zurück
WÜRZBURG
Bayerns Familiengeld: Für Reiche sicher, für Arme unsicher
Söder überreicht Bewilligungsbescheide für Familiengeld       -  Umgeben von bunten Legosteinen und Kleinkindern überreicht Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, CSU, an ausgewählte Eltern im Deutschen Museum in München am Donnerstag Bewilligungsbescheide fürs neue Familiengeld. Ob diese Leistung bei Hartz-IV-Beziehern verrechnet werden muss, ist derzeit noch strittig.
Foto: Matthias Balk, dpa | Umgeben von bunten Legosteinen und Kleinkindern überreicht Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, CSU, an ausgewählte Eltern im Deutschen Museum in München am Donnerstag Bewilligungsbescheide fürs neue Familiengeld.
Gisela Rauch
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:59 Uhr

Betreuungsgeld und Landeserziehungsgeld gehören ab Samstag der Vergangenheit an. Vom 1. September an wird nämlich – und zwar nur in Bayern – Familiengeld gezahlt. Pro Monat bekommen Eltern von ein- und zweijährigen Kindern 250 Euro. Allein in Unterfranken haben rund 21 000 Familien darauf Anspruch. Schon am Donnerstag hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ausgewählten Eltern aus allen bayerischen Regierungsbezirken die ersten Familiengeldbescheide überreicht – darunter der Familie Michler aus Erlabrunn im Landkreis Würzburg. Überlagert wird die Einführung des Familiengelds von der bundesweit heiß diskutierten Frage, ob auch Hartz-IV-Bezieher in den Genuss der neuen Leistung kommen dürfen.

Rechtslage ungeklärt

Die bayerische Staatsregierung vertritt die Auffassung, dass die neue Leistung allen Eltern mit Kindern im fraglichen Alter zusteht. „Hartz IV-Beziehern steht sie auch zu – und zwar im vollen Umfang“, betonen Söder und seine CSU-Sozialministerin Kerstin Schreyer. Das sieht das zuständige, von SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil geführte Bundesministerium ganz anders. Es argumentiert, dass Familiengeld als Einkommen gemäß Paragraph 11 SGB II bei den Leistungsbeziehern angerechnet werden müsse. Die Weisung des bayerischen Arbeitsministeriums an die kommunalen Jobcenter, Familiengeld auch an Hartz-IV-Familien auszuzahlen, sei rechtswidrig. Laut „Süddeutscher Zeitung“ hat das Bundesministerium gerade vom bayerischen Arbeitsministerium verlangt, diese Weisung zurückzunehmen.

Bayerns Sozialministerin: Klagt doch!

Bayerns CSU-Sozialministerin Kerstin Schreyer beruft sich aber auf bisher schon gültige, im Sozialrecht verankerte Ausnahmeregelungen, die erlauben, dass Leistungen nicht mit Hartz IV verrechnet werden. Tatsächlich wurde etwa das bisher in Bayern an bedürftige Familien gezahlte Landeserziehungsgeld nicht mit Hartz IV verrechnet. In einem Facebook-Post gibt sich die Ministerin kämpferisch. „Sollen sie doch klagen“, erklärt sie an die Adresse der Bundesregierung gerichtet.

Hat Schreyer sich mit Bund abgesprochen?

Dass der Streit ums Familiengeld vor Gericht endet, hält die Grünen-Sozialpolitikerin Kerstin Celina für wahrscheinlich. „Da prallen zwei Rechtsmeinungen aufeinander“, sagt sie. Die Würzburger Landtagsabgeordnete hat deshalb jetzt „zur Vermeidung von Nachteilen für betroffene einkommensarme Familien angesichts der rechtlich ungeklärten Lage“ eine schriftliche Anfrage an die bayerische Staatsregierung gestellt, in der sie unter anderem wissen will, ob die bayerische Staatsregierung sich bei der „Erarbeitung des Gesetzestextes auch direkt mit dem für die Einkommensanrechnung zuständigen Bundesministerium abgesprochen“ hat. Nach Medienberichten hat Ministerin Schreyer dies wohl nicht getan. „Das bayerische Sozialministerium hatte keinen Kontakt zum Bundessozialministerium, als der Gesetzestext erarbeitet wurde“, meldet der Bayerische Rundfunk.

