
Während ein Teil der Kinder versucht, mit der Spielzeugangel kleine Plastikfische zu angeln, stehen andere vor dem großen Aquarium und lauschen gespannt den Worten von Fischereifachberater Tobias Epple. Über 100 Kinder aus Randersacker sind heute im Teichwirtschaftlichen Beispielbetrieb des Bezirks Unterfranken zu Gast, um mehr über den Main und seine Bewohner zu erfahren. Eingeladen dazu hat die Fischerzunft in Randersacker.
"Die Kinder, die am Main aufwachsen, sollen auch die Fische kennen", sagt Hubert Holl, der Vorsitzende der Zunft, die sich seit vielen Jahren schon um die Bildungsarbeit rund um die Fischerei bemüht. Dieses Ziel teilt er mit der Fischereifachberatung des Bezirks. "Unter Wasser sieht man nicht, was passiert", sagt der promovierte Fischbiologe Tobias Epple. "Aber die Menschen können nur schützen, was sie auch kennen. Unser Auftrag ist, ihnen diese unbekannte Unterwasserwelt näherzubringen, und das fängt am besten im Kindesalter an."
Fischarten wie Nase, Döbel, Dickkopf oder Schneider
Mit Ausnahmen der Karpfen wachsen in den Aufzuchtbecken und Teichen viele Fischarten heran, die kaum jemand kennt: Nase, Schneider, Döbel, Dickkopf, Elritze oder Rutte. Die meisten von ihnen sind klein und tauchen, von den Meeflischli einmal abgesehen, nicht auf der Speisekarte auf. Im komplexen Ökosystem Fluss hat dennoch jede Art ihren Platz und ihre spezifische Aufgabe. "Es sind Fische, die für die Angelfischerei nicht interessant sind, aber sie sind wichtig, um die Kreisläufe intakt zu halten", sagt Epple.
Er macht dies am Beispiel der kleinen Weißfische deutlich. Sie bilden die Nahrungsgrundlage für die großen Raubfische wie Wels, Hecht oder Zander und ernähren sich ihrerseits von Kleinstlebenwesen wie dem Wasserfloh oder der Fliegenlarve. Dieses sogenannte Zooplankton wiederum hält den Algenwuchs in Schach, der im Übermaß dazu führen kann, dass ein Gewässer umkippt. "Wenn Raubfische fehlen, wirkt sich das bis ans andere Ende der Nahrungskette aus", erklärt Tobias Epple, "deshalb ist es wichtig, dass auch diese unscheinbaren Arten vorhanden sind."
Deshalb züchtet der Teichbetrieb des Bezirks vor allem diese wirtschaftlich unbedeutenden Fische heran, um sie später im Main auszusetzen. "Die natürliche Reproduktion reicht nicht mehr aus, um den Fischbestand zu erhalten, deshalb greifen wir der Natur unter die Arme." Doch es steht nicht zum Besten mit der Tierwelt im Main. "60 bis 70 Prozent der einheimischen Fischarten stehen auf der Roten Liste der bedrohten Arten", so Epple.

Gründe dafür gibt es viele: Die Staustufen, die den Zug der Wanderfische zu ihren Laichplätzen behindern, die Großschifffahrt, die mit ihrem Sog dafür sorgt, dass Laich vernichtet wird und Laichplätze verschwinden. In jüngerer Zeit komme die Klimaerwärmung hinzu, sagt der Fischbiologe, die dazu führt, dass sich kälteliebende Arten in die Oberläufe der Flüsse flüchten und dort anderen Fischen den Lebensraum streitig machen.
Durch Zuwanderer hat sich ein neues Gleichgewicht entwickelt
Aber es gibt auch Hoffnung. Zugewanderte Arten wie der Wels, der früher nur im Donauraum anzutreffen war und drohte, die heimischen Arten zu verdrängen, habe sich mittlerweile im Ökosystem Main etabliert, sagt Epple. Und selbst die Schwarzmeergrundel, die sich extrem im Main verbreitet hat und von der man vor kurzem noch befürchtete, sie würde einen Großteil des Fischlaichs vertilgen, hat ihren Schrecken verloren. "Die Grundel ist inzwischen der häufigste Beutefisch für die großen Raubfische", so Epple. Dass sich die Barschpopulation in den letzten Jahren wieder etwas erholen konnte, wird auch den Grundeln zugeschrieben. "Da hat sich ein neues Gleichgewicht herausgebildet", sagt der Wissenschaftler.
Für die Kinder aus Randersacker sind diese komplexen Zusammenhänge noch zu kompliziert. "Aber sie sollen wissen, dass der Main nicht nur ein Freizeitangebot ist, sondern auch ein Lebensraum", sagt Zunftmeister Hubert Holl.