
Fischereifachleute und Gewässerbiologen sind nach wie vor zufrieden mit dem Umgehungsgerinne an der Staustufe Randersacker. Der künstliche Bach ist zu einem beliebten Lebensraum für Fische und andere Flussbewohner geworden und leistet so einen wichtigen Beitrag zur biologischen Vielfalt des Gewässern, sagt Michael Kolahsa von der Fischereifachberatung des Bezirks Unterfranken. Das unterstreicht auch das Ergebnis der jüngsten Probebefischung. Auch die baulichen Verbesserungen, die das Wasserwirtschaftsamt im vergangenen Jahr vorgenommen hat, scheinen sich zu bewähren.
Mit elektrischen Fanggeräten gehen die Mitarbeiter der Fachberatung dem Leben im Umgehungsbach auf den Grund. Elektrischer Gleichstrom mit bis zu 300 Volt macht die Fische für kurze Zeit bewegungsunfähig und erlaubt so eine genaue Zählung. Anschließend erholen sich die Tier schnell wieder von der Schockstarre.
18 verschiedene Fischarten gingen den Fischern dabei ins Netz. Darunter typische Wanderfisch-Arten wie Barbe und Nase, sowohl in stattlicher Größe und als auch im Jugendstadium. Sogar mehrere der selten gewordenen Rutten oder Aalquappen – die einzige Dorsch-Art, die im Südwasser zu Hause ist – fanden sich in den Keschern.
Den Wanderfischen galt beim Bau des Umgehungsgerinnes vor zehn Jahren besonderes Interesse. Durch die Stauwehre ist ihr natürlicher Bewegungsdrang gehindert. Fischtreppen, wie sie an den Staustufen eingebaut sind, schaffen aus Sicht der Fachleute keine ausreichende Durchlässigkeit.
Bestände erholt
Der Vorsitzende der Fischerzunft Randersacker, Hubert Holl, freut es besonders, dass wieder junge Barben im Umgehungsbach zu finden sind. In den 70er Jahren ist die Art nach einem großen Fischsterben fast vollständig aus dem südlichen Maindreieck verschwunden. Weil es kaum noch Kiesbänke gab – die bevorzugten Laichgründe der Barben – konnten sich die Bestände nicht mehr erholen. Erst im Zuge des Mainausbaus waren Kiesbänke neu aufgeschüttet worden, auf denen sich die Barben heute offensichtlich wieder vermehren können.
Der rund 1300 Meter lange Umgehungsbach war als Pilotprojekt entstanden und sollte Erkenntnisse liefern, wie sich auch an anderen Staustufen des Mains die biologische Durchlässigkeit wieder herstellen lässt. Unterstützt werden die Bemühungen durch die Wasserrahmenrichtlinie der EU, die für alle Fließgewässer einen guten ökologischen Zustand anstrebt.
Doch die Durchlässigkeit des Mains steht im Widerspruch zu den Interessen der Kraftwerksbetreiber in den Staustufen, deren Stromausbeute durch das abfließende Wasser gemindert wird. In Randersacker wurde die Wassermenge, pro Minute durch den Umgehungsbach fließen darf, deshalb auf 1000 Liter pro Sekunde begrenzt. Im Sommer entspricht das ungefähr einem Prozent der gesamten Fließmenge des Mains.
Tatsächlich wurde diese Wassermenge über Jahre hinweg nicht erreicht. Der Einlauf erwies sich als unzureichend, außerdem behinderten eingeschwemmte Sedimente den Durchfluss. Im vergangenen Jahr war deshalb nachgebessert worden. Der Einlauf wurde vergrößert, an der Mündung in den Main unterhalb der Staustufe wurden Schwellen aus Muschelkalk-Quadern eingebaut, um den Querschnitt einzuengen und so die Fließgeschwindigkeit zu erhöhen. Dadurch sollte die Lockströmung vergrößert werden, an der sich die Fische orientieren, um den Eingang zum Umgehungsgerinne zu finden.
Befriedigendes Ergebnis
Joachim Pfeifer vom Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg hat die Maßnahme betreut und ist zufrieden mit dem Ergebnis. Der Durchfluss sei deutlich angestiegen und auch die Lockströmung reicht aus, um den Fischen den Weg in den Umgehungsbach zu weisen. Allerdings erobert sich die Natur ihren Platz schnell wieder zurück. Das Bach bedarf regelmäßiger Pflege, wenn Schilf und anderer Uferbewuchs nicht überhand nehmen sollen, sagt Pfeifer.
Auch aus Sicht von Michael Kolahsa scheinen die Veränderungen zu fruchten. Das zeige die Vielfalt und auch die Größe der gefangenen Fische. Sogar einen stattlicher Hecht haben die Mitarbeiter des Bezirks bei der Probebefischung gefangen. ein Zeichen, dass der Raubfisch den Bach als lohnendes Jagdgebiet für sich entdeckt hat.
Aber auch Kolahsa betont: „Das Gewässer ist kein Selbstläufer, man muss es regelmäßig pflegen“. Ohne regelmäßigen Rückschnitt würden Schilf und Rohrkolben den Bach über kurz oder lang überwuchern.
Fischer Hubert Holl schätzt das Umgehungsgerinne auch als Anschauungsobjekt, um die Bevölkerung für die Fischfauna und die Interessen der Fischerei zu sensibilisieren. Das Wasserwirtschaftsamt hat dazu ein „grünes Klassenzimmer“ eingerichtet, das Schulklassen kostenlos für den Biologieunterricht nutzen können. Spezielle Unterrichtsmaterialien können dazu im Rathaus von Randersacker ausgeliehen werden.
Zur Probebefischung in den Sommerferien laden die Fischer außerdem im Rahmen des Ferienprogramms Kinder dazu ein, die Fische des Mains aus nächster Nähe kennenzulernen. Am Eingang des künstlichen Bachs hat die Fischerzunft zusätzlich eine große Informationstafel aufstellen lassen, finanziell unterstützt von der Fischereifachberatung des Bezirks. Spaziergängern wird dort die Geschichte der Fischerei und der ökologische Wert des Umgehungsgerinnes anschaulich vor Augen geführt.