Werden Kommunen unterschiedlich handeln?

Kerstin Celina, die jahrelang in verantwortlicher Stellung bei der Bundesagentur für Arbeit tätig war, beschäftigt sich in ihrer Anfrage an die bayerische Staatsregierung auch mit einem weiteren Problem. Sie fragt, ob Bayerns Jobcenter je nach Trägerschaft beim Familiengeld unterschiedlich verfahren müssen – je nachdem, ob es sich um einen Jobcenter in der Trägerschaft der Staatsregierung oder um den Jobcenter einer Optionskommune handelt – so wie der Landkreis Würzburg eine Optionskommune ist. Optionskommunen sind laut Celina dem Bund gegenüber nicht direkt weisungsgebunden.

Celina zufolge wäre es durchaus denkbar, dass je nach Trägerschaft die eine Kommune von Hartz-IV-Beziehern im Zusammenhang mit Elterngeld Leistungen zurückfordert und die andere Kommune nicht. „Rein theoretisch könnte es sein, dass Würzburg-Land als Optionskommune den Bedürftigen das Geld lässt, Würzburg-Stadt aber auf Weisung der Bundesregierung Geld zurückfordern muss“, sagt Celina. Bayerns Oppositionsparteien hatten in den letzten Wochen das auf rechtlich wackeligen Füßen stehende Familiengeld als übles oder „vergiftetes“ Wahlkampfgeschenk der CSU insbesondere an Mittelschicht-Wähler bezeichnet.

Familiengeld

Anspruch auf Familiengeld hat laut dem Zentrum Bayern für Familie und Soziales, wer seine Hauptwohnung in Bayern hat, mit seinem Kind in einem Haushalt lebt und dieses Kind selbst erzieht. Familiengeld kann auch bezogen werden, wenn das Kind eine Kindertageseinrichtung besucht.

Das bayerische Familiengeld startet zum 1. September 2018. Familiengeld ist unabhängig von einem Elterngeldbezug. Parallel zum Familiengeld können also Basiselterngeld, Elterngeld-Plus und auch Partnerschaftsbonus bezogen werden.

Wer in Bayern Elterngeld beantragt und bewilligt erhalten hat, muss keinen Antrag stellen. Der Elterngeldantrag gilt zugleich auch als Antrag auf Familiengeld. Für 98 Prozent der Eltern ist damit kein weiteres Tätigwerden erforderlich.

Für alle anderen gibt es einen Antrag auf der Website des Zentrums Bayern Familie und Soziales. Die Regionalstelle Unterfranken hat ein zentrales Servicetelefon zur Einführung des Familiengelds eingerichtet. Unter Tel. (09 31) 32 09 09 29 können Eltern von Montag bis Donnerstag zwischen 8 und 16 Uhr und am Freitag von 8 bis 12 Uhr sich zum Familiengeld beraten lassen. (GRR)

