Zeitzeugen gibt es leider keine mehr vom Startschuss einer mobilen Revolution in Würzburg, die noch heute jährlich knapp 20 Millionen Menschen bewegt – im wahrsten Sinn: Vor 125 Jahren, am 30. April 1892, nahm die Würzburger Straßenbahn ihren Betrieb auf: Ein Fortbewegungsmittel, das einige Krisen zu überstehen hatte, aber noch heute und nicht zuletzt wegen seiner Umweltfreundlichkeit äußerst zeitgemäß und zukunftsträchtig ist.
WSB-Betriebsleiter Paul Lehmann nennt es jedenfalls „einen Glücksfall“, dass die Straßenbahn überlebt hat, nachdem sie Mitte der Sechziger Jahre aufs Abstellgleis geschoben werden sollte. Die Straßenbahn gilt als wichtiges Standbein der mobilen Gegenwart und Zukunft, in das die Würzburger Versorgungs- und Verkehrs GmbH (WVV) mit ihrer Tochter Würzburger Straßenbahn GmbH (WSB) millionenschwer investieren wird.
Ein tierischer Antrieb
Wie alles begann: Würzburg hatte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen enormen Bevölkerungsanstieg, wuchs von 33 656 Einwohnern 1867 auf 84 500 im Jahr 1910 – und damit auch in der Fläche, die Entfernungen wurden größer. Nachdem sich nur nur Begüterte das Fahren mit einer Pferdedroschke leisten konnten, wurde der Ruf nach einem öffentlichen Verkehrsmittel laut – das Startsignal für die Straßenbahn.
Erinnerungen des Straba-Chefs: Ein Lama in der Linie 5
Die ersten Bahnen hatten noch einen tierischen Antrieb: Die 14 teils offenen Wagen mit jeweils zwölf Sitzplätzen wurden von Pferden gezogen. Die Höchstgeschwindigkeit betrug zwar nur zwölf Stundenkilometer, die Pferdebahn verkehrte tagsüber aber im Sechseinhalb-Minuten-Takt. Die erste Strecke führte von der Sanderau über die Domstraße zum Hauptbahnhof, dem damaligen Centralbahnhof. Das waren 2,2 Kilometer Gleislänge.
Die Elektrische kommt
Die neue Bahn nahmen die Würzburger so gut an, dass ein Jahr später eine zweite Strecke vom Dom zum Friedhof eröffnet wurde. Doch der Betrieb mit den Pferden war umständlich und teuer, die Bahn langsam. So rollte, wie in anderen Städten, ab 1900 „die Elektrische“ mit 36 Triebwagen durch die Stadt, was etliche Fahrgäste anfangs überfordert haben soll: Nachdem die Pferde fehlten, wussten viele nicht, was vorn und hinten ist und stiegen auf den noch eingleisigen Strecken in Wagen mit der falschen Fahrtrichtung ein.
Straßenbahn: Daten und Fakten
Das Streckennetz wuchs, unter anderem ging es von der Zellerau bis nach Oberzell, in der anderen Richtung über die Luitpoldbrücke, die heutige Friedensbrücke, bis zur Ecke Schönbornstraße, von der Sanderau weiter bis ins Steinbachtal, und Grombühl bekam seinen Straba-Anschluss.
Vier Jahre Fahrpause
Doch die wirtschaftlichen Folgen des ersten Weltkrieges setzten auch der Straßenbahn zu: 1920 stellte der private Betreiber Würzburger Straßenbahn AG den Betrieb ein. Vier Jahre später gab es einen Neubeginn mit Gründung der „Neuen Würzburger Straßenbahn GmbH“, an der die Stadt Würzburg mit 60 Prozent beteiligt war. Es folgten neue Linien nach Grombühl, zum Zellerauer Bürgerbräu, ins eingemeindete Heidingsfeld.
Der nächste Fahrstopp kam am 16. März 1945 mit der Bombardierung Würzburgs, die auch die Straßenbahnanlagen in Schutt und Asche legte. Doch umgehend machte man sich ans Reparieren und musste wegen chronischen Ersatzteilmangels viel improvisieren. Nachdem 1949 die Löwenbrücke wieder befahrbar war, stand das komplette Netz zur Verfügung, gefahren wurde in den Fünfziger Jahren vor allem mit gebraucht gekauften Fahrzeugen auf veralteten Schienen. An allen Ecken und Ende fehlte Geld.
Daran scheiterte auch die geplante Erweiterung des Schienennetzes ins Frauenland. Anfang der Sechziger Jahre geriet die Straba richtig in die Kritik. Der zunehmende Individualverkehr verstopfte die Straßen, die Schuld schob man der Straßenbahn zu, 1965 stand sie vor dem Aus. Die Rettung kam, als der Stadtkonzern WVV die Straßenbahn übernahm. Es wurden neue Züge angeschafft, Gleise erneuert und erstmals Fahrscheinautomaten aufgestellt. Die Überlegungen, das Schienennetz großflächig zu erweitern, unter anderem nach Lengfeld, Versbach und Zell, wurden dagegen nicht verwirklicht.
Hoch zum Heuchelhof
Stattdessen reifte lange Zeit der Plan für eine Straßenbahn zum Heuchelhof, die dann ab 1989 den steilen Berg hoch rollte. Als Meilenstein gilt die Anschaffung von 20 Niederflurwagen, die einen bequemen Einstieg ermöglichen, für rund 40 Millionen Euro Mitte der Neunziger. Kurz danach erfolgte der Anschluss nach Rottenbauer. Dank umfangreicher Investitionen auch in die Trassen – wo möglich, bekam die Straba abseits der Straße ein eigenes Gleisbett – etablierte sie sich als moderne Stadtbahn.
Das neue Jahrtausend begann allerdings mit einer Streckenverkürzung, die Straba fuhr nicht mehr durch den Innerort von Heidingsfeld. Dadurch gab's weniger Verkehrschaos und eine schnellere Taktung zum Heuchelhof. Dynamische Fahrgastinformationstafeln verbessern seit 2008 den Service an den Haltestellen. Vier Jahre später mussten nach einem überraschenden Mastbruch in der Zellerau über 100 der insgesamt über 1000 Oberleitungsmasten aus Sicherheitsgründen ausgetauscht werden.
Zukunftsprojekt Linie 6
Ein weiterer Meilenstein ist die Verlängerungen der Linien 1 und 5 in Grombühl um 1,3 Kilometer zur Erschließung der Universitätskliniken. Nach jahrelanger Planung und Verzögerungen soll im Herbst 2017 endlich mit dem Bau begonnen werden. Von den 28 Millionen Euro Gesamtkosten trägt die WVV 11,3 Millionen Euro, den Rest der Freistaat.
Gegen Jahresende könnte dann auch Baurecht für die Linie 6 ans Hubland gelten. Die Planfestellung für das Millionenprojekt ist bei der Regierung von Unterfranken auf der Zielgeraden. Ob die 5,4 Kilometer lange Trasse dann tatsächlich gebaut wird, ist eine Entscheidung der Kommunalpolitik. Oberbürgermeister Christian Schuchardt steht zwar hinter der Linie 6, hat sie aber unter einen Finanzierungsvorbehalt gestellt (über den Stand der Planung berichten wir in Kürze ausführlich).
Quellen: WVV, Naumann („Würzburger Straßenbahn“), Inoffizielle Website WÜ-Straßenbahn