Corona hat nicht nur unser aller Leben massiv verändert, sondern auch unsere Sprache. Vor zwei Jahren noch hätten Leser bei Überschrift wie "Winter-Lockdown wegen Delta?“ wohl den Kopf geschüttelt. Wo heute jeder und jede sofort weiß, um was es geht, wäre man damals ratlos gewesen - weil die Welt vor zwei Jahren eine andere war. Dann kam Corona. Kam die Krise - und mit ihr neue Sprache.
Zwar unterliegt Sprache immer einem Sprachwandel, aber in einer Krise beschleunigt er sich immens. Das ist eine der Hauptthesen des Buches, das der Würzburger Germanist, Historiker und Schulleiter Dr. Martin Weinert jetzt herausgebracht hat: In "Krisensprache –Sprachkrise – Krisenkommunikation" (569 Seiten, 58 Euro) gibt er interessante Einblicke in den Wandel der Sprache in Zeiten der Pandemie.
Sprachwandel hat in der Krise ein rasantes Tempo
Krisen werfen neue Probleme auf und verlangen neue Denkansätze – samt neuer Sprache. Das zeigte sich im deutschen Sprachraum etwa bei der Ölkrise 1973 mit dem "autofreien Sonntag" oder beim Fall der innerdeutschen Mauer 1989 als von "Wende" und "Einheitsgewinner" die Rede war. In der Corona-Krise, die das Leben aller Bürgerinnen und Bürger komplett umkrempelt und alle zu neuen Begrifflichkeiten zwingt, vollzieht sich der Sprachwandel besonders schnell.
Quarantäne-Brecher mit Corona-Hund: In der Krise tauchen neue Wörter auf
Weinert zufolge gebiert die Pandemie erstens neue Wörter, zwingt zweitens Wörtern eine neue Bedeutung auf, bringt drittens Wörter aus der Fachsprache und viertens Wörter aus Fremdsprachen in den Alltag. Was neue Wörter betrifft, so hat das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim seit Corona-Beginn bereits über 1000 gesammelt: In dieser Neologismen-Liste begegnen sich etwa der Balkon-Klatscher und die Corona-Petze samt Corona-Hund. Querdenker und Quarantäne-Brecher tummeln sich nach dem Glühwein-Hopping in einem Superhotspot – und zwar ohne Spuckschutzwand.
Fachbegriffe und Anglizismen verbreiten sich schnell in der Alltagssprache
Dass bekannte Wörter im Corona-Leben eine Bedeutungsveränderung erfahren, ist etwa am Wort "Maske" ersichtlich. Und wenn auch Laien mittlerweile von "Inzidenz“ oder "Reproduktionszahl" sprechen, zeigt das, wie in der Krise Fachjargon und Expertenbegriffe in die Alltagssprache geprescht sind. Genauso wie neue Anglizismen: Nach langem Homeoffice ist man das Social Distancing leid.
Auftrag an Behörden, Politiker und Medien: Maximale Verständlichkeit
Weinert zufolge sind es insbesondere die Print- und Onlinemedien, die dazu beitragen, dass sich in der Krise neue Begriffe rasch und flächendeckend ausbreiten - und zeigt dies am Beispiel der Artikel dieser Redaktion zu Beginn der Pandemie. In der Krise sei die "verständliche Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse besonders wichtig", sagt der Germanist. Seine Aufforderung: Gerade in Krisenzeiten sollten Medienschaffende, aber auch Wissenschaftler, Politiker oder Behörden bei ihrer Arbeit um maximale Verständlichkeit ringen.
Denn wenn Sprache verständlich ist, gleich ob von Medien, Behörden oder Wissenschaftler, könne sie sogar systemstabilisierend wirken. Gerade in der Krise, so erklärt es Weinert, sollten möglichst viele Menschen ein gemeinsames Basiswissen darüber teilen. Sind die meisten Menschen über Erkenntnisse und mögliche Entwicklungen gut informiert, sei die Akzeptanz auch für unpopuläre Verordnungen zur Krisenbewältigung größer. Fühlen sich Bürgerinnen und Bürger aber schlecht informiert, kann dies laut Weinert zu "Widerstand" und "aktivem Ungehorsam" führen und in Verschwörungstheorien und einer generellen Verweigerungshaltung münden.
Das Buch: Dr. Martin Weinert, "Krisensprache – Sprachkrise – Krisenkommunikation. Sprache in Zeiten der COVID-19-Pandemie", Tectum Verlag 2021, 578 Seiten, 58 Euro,
ISBN 978-3-8288-4643-2