
Als Christina Strobel das Wort erteilt wird und das Gericht in Sydney ein großes Bild ihrer älteren Schwester zeigt – da ist es um ihre Beherrschung fast geschehen. Christina Strobel sieht das stille, aber lebendige Lächeln Simones, das inzwischen so viele Menschen kennen. Es steht in krassem Gegensatz zu dem, wie die junge Touristin aus Unterfranken im Jahr 2005 im Urlaub hier in Australien gefunden wurde: tot, nur grob mit Palmwedeln bedeckt.
Christina Strobel ist mit ihrem Bruder Alexander aus Unterfranken um die halbe Welt gereist, um für ihre getötete Schwester zu sprechen. Sie klingt wütend und verzweifelt, als ihr die Vorsitzende des australischen Gerichts das Wort erteilt. Ungehemmt nennt sie den damaligen Freund der 25-jährigen Simone einen "Feigling". Dieser Mann, der jetzt bei dieser Anhörung auch im Gerichtssaal sitzt, sei nicht bereit, die Wahrheit offenzulegen.

Vier Tage lang hatten die Geschwister Strobel von Zeugen anhören müssen, wie der Simones damaliger Freund nach ihrem Verschwinden die Lüge von einer harmonischen Beziehung immer weiter ausgebaut hatte. Und wie er damit die australische Polizei und ihre Familie in Unterfranken täuschte und Ermittlungen behinderte.
Erschütternde Worte der Schwester: "Meine Eltern wurden zu bloßen Schatten ihrer selbst"
Christina Strobels Auftritt im Zeugenstand gerät zum emotionalen Höhepunkt dieses Verfahrens. Sie beschreibt eindrucksvoll die furchtbaren Folgen der jahrelangen Ungewissheit.
Die jüngere Schwester der getöteten Touristin sagt in der Anhörung in einem leidenschaftlichen Statement: Simones Tod habe das Leben ihrer Familie für immer "auf radikalste Weise" verändert. "Meine Eltern wurden zu bloßen Schatten ihrer selbst und versanken immer tiefer in Verzweiflung."
Sie spricht über den Schmerz der Familie, die wahren Umstände von Simones Tod nicht zu erfahren. Und sie spricht über ihre Frustration, dass trotz der Untersuchungen im Jahr 2007 und jetzt so viele Fragen unbeantwortet sind. "Der Glaube, dass alles gut wird, existiert nicht mehr. Das Undenkbare, das Schlimmste, was passieren kann, kann über Nacht Wirklichkeit werden."
Vergebliche Suche nach der Wahrheit: Drohte eine Trennung?
Vor dem Flug nach Sydney zur Anhörung hatte Alexander Strobel im Gespräch mit dieser Redaktion von Lügen des Freundes berichtet. Der Familie aus Rieden (Lkr. Würzburg) sei schon 2005 von Simones Mitreisenden getäuscht worden. Von harmonischer Beziehung habe keine Rede sein können. Nicht nur Simones Tagebücher zeigten, dass die Fetzen flogen. In der Anhörung in Sydney kommt zur Sprache: Sogar von einer Trennung sei in der vierköpfigen Reisegruppe die Rede gewesen.
Führte dies, angefeuert durch den Konsum von Alkohol und Drogen, zum nächtlichen Streit am Campingplatz in Lismore und zu einer tödlichen Auseinandersetzung? Den Beweis dafür bleibt die fünftägige Anhörung schuldig, auch wenn der leitende Ermittler überzeugt ist: Simones Freund sei der Täter und die beiden anderen Mitreisenden hätten bei der Beseitigung der Leiche geholfen.

Simones Freund, der aus dem Landkreis Main-Spessart stammt, tauchte nach der Beerdigung der 25-Jährigen schnell nach Südafrika ab, als drängende Fragen nicht aufhörten. Und auch die mitreisende Schwester des Freundes habe immer die Flucht ergriffen, wenn er oder sein Vater ihr Fragen zu jener Nacht stellen wollten, erzählt Alexander Strobel. Auch jetzt nahm sie nicht an der Anhörung teil, obwohl die australischen Behörden sie dazu aufgefordert hatten.
Tricks und Tarnungen: Fragwürdige Methoden der australischen Ermittler
Vor Gericht in Sydney bringen Anwälte im Laufe der Untersuchung die Ermittler mit gezielten Fragen zu dem Bekenntnis: Es gibt Merkwürdigkeiten in diesem Fall, aber keine ernsthaften Beweise gegen Simones Freund.
Die Polizei selbst gingen offenbar bis an den Rand des Erlaubten. Mit einem scheinheiligen Angebot hatte eine verdeckte Ermittlerin unter falschem Namen mit dem Verdächtigen, der heute mit seiner Familie in Australien lebt, Kontakt aufgenommen: Sie bot ihm ein falsches Alibi an. Ihr krebskranker Bruder habe nur noch ein halbes Jahr zu leben. Er würde die Schuld auf sich nehmen, damit sie die Belohnung von einer Million australischer Dollar kassieren könne.
Der frühere Freund von Simone ging darauf nicht ein. Als Flop erwies sich nach seiner Verhaftung im Jahr 2022 auch der zweite Versuch der Ermittler: Sie setzten ihm zwei als Häftlinge getarnte Kollegen in die Zelle. Aber auch ihnen verriet der Festgenommene nichts zu dem Fall.
Zweifelhafte Zeugenaussagen der Menschen in Lismore
Am letzten Tag der Anhörung im Fall Simone Strobel behauptet schließlich ein Augenzeuge: Er habe in jener Nacht in Lismore fast einen Mann überfahren, der stracks auf Simone zugelaufen sei. Er sei sicher, dass es der aus Deutschland stammende Tourist gewesen sein, Simones Freund. Dieser hatte dagegen behauptet, er sei nach einem Streit damals im Wohnwagen geblieben, als die anderen nachts nach Simone suchten.
Der Vollständigkeit halber wurde in der Anhörung am Lidcombe Coroners Court in Sydney auch erwähnte, dass mehrere Menschen aus Lismore später behauptet hatten, sie hätten die junge Touristin aus Unterfranken getötet. Darunter sei ein Spinner gewesen, der über Hexerei fantasierte und nicht als glaubwürdig gelte.
Es sei möglich, dass der Täter aus der Gegend von Lismore stammte, hieß es bei der Untersuchung. Ein Anwalt meinte: "Es besteht kein Zweifel, dass in der Nacht von Simones Verschwinden Männer mit schwerer krimineller Vergangenheit in der Nähe herumlungerten."
Anhörung beendet - die Entscheidung der Vorsitzenden steht aus
Die Vorsitzende der Anhörung, die zuständige Untersuchungsbeamtin Teresa O'Sullivan, will jetzt alle vorgelegten Beweise prüfen und dann über das weitere Vorgehen entscheiden.
Simones Geschwister sind indes auf dem Heimflug nach Unterfranken. Erschöpft, enttäuscht, aber - wie Alexander Strobel in einem kurzen Telefonat vor dem Abflug sagt - "in dem Bewusstsein, für unsere Schwester eingestanden zu sein".
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