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Würzburg
Ein Jahr Bonpflicht: Hält der Ärger über den Kassenzettel an?
Seit Anfang 2020 müssen Einzelhändler und Gastronomen bei jedem Verkauf einen Kassenbon ausdrucken. Dies sorgte für Unmut. Wie sehen sie die Pflicht heute?
Laura Kelly und Gregor Henneberger vom Cafè Cosmo halten nichts von der Anfang des vergangenen Jahres eingeführten Bonpflicht.
Foto: Thomas Obermeier | Laura Kelly und Gregor Henneberger vom Cafè Cosmo halten nichts von der Anfang des vergangenen Jahres eingeführten Bonpflicht.
Sophia Scheder
Sophia Scheder
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:31 Uhr

Kaum zu glauben, aber außer Corona gab es 2020 auch noch weitere Themen, die die Menschen stark bewegten. Vor allem Gastronomen ärgerten sich zum Anfang des vergangenen Jahres massiv. Grund war die Einführung der Bonpflicht: Seit 1. Januar 2020 müssen Einzelhändler und Gastronomen bei jedem Verkauf einen Kassenbon ausdrucken. Damit will die Bundesregierung Steuerbetrug durch manipulierte Ladenkassen eindämmen, denn laut Bundesrechnungshof werden geschätzt jedes Jahr zehn Milliarden Euro Steuergelder hinterzogen.

Bonpflicht ist trotzdem noch Thema

Es war kein leichtes Jahr für Gastronomen - in vielerlei Hinsicht. "Corona hat alles überschattet", sagt Bernd Ohlmann, Pressesprecher des Handelsverbands Bayern. "Trotzdem verschwand die Bonpflicht nicht ganz aus den Köpfen." 

Anfang 2020 rechnete der Handelsverband Bayern im Freistaat mit mehr als 300 000 Kilometern zusätzlicher Länge an Kassenbons im Jahr.  "Dies ist natürlich nicht eingetroffen", erklärt Ohlmann. Grund sei die Kundenfrequenz. Diese sei im Corona-Jahr um etwa 30 bis 40 Prozent zum Vorjahr gesunken. "Die Menschen gingen weniger in die Stadt, kauften weniger ein und somit wurden weniger Bons gedruckt", so der Pressesprecher.

Café Cosmo: Das Drucken der Bons ist sinnlos

"Was waren das noch für Zeiten, als man sich im Januar über solch Nichtigkeiten wie die Bonpflicht echauffiert hat. Es kommt einem vor, wie aus einem anderen Leben", erzählt Laura Kelly vom Café Cosmo in der Würzburger Peterstraße. "Aber wir bleiben dabei, dass die Bonpflicht, so wie sie Stand heute durchgeführt wird mitsamt damit verbundenen Regelungen und Vorkehrungen, suboptimal ist." Zwar verstehe sie, dass dies dem Finanzsystem zu Gute kommt und dass nur so der Sozialstaat funktionieren kann, jedoch sehe sie das Drucken der Bons als "sinnlos" an. "Jeder Schritt ist im elektronischen Kassensystem einsehbar, zurückverfolgbar und im Nachgang zu kontrollieren. Wozu noch den verdammten Bon ausdrucken?"

"Jeder Schritt ist im elektronischen Kassensystem einsehbar, zurückverfolgbar und im Nachgang zu kontrollieren. Wozu noch den verdammten Bon ausdrucken?"
Laura Kelly, Geschäftsführerin vom Café Cosmo

Laut Kelly war die Bonpflicht unbeeindruckt von Corona im Gespräch mit dem Gast stets Thema am Tisch. Viele Gäste seien verwundert darüber gewesen, dass die Bons ausgedruckt werden müssen, "da wir sonst an allen Ecken auf umweltverträgliche Lösungen achten." Die Gastronomin nennt Glasstrohhalme oder Lampen aus recyceltem Müll als Beispiele. Die Anzahl der Bons, die tatsächlich von den Gästen mitgenommen wurden, gehe gen Null, so Kelly. 

Auch in Bäckereien werden die Bons liegen gelassen

Wie der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks schreibt, wollen in Bäckereien nur weniger als drei Prozent der Kunden einen Beleg. Cornelia Thein, Inhaberin der Bäckerei Gehrold, kann dies nur bestätigen: "Die Mehrzahl der Kunden lässt den Beleg bei uns." Nur etwa fünf bis zehn Kunden am Tag nehmen den Bon mit nach Hause. Übrig bleibt ein großer Korb voller Zettel, der pro Filiale am Ende des Tages entsorgt werden muss. Zudem kritisiert Thein das enorme Müllaufkommen mit Blick auf die Umwelt. "Durch das Essen to go in der Gastro oder der Kaffee im Pappbecher wird der Umweltgedanke im Moment sowieso schon vernachlässigt", ärgert sich Thein. "Das ist wirklich sehr schade."

Wegen dieser Verschwendung und Belastung durch das umweltschädliche Thermopapier, mit dem Bons grundsätzlich gedruckt werden, hat eine Würzburger Bäckerei deshalb auf Ökobons, also Belege frei von chemischen Mitteln, umgestellt. Bereits seit 2018 setzt die Bäckerei Köhler auf die Ökobons, mittlerweile verwendet der Vollkornbäcker sie in allen vier Würzburger Filialen. Die Bonpflicht werde jedoch in der Bäckerei Köhler kaum noch thematisiert, erklärt die Vertriebsleiterin Corinna Kuhn. "Das dominierende Thema im Jahr 2020 ist Corona gewesen", sagt sie. Trotzdem könne auch sie bestätigen, dass der Großteil der Kunden den Bon in der Bäckerei liegen lässt. 

