Der Bundesgerichtshof (BGH) könnte mit einem Würzburger Fall Weichen stellen für eine Behandlung von Straftätern, die von Dopingmitteln abhängig sind. Denn das Landgericht Würzburg, das einen süchtigen Räuber verurteilt hatte, lehnte eine Therapie zum Entzug von Anabolika ab. Bei Alkohol- und Drogenabhängigen ist eine Therapie längst Standard, bei Anabolika-Sucht in Bayern bislang aber nicht üblich. Dagegen ist Verteidiger Hanjo Schrepfer jetzt in Revision gegangen.
Bisher nicht in höchster Instanz entschieden
"Ich trete dafür ein, dass zukünftig auch steroidabhängigen Straftätern die Möglichkeit einer Maßregeltherapie gewährt wird", sagt der Würzburger Anwalt. "Bislang ist diese Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich entschieden worden."
Schrepfers Mandant, der aus dem Landkreis Main-Spessart kommt, hatte im Sommer 2018 zusammen mit einem 18-jährigen Schüler einen Getränkemarkt überfallen. Anfang August wurde der 20-Jährige zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt, sein Komplize zu dreieinhalb Jahren nach Jugendstrafrecht.
Die zwei hatten einen Mitarbeiter des Marktes mit Wodka übergossen und gedroht, ihn anzuzünden, wenn er ihnen nicht beim Öffnen der Tresore helfe. Um Spuren zu vernichten, legten sie zwei Brände. Bei dem Überfall erbeuteten die beiden jungen Männer knapp 10.000 Euro und richteten einen Schaden von 120.000 Euro an.
Anabolika zur Leistungssteigerung
Der in Würzburg angeklagte ehemalige Soldat hatte Anabolika zur Leistungssteigerung genommen. 2018 war er so abhängig von den Mitteln, dass er dafür über 2000 Euro pro Monat brauchte. Vor Gericht gab er dies als Motiv für den Überfall an.
Die fünf Richter um Michael Schaller lehnten indes den Antrag des Verteidigers auf eine versuchsweise Entzugstherapie während der Haft ab. Anders als Schrepfer sah die Kammer die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt: Die nötige Definition von „Rausch“ treffe auf Dopingmittel nicht zu.
Ermittlungen gegen Doping in 33 Ländern
Der Anwalt des Verurteilten will diese Frage jetzt in Karlsruhe beim BGH höchstinstanzlich prüfen lassen – im Interesse seines Mandanten, aber auch mit Blick darauf, wie stark das Thema Doping gerade wieder ins Blickfeld der Öffentlichkeit rückt: Der Prozess in Würzburg fand just zu dem Zeitpunkt statt, als unter der Bezeichnung „Operation Aderlass“ ein Arzt in München und zahlreiche Sportler ins Visier der Fahnder gerieten.
Die "Operation Aderlass" ist Teil von weltweiten Ermittlungen zum illegalen Handel mit Anabolika - mit einer Razzia in 33 Ländern mit 230 Festnahmen. Dabei ging nicht nur um Doping im Spitzensport, sondern auch um Freizeitsportler wie den in Würzburg Verurteilten. Laut der deutsche Hauptstelle für Suchtfragen können bei der Einnahme von Dopingmitteln verstärkte Aggressionen und Depressionen "Nebenwirkungen sein, zudem besteht die Gefahr einer Abhängigkeit."
Entführung zur Finanzierung der Sucht geplant
Wohin die psychischen Folgen führen können, zeigte der Fall des 20-Jährigen: Ermittlungen der Kripo weisen nach Informationen der Redaktion darauf hin, dass er in seiner Verzweiflung zur Finanzierung seiner Sucht sogar die Entführung eines Millionärssohnes in Erwägung zog. Vor Gericht kam der Plan nicht zur Sprache, weil er offenbar nicht über Überlegungen hinausging. Den Ermittlungen der Kripo zufolge wurde indes konkret über ein mögliches Entführungsopfer gesprochen.