Söder überreicht Bewilligungsbescheide für Familiengeld       -  Familiengeld für die vierzehn Monate alte Nela: Als eine der ersten Familien in Bayern haben am Donnerstag die Eltern Meike und Marco Michler aus Erlabrunn im unterfränkischen Landkreis Würzburg ihren Familiengeld-Bewilligungsbescheid bekommen. Die Michlers gehörten zu den ausgewählten Familien aus allen sieben bayerischen Regierungsbezirken, denen Bayerns Ministerpräsident Markus Söder kurz vorm offiziellen Start des Familiengelds bei einem Pressetermin im Deutschen Museum in München den Bescheid persönlich überreichte.
Foto: Matthias Balk, dpa | Familiengeld für die vierzehn Monate alte Nela: Als eine der ersten Familien in Bayern haben am Donnerstag die Eltern Meike und Marco Michler aus Erlabrunn im unterfränkischen Landkreis Würzburg ihren ...
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Gisela Rauch
Bayerischer Rundfunk
Bundesagentur für Arbeit
Bundesministerien
CSU
Elterngeld
Hubertus Heil
Jobcenter
Kerstin Celina
Markus Söder
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • M. S.
    Wie jetzt - bayerische STAATS-Jobcenter?!?!
    "...ob es sich um einen Jobcenter in der Trägerschaft der Staatsregierung oder um den Jobcenter einer Optionskommune handelt."
    Staatsregierung = Freistaat Bayern
    Jobcenter = entweder Optionskommune oder "gemeinsame Einrichtung" (=Kommunen und BUNDESagentur für Arbeit)
    Etwas genauer formulieren, bitte... Sonst könnte man, bevor man weiterliest, meinen, die eine Behörde des Freistaats legt sich mit der anderen an (in diesem Fall jedoch nicht).
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • K. R.
    Meine Güte, wenn die SPD einen Fettnapf findet, dann wirft sie sich rein und suhlt sich drin! Und sie macht noch eine Pressekonferenz daraus … 😉

    Mag ja sein, dass die CSU das jetzt nur aus wahltaktischen Gründen betreibt. Aber falls der SPD-Arbeitsminister gegen die CSU klagen sollte, weil sie den Hartz IV-Empfängern eine zusätzliche Leistung NICHT(!) abzieht, dann hat der Söder diesen Ball reingemacht. Und wenn er nicht klagt, geht der Punkt trotzdem an die CSU. Das muss man dem Söder jetzt mal lassen – etwas bauernschlau, aber sehr geschickt, diese Aktion im Wahlkampf. In jedem Fall steht die SPD richtig blöd da … Schachmatt!

    Und die SPD reibt sich dann wieder verwundert die Augen, wo den ihre Wähler abgeblieben sind.

    Würde sich die SPD nicht gar so blöd anstellen, man könnte fast Mitleid mit ihr bekommen. Aber sich so von der CSU die Butter vom Brot nehmen zu lassen ist ja schon beinahe nicht mehr zu toppen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. S.
    Es gibt auch etwas zwischen arm und reich, nämlich diejenigen, die gerade so viel verdienen, dass sie nach Abzug aller notwendigen Kosten weniger übrig haben als Sozialleistungsempfänger. Fuer diese Menschen, die tagtäglich ihre Leistung bringen, darf der Staat auch einmal was tun.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    Geld den armen wegzunehmen und den reichen zu geben. Das schafft auch nur die CSU.

    Natürlich ist es richtig und wichtig junge Familien zu unterstützen, aber doch bitte bevorzugt die Familien die die Unterstützung benötigen und nicht die, die eh den fetten Stadt-panzer in der Einfahrt stehen haben.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. D.
    Es ist doch immer das gleiche, egal was gemacht wird, es wird immer negativ hinterfragt. Junge Familien bekommen eine Unterstützung, genau das ist erforderlich. Hier kommt sichtbar in der Mittelschicht etwas an. Aber wie immer werden die Randbereiche in den Focus gerückt. Wenn ich diese Überschrift lese verliere ich wieder die Lust am Weiterlesen der Zeitung.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    Es war vor allem die CSU, die immer darauf bestand, dass alle Zusatz- Leistungen bei HartzIV angerechnet werden. Wenn jetzt ein durchgeknallten Ministerpräsident kurz vor der Bayernwahl meint Bundesrecht brechen zu müssen, fällt dieser scheinheilige Egomane hoffentlich auf den Bauch.
    Söder weiß, dass die wirklich Betroffenen leer ausgehen werden. Da wird mit Steuergeldern umgegangen wie in einer Bananenrepublik. CSU nicht mehr wählbar. Ein Partei ruft ihre Behörden zum Rechtsbruch auf. Das hat uns gerade noch gefehlt. Und wenn Du glaubst ergeht nicht blöder...................
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten