Für Astrid G. läuft die Zeit. Trotz einer großen Öffentlichkeitskampagne und eines enormen Medienechos ist noch kein passender Stammzellspender für die 41-Jährige gefunden, die viele aus ihrer Zeit in Würzburg kennen. Wie berichtet, ist die Mutter zweier Buben an einer akuten myeloischen Leukämie (AML) erkrankt - eine besonders aggressive Form von Blutkrebs. Die Überlebensrate liegt bei weniger als 50 Prozent.
Weltweit nur drei Prozent ethnisch Gemischte unter Stammzellspendern
Chemotherapien hat sie hinter sich, die größten Heilungschancen brächte laut Ärzten - trotz aller Risiken - eine Stammzelltransplantation. Das Problem für Astrid G., die mit ihrer Familie in der Nähe von Frankfurt lebt: Sie ist Deutsch-Nigerianerin, wegen dieser ethnischen Zusammensetzung ist ein genetischer Zwilling äußerst schwer zu finden. Er müsste wie die Patientin europäisch-westafrikanischer Herkunft sein. Allerdings gibt es in den weltweiten Stammzelldatenbanken gerade einmal drei Prozent an ethnisch gemischten Spendern überhaupt. Ein Umstand, der nicht nur Astrid G. trifft.
In Würzburg hatte die Personalerin vor Jahren Soziale Arbeit studiert und nebenbei als Modeberaterin im "Maingold" gejobbt. Ihr tragischer Fall ist in den vergangenen Wochen bundesweit und international auf große Anteilnahme gestoßen.
Und er ist in der Politik angekommen: Im Bundestag machte der aus dem Senegal stammende SPD-Abgeordnete Karamba Diaby in einer Debatte zur Gesundheitsforschung auf Astrid G.'s Schicksal und die Benachteiligung von ethnisch gemischten Leukämie-Patienten aufmerksam.
Zahlreiche Medien berichteten über die lebensfrohe Frau, die nicht aus Motiven der Selbstdarstellung an die Öffentlichkeit gegangen ist: "Manchmal zweifle ich, ob mir das gut tut, aber ich habe keine andere Wahl, wenn ich das alles hier überleben möchte", schrieb sie vor kurzem auf ihrer Facebook-Seite. Aufgeben sei keine Lösung. Und der Gedanke, ihre zwei Kinder nicht aufwachsen zu sehen, "ist mir unerträglich", sagte sie schon Anfang Februar gegenüber der Redaktion.
Und so wird sie an diesem Mittwochabend ab 22.15 Uhr in "Stern TV" im Fernsehen ein weiteres Mal ihre Geschichte erzählen, damit sich möglichst viele Menschen typisieren lassen - was nicht nur Astrid G. Hoffnung gibt, sondern allen Krebspatienten, die einen passenden Stammzellspender suchen.
Rund 30 Millionen mögliche Spender sind weltweit in den Datenbanken erfasst. Nach Einschätzung des Leukämie-Spezialisten Prof. Hermann Einsele von der Uniklinik Würzburg hat in Deutschland die sogenannte kaukasische Bevölkerung (Europäer ohne Migrationshintergrund) eine 90-prozentige Chance, einen genetischen Zwilling zu finden. Deutlich schwieriger sei es für andere ethnische Gruppen. Und erst recht für ethnisch Gemischte.
Erhaltungstherapie, um Zeit zu gewinnen
Astrid G. steht in Kontakt mit Einsele für eine mögliche Behandlung in Würzburg. "Ich muss mich mit dem Gedanken anfreunden, doch auf eine Erhaltungstherapie angewiesen zu sein", schreibt die 41-Jährige. Ihre Hoffnung: Dass sich der Rückfall damit lange genug hinauszögern lässt, bis endlich ein passender Spender gefunden wird.
Sie selbst und ihre Freunde lassen nichts unversucht. Typisierungsaktionen wurden angeleiert, in Frankfurt und Berlin, und über die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) sogar in Nigeria. Selbst in England haben größere Zeitungen wie Metro und der Evening Standard berichtet.
In Deutschland griffen unter anderem das ARD-Magazin "Brisant", Hörfunksender, weitere Zeitungen und zuletzt "Stars & Stripes", die Zeitschrift der US-Streitkräfte den Fall von Astrid G. auf. Bundesweit haben sich nach den Aufrufen Stammzellspender registrieren lassen, wenngleich noch viel zu wenige. Einer von ihnen ist Kilian Ntomchukwu aus Würzburg, der seit Jahren in der Musikbetreuung beim Africa Festival mitarbeitet. Seine Mutter ist Deutsche, sein Vater stammt - ebenso wie bei Astrid G. - aus Nigeria, vom Volk der Igbo.
Typisierungsaktion auf dem Würzburger Africa Festival
Doch selbst bei identischer ethnischer Herkunft braucht es viel Glück, unter vergleichsweise wenigen Spendern den genetischen Zwilling zu finden. Deshalb soll es beim diesjährigen Africa Festival vom 30.Mai bis 2.Juni eine Typisierungsaktion für alle Besucher geben, organisiert von Gabriele Nelkenstocks Verein "Hilfe im Kampf gegen Krebs" in Zusammenarbeit mit den Festivalorganisatoren.
Und wenn trotz aller Versuche der passende Stammzellspender ausbleibt? Daran mag Astrid G. im Moment nicht denken: "Je länger es dauert, desto schwerer fällt es mir, auch negative Gedanken zur Seite zu schieben. Doch trotz allem sind mein Lebensmut und meine Lebensfreude ungebrochen." Sie hofft weiter, dass sich in Deutschland oder irgendwo auf der Welt ein genetischer Zwilling registrieren lässt und ihr das Leben rettet. Oder einem anderen todkranken Krebspatienten.
www.stammzellspenderdatei.de (DSSD), Kennwort "Astrid"
www.dkms.de
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