
Mehrfach ist ein Schweinfurter Kunde, der von einem Würzburger Anlageberaters geprellt worden war, vor Gericht gescheitert, seine 60 000 Euro wieder zu bekommen – auch wenn der Ex-Banker 2018 wegen Betrugs verurteilt wurde und hinter Gitter kam. Doch jetzt gibt der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe dem Schweinfurter und vielen Opfern von Schneeballsystemen mit einer wegweisenden Entscheidung neue Hoffnung.
Hinweis genügt: Schneeballsystem naheliegend
Denn künftig müssen die Betroffenen nicht erst mühsam selbst Beweise vorlegen, ehe Gerichte ihnen helfen, wieder zu ihrem Geld zu kommen. "Es reicht, wenn der Geschädigte Umstände vorträgt, die das Betreiben eines Schneeballsystems als naheliegend erscheinen lassen", heißt es in einer jetzt veröffentlichten sogenannten Leitsatzentscheidung der Karlsruher Richter (Aktenzeichen III ZR 7/20). Die Karlsruher Richter betonen:„In Fällen sogenannter Schneeballsysteme ist die Absicht des Täters, Anleger zu schädigen, so greifbar, dass der Sittenverstoß unmittelbar aus dem Gegenstand der Anlage selbst abgeleitet werden kann."
Das wird nicht nur viele der 5800 Anleger freuen, die der ehemalige Würzburger Banker um Millionen gebracht hat. Das Urteil stellt grundsätzlich Weichen für Verbraucher, die Opfer eines Schneeballsystems werden. Es sind Tausende in den vergangenen Jahre, in Fällen wie European Kings Club, S & K oder GFE entstanden Schäden im dreistelligen Millionenbereich.
Wie die gängige Betrugsmasche funktioniert
Von der Betrugsmasche ist die Rede, wenn Betrüger ihren Anlegern vorspielen, sie würden mit besonders schlauen Geschäften traumhafte Gewinne machen. Dabei kommen die Zinsen der ersten Investoren vom Geld der nächsten Anleger. Das geht nur so lange gut, wie die Geschäfte wachsen wie ein Schneeball, der über ein schneebedecktes Feld gerollt wird. Weil auch die Betrüger vom Geld der Kunden gut leben, bricht das System irgendwann zusammen, wenn nicht mehr genug neue Investoren gefunden werden.
Der Würzburger Banker hatte zunächst mit Investitionen in der Schweiz und dann, als dort der Druck der Finanzaufsicht zu groß wurde, mit einer Firmengründung in Würzburg gelockt - und mit Traumzinsen für die Investition in angebliche Umwelttechnik.
Auszahlungen und aufwändiger Lebensstil mit dem Kapital neuer Kunden
Kunden kündigten dafür Bausparverträge und Lebensversicherungen in der Hoffnung auf höhere Zinsen. Doch das Geschäft mit heißem Wasser aus dem Erdinneren war heiße Luft: Der Angeklagte und seine Partner hätten mit dem Kapital neuer Kunden die Auszahlungen an früher eingestiegene Kunden bezahlt und sich nebenher einen aufwändigen Lebensstil finanziert – ein klassisches Schneeballsystem, befanden Staatsanwalt und Gericht nach fünfjährigen Nachforschungen.
Das Landgericht München I verurteilte den Anbieter und seine Komplizen Ende 2018 in einem spektakulären Prozess zu mehrjährigen Haftstrafen. Doch ein Anleger aus Schweinfurt scheiterte mit seiner Forderung nach Erstattung von mehr als 60 000 Euro aus einer Lebensversicherung vor dem Landgericht Schweinfurt und dem Oberlandesgericht (OLG) Bamberg. Er hätte die betrügerische Komponente nicht ausreichend in seiner Begründung dargelegt, hieß es da.
BGH: Finanzberater ist in der Erklärungspflicht
Das muss der Betroffene auch nicht gleich, meint nun der BGH - gerade, wenn der Verdacht eines Schneeballsystems in Raum steht. Zunächst wäre der Finanzberater in der Pflicht gewesen, ein plausibles Geschäftsmodell nachzuweisen. Sein pauschales Bestreiten, im fraglichen Zeitraum ein Schneeballsystem betrieben zu haben, genügt nach den BGH-Grundsätzen nicht.
Nun bekommt der Anleger aus Schweinfurt also eine neue Chance. Denn die Richter am BGH entschieden, dass die Richter in Bamberg den Fall neu verhandeln müssen.