Jeder Tastendruck hinterlasse Spuren

Aktuelle Erfahrungswerte und Rückmeldungen zur Umsetzung der Bonpflicht liegen dem Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga Bayern) aufgrund der monatelangen coronabedingten Schließungen der Betriebe nicht vor. "Von Mitte März bis Mitte beziehungsweise Ende Mai waren unsere Restaurants geschlossen und Hotels nur noch für Touristen geöffnet. Jetzt leidet die Branche unter dem erneuten Lockdown", sagt Pressesprecher Frank-Ulrich John auf Anfrage dieser Redaktion. "Da rückt ein Thema wie die Bonpflicht in der Tat in den Hintergrund."

"Die verpflichtende Ausgabe von Bons für alle Betriebe ist bürokratisch, teuer und überflüssig."
Frank-Ulrich John, Pressesprecher Dehoga Bayern

Als generelle Einschätzung zu dem Thema möchte er jedoch festhalten, dass es richtig sei, im Interesse eines fairen Wettbewerbs Steuerbetrug zu bekämpfen. Jedoch: Bei den manipulationssicheren, nach dem neuen Kassengesetz aufgerüsteten Kassen hinterlasse jeder Tastendruck Spuren, die sich nicht mehr löschen lassen. "Insofern ist die verpflichtende Ausgabe von Bons für alle Betriebe bürokratisch, teuer und überflüssig." Auch John kann bestätigen, dass der Bonmüll Kunden wie Unternehmer nerve. Vor allem "in Zeiten, in denen wir alle auf Nachhaltigkeit und Abfallvermeidung achten."

 
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  • S. K.
    Sorry, wir haben inzwischen wahrlich ANDERE SORGEN!
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  • U. A.
    Wenn ich etwas kaufe ist es doch selbstverständlich, dass ich einen Bon / Kassenzettel / Rechnung / Quittung ... verlange und bekomme. Normalerweise unaufgefordert.

    Ich will schliesslich nachprüfen ob alles korrekt abgerechnet wurd. Ist ja leider häufig nicht so, komischerweise gerade in der Gastronomie.

    Es wird ja wenn es gerade in den Kram passt immer gerne auf das Ausland verwiesen. In vielen Ländern ist das schon seit Jahren üblich. Ohne Gejammer!
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  • U. A.
    Tja, es ist halt auch für einige Gastronomen ein Problem, dass die Ausfälle der Umsätze, welche auf den Monat des Vorjahres bezogen, vom Bund anteilig erstattet werden, die sog. Schwarzerträge nicht erfasst. zwinkern
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  • G. K.
    Stand 2020: oft genug bekomme ich beim Einkauf oder in den Gaststätten keinen Bon. Wenn ich dann beispielsweise in der Bäckerei nach einem Bon frage, weil ich oft auch für ältere Nachbarn etwas mitnehme, bekomme ich immer wieder mal eine nicht ganz freundliche Reaktion. Ich verstehe schon, daß der Bonmüll, gerade beim Bäcker, keine gute Idee ist und ich bin auch der Meinung, daß es sicherlich größere Steuerlöcher gibt als gerade bei den kleinen Läden (die die Steuerfahndung bei den ganz Großen zuweilen aber gar nicht verfolgen soll???) aber wenn ich nach einer Quittung frage sollte ich sie auch ohne Murren bekommen.

    In der Gastronomie finde ich es ein absolutes Muss daß der Gast eine Bon bekommt, denn nur so kann er kontrollieren, was kassiert wird - oft genug ist die Abrechnung alles andere als transparent, aber wir wollen den Kellnern mal keine Absicht unterstellen. Im Handel ist ein Bon sowieso selbstverständlich und ich kann nicht verstehen, warum Frau Kelly sich derart spreizt.
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  • H. T.
    "oft genug bekomme ich beim Einkauf oder in den Gaststätten keinen Bon"
    Das glaube ich Ihnen nicht, es widerspricht allen Erfahrungen.
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  • G. K.
    @hilde2000
    Sorry, sollte heißen: beim Einkauf beim Bäcker.
    Und da bekomme ich, ebensowenig wie in den meisten Gastro-Betrieben, von wenigen löblichen Ausnahmen mal abgesehen, keinen Bon.
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  • J. L.
    Mir ist seit dieser dämlichen Bonpflicht bei keinem einzigen Einkauf in einer Bäckerei der Bon nicht angeboten worden (in der Gastronomie war er ja eigentlich schon zuvor Standard) - allerdings möchte und brauche ich ihn nicht. Mir wäre lieber, man würde sich das sparen. Das ist unnötiger Müll und verursacht nebenbei auch unnötige Kosten. Ggf. wäre ja auch eine digitale Alternative hilfreich (für all jene die kein Vertrauen haben, unter Kontrollzwang leiden oder die beim Kopfrechnen nicht mitkommen).
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  • G. K.
    @jlattke

    Meine Oma, inzwischen 91, ist zwar noch echt fit im Kopf (und kann sogar Kopfrechnenen, Achtung, Ironie! zwinkern aber beim Eintipp-Tempo einer 18jährigen Bäckereifachverkäuferin kommt sie genausowenig mit wie ich bei Aldi an der Kasse (wo ich selbstverständlich meinen Kassenzettel bekomme). Schon deshalb ist es eigentlich selbstverständlich, daß man gerne auch nur auf Wunsch, was den Bäcker angeht, einen Bon bekommt. Ich kann Ihnen, versprochen, auf Anhieb fünf Bäckereien nennen, wo das nur auf Ansage geschieht.
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  • W. T.
    Der Bitcoin ist da viel besser um Schwarzgeld zu waschen da gibt es keinen Bon! Nicht ernst nehmen ist aber so.
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