
Mit seiner Familie trauert die Gemeinde Estenfeld (Lkr. Würzburg) um einen ihrer bekanntesten Mitbürger: Mit 90 Jahren ist ihr früherer stellvertretender Bürgermeister Gerd Schweidler gestorben.
Die Suche nach dem entführten Hans-Martin Schleyer prägte sein Berufsleben
Auch bei der Würzburger Polizei erinnert man sich – 30 Jahre nach seiner Pensionierung – noch an den engagierten Kripo-Mann: Gerd Schweidler war Zeitzeuge der 70-er Jahre, die von der Suche nach den Terroristen der Baader-Meinhof-Gruppe geprägt waren.
Schweidler gründete aber auch in seiner Heimatgemeinde 1960 den Ortsverband der UWG, war im Gemeinderat und stellvertretender Bürgermeister. Er "hatte immer ein offenes Ohr und oft einen guten Rat,“ erinnerte sich später einer seiner Mitbürger.
Zur Sonderkommission abgeordnet
Doch vor allem seine Tätigkeit als Schleyer-Fahnder im Sinn des Wortes prägte ungewollt sein Leben. Dies machte ihn zeitweise zu einem der bekanntesten Gesichter der Polizei in Unterfranken. Dabei war dies eigentlich gar nicht sein Beritt, wie er viele Jahre später erzählen durfte: Der Kripo-Mann war seit 1968 in Würzburg in der Bekämpfung der Eigentumskriminalität zuhause.
Doch 1977 wurde der Unterfranke mit vier Kollegen zur Sonderkommission nach Köln abgeordnet. Noch 30 Jahre später erinnerte er sich, wie sie tagelang einen silbernen Mercedes in einer Tiefgarage observierten, aber nicht zugreifen durften. Später fand sich darin ein Manschettenknopf des Entführten.
Der Polizist aus Unterfranken konnte als Zeitzeuge plastisch aus Sicht eines Insiders schildern, was in jenen Wochen im Sicherheitsapparat los war, nach der Geiselbefreiung in Mogadischu und dem Selbstmord der RAF-Anführer in Stuttgart Stammheim.
Er beleuchtete aber auch mit viel Humor die ungewohnt skurrilen Momente dieser Abordnung. Bei einer Heimfahrt aus Köln am Wochenende wollte er in einer Raststätte gerade bezahlen. Da hatte er plötzlich die Pistole eines Kollegen im Kreuz. Im Nebenzimmer saß der prominente CDU-Politiker Alfred Dregger. Dessen Personenschützer hatten bemerkt, dass da einer mit Waffe unter der Jacke stand – und hielten ihn für einen Terroristen. Rasch klärte sich der Irrtum auf.
Als Gewerkschafter für seine Kripo-Kollegen engagiert
Schweidler ging 1993 in Ruhestand, engagierte sich aber weiter als Gewerkschafter für seine Kolleginnen und Kollegen bei der Polizei. Zeitweise war Schweidler stellvertretender bayerischer Landesvorsitzender des Bundes deutscher Kriminalbeamter. Auch später als einfaches Mitglied waren seine Wortmeldungen an Gewerkschaftstagen bei Funktionären gefürchtet. "Ich bin nicht zum Lobhudeln da, sondern zum Erinnern daran, dass die Interessen der kleinen Beamten nicht zu kurz kommen," sagte er dem Autor einmal zu seinem Selbstverständnis.
Gerd Schweidler starb mit 90 Jahren am 27. Dezember. Seine Beerdigung findet am 5. Januar in Estenfeld statt.
Der Verstorbene war mit dem Autor gut bekannt, aber nicht verwandt