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WÜRZBURG/GRAFENRHEINFELD
Bequemlichkeit der Kunden macht Bäckereien zu schaffen
Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:46 Uhr

Nach 42 Jahren muss eine Bäckerei in Grafenrheinfeld (Lkr. Schweinfurt) schließen. Weil der Besitzer mit den Preisen der Großbäckereien nicht mehr mithalten kann. Bundesweit ist das kein Einzelfall: Die Zahl der kleinen Handwerksbäckereien schrumpft rapide. Allein im vergangenen Jahr sank sie um gut drei Prozent. Und auch in Unterfranken gehen die Betriebszahlen seit Jahren zurück, wie die Handwerkskammer bestätigt. 2017 waren in der Region insgesamt 304 Bäckereibetriebe eingetragen, zehn Jahre zuvor waren es noch 439. Woran das liegt und ob es Hoffnung für sein Handwerk gibt, erklärt Wolfgang Rhein, Obermeister der Bäcker-Innung Mainfranken (einer der insgesamt sechs Bäcker-Innungen in der Region) und Vorstandsmitglied des Landes-Innungsverbandes für das bayerische Bäckerhandwerk.

Die Konkurrenz durch Großbäckereien oder der fehlende Nachwuchs – was macht Bäckern in Unterfranken mehr zu schaffen?

Es ist beides. Die Konkurrenz der Märkte merken Bäcker ganz klar. Manchmal ist auch kein Nachfolger da oder die Nachfolger wollen es nicht machen. Das Hauptsterben der Bäckereien hat aber tatsächlich mit den vielen Großmärkten begonnen, denn Kunden sind bequem. Sie kaufen dort, wo sie gerade sind. Bei Aldi etwa bekommt man von Ananas bis Zahnpasta alles, da wird nicht lange überlegt. Hinzu kommt, dass die Leute gerne abends nach der Arbeit noch einkaufen und dann fahren sie eben schnell in den Großmarkt, weil der meistens länger geöffnet ist.

Wie ließe sich die Situation der Bäckereien in der Region verbessern?

Steuern können das eigentlich die Kunden. Ein Beispiel war der Pferdefleischskandal, bei dem in Produkten wie billiger Lasagne Sachen drin waren, die da nichts zu suchen hatten. Dabei muss sich doch jeder überlegen, dass bei so billigen Angeboten irgendwo gespart werden muss – und das ist eben an der Qualität. Manchen Leuten ist das egal, aber genau das ließe sich ändern.

Warum will keiner mehr Bäcker werden?

Überall im Handwerk werden Leute gesucht. Der Hauptgrund ist: Die Leute wollen geregelte Arbeitszeiten, acht Stunden, am besten um acht Uhr anfangen und mittags fertig sein und natürlich möglichst am Samstag frei haben. Außerdem unterstützen viele Eltern, dass ihre Kinder studieren und damit sind diese natürlich aus dem Handwerk draußen. Für mich gilt aber: Ein Beruf muss vor allem ein bisschen Spaß machen.

Macht Ihnen ihr Beruf noch Spaß?

Ja und ich bin jetzt seit 40 Jahren Bäcker.

Backen Sie heute anders als vor vier Jahrzehnten?

Ja, vielseitiger, weil sich die Wertigkeit von Brot und die Verzehrgewohnheiten geändert haben. Früher wurde Brot gebraucht, weil die Leute Hunger hatten. Heute wird viel unterwegs gegessen, mal an einem Stand, mal bei einem Bäcker, mal nimmt man schnell eine Pizzastange mit, mal ein Leberkäsbrötchen. So ein bisschen Erlebniseinkauf ist da wichtig, dass es dies und das gibt. Außerdem wollen immer mehr Kunden wissen, was drin ist. Und was bei uns sehr zugenommen hat, sind Gebäcke mit Dinkel.

Würden Sie Ihren Beruf heute noch empfehlen?

Ja. Wichtig ist, dass man sich erst in Praktika anschaut, wie es abläuft und was gemacht wird. Denn Handwerk ist immer ein bisschen kreativ und man muss wissen, ob man das machen will. Wenn man aber kreativ ist und daran Spaß hat, ist das ein schöner Beruf.

Bäckereien in Unterfranken

Bundesweit schrumpft die Zahl der kleinen Handwerksbäckereien rapide. Im vergangenen Jahr sank sie auf 11 347, das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang von gut drei Prozent. Gleichzeitig stiegen 2017 die Umsätze der Bäcker in Deutschland um 1,3 Prozent auf 14,5 Milliarden Euro. Den Löwenanteil davon – gut zwei Drittel – erwirtschaften Großbäckereien und Brotfabriken. In Unterfranken waren 2017 nach Angaben der Handwerkskammer insgesamt 304 Bäckereibetriebe eingetragen. Zehn Jahre zuvor gab es in der Region noch 439 Bäckereien. Dieser Rückgang sei von verschiedenen Faktoren geprägt, heißt es von der Handwerkskammer. Zum einen hätten viele Supermärkte mittlerweile Backwaren im Sortiment, meist industriell herstellte Teiglinge, die vor Ort aufgebacken und günstiger angeboten werden könnten als solche in Backstuben. Zudem entschieden sich immer weniger junge Menschen für eine Ausbildung zum Bäcker. In der Folge müssten Betriebe aufgegeben, weil geeignete Nachfolger fehlten. Um gegen diese Entwicklung anzugehen, setzen laut Handwerkskammer viele Bäckerei-Betriebe in Unterfranken bewusst auf Qualität und Regionalität. (SP/dpa)
 
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  • waldemar.01
    Auch Großbäckereien können Qualität. Eine bekannte Kette verkauft zwei Qualitätsstufen: Ein Laib Brot für "nur noch ... " und zur Alternative den Laib Brot für "richtige Löhne, sehr gute Rohstoffe, durchgebacken und mit dem Euro-V-Auto angeliefert". Man schmeckt´s!
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  • renitenti
    Das ist ein Verlust an Lebensqualität, der von den meisten Verbrauchern, die diese Billigbrötchen aus den eingefrorenen Teiglingen kaufen, gar nicht realisiert wird. Aber in letzter Konsequenz wird es so sein, dass es nur noch Massenfraß gibt. Die paar Cent, die ein anständig gebackenes Brötchen mehr kostet, wiegen die Krankheitskosten, die entstehen werden locker auf, von der Lebensfreude durch den Geruch, Geschmack und das Mundgefühl ganz zu schweigen. Man bedenke, Brot ist ein Grundnahrungsmittel und nicht so leicht (mit vernünftigem Aufwand und Kosten) von jedem herzustellen.
    Leider ist es mir ähnlich ergangen, weil mein Bäcker mit 69 Jahren aus Alters- und Nachfolgegründen aufgehört hat. Die Bäckerei bestand seit 150 Jahren! und jedes gekaufte Stück war lecker!!!
    P.S. Mein Bäcker hat 1 Stunde vor Schließung die Brötchen und Teilchen für die Hälfte verkauft und das Brot gab es 30 % billiger. Da wurde nichts weggeworfen,was bei der vorhandenen Qualität auch daheim nicht vorkam.
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