nimmt den Lauf der Dinge mit Humor. Der neue Mittelpunkt der Europäischen Union (EU), auf einem Rapsfeld im Ortsteil Gadheim gelegen, beschert der Gemeinde schon seit knapp drei Jahren Schlagzeilen. Dabei wird er jetzt erst offiziell: Nachdem das Unterhaus in London den Brexit an diesem Freitag endgültig beschlossen hat, steht der Einweihung des EU-Mittelpunkts nichts mehr im Wege. Auch wenn der Abschied des Vereinigten Königsreichs den überzeugten Europäer Jürgen Götz "im Grunde schmerzt".
Fahnen-Hissen um Mitternacht
Jetzt aber gilt es das Fest zu feiern, wie es eben fällt: Einen Pressetermin mit Fahnen-Hissen vor Ort in Gadheim plant der Bürgermeister in der Nacht von Freitag, 31. Januar, auf Samstag, 1. Februar. "Natürlich exakt um Mitternacht, egal ob es regnet oder schneit." Ein großes Bürgerfest mit allen 80 Dorfbewohnern und vielen Gästen könnte dann im Frühling steigen, bei besserem Wetter. Der nahe Markushof, das Don-Bosco-Ausbildungszentrum, soll die Bewirtung übernehmen. Und natürlich ist dann auch politische Prominenz willkommen: Ministerpräsident Markus Söder habe ihm schon länger zugesagt, zur offiziellen Einweihung des EU-Mittelpunkts nach Gadheim zu kommen, verrät Götz. "Terminvereinbarungen scheiterten bislang an Theresa May und Boris Johnson."
Söder war in seiner Eigenschaft als Finanzminister auch schon dabei, als der bisherige EU-Mittelpunkt in Westerngrund (Lkr. Aschaffenburg) eröffnet wurde. Am 1. Juli 2013, mit dem Beitritt von Kroatien, Rumänien und Bulgarien, war das geografische Zentrum der Union aus dem hessischen Gelnhausen in den Kahlgrund nach Bayern gewandert. Die 1900-Einwohner-Gemeinde errichtete auf einer Anhöhe einen Ruheplatz mit Kiesweg, Fahnen, Picknick-Bänken, Infotafeln und Gedenkstein. Extra-Souvenirs wurden entwickelt, darunter Bierkrüge mit den örtlichen Symbolfiguren "Lump" und "Zwüwwel" sowie dem eingravierten Schriftzug "Westerngrund – Mittelpunkt der EU".
Sogar Brasilianer und Chinesen, Mongolen und Australier pilgerten nach Westerngrund, um hier dem europäischen Geist nachzuspüren. Besucher aus über 40 Nationen verzeichnen die "Gipfelbücher", die Bürgermeisterin Brigitte Heim in den vergangenen sechseinhalb Jahren am EU-Mittelpunkt ausgelegt hat. Für die Menschen aus der näheren Umgebung war der Mittelpunkt ein beliebtes Ausflugsziel. "Deshalb werden wir ihn auch in Zukunft erhalten", sagt Brigitte Heim. Einzig die Ortsschilder müsse man ändern. "Dort heißt es eben künftig: Westerngrund – EU-Mittelpunkt von 2013 bis 2020."
So hält sich die Trauer über den Verlust in Westerngrund denn auch in Grenzen. "Wir haben ja gewusst, dass es irgendwann so kommt", sagt die Bürgermeisterin. Ihrem Veitshöchheimer Kollegen gönnt sie die mediale Aufmerksamkeit, die zuletzt in der Entscheidung der ARD gipfelte, ihr deutschlandweit ausgestrahltes Morgenmagazin während der Fußball-Europameisterschaft im Sommer teilweise live aus Veitshöchheim zu übertragen. Viel mehr Werbung geht nicht, weiß Jürgen Götz. Kein Wunder, wenn er ganz entspannt betont: "Wegen uns müssen die Briten nicht gehen."