Das Internet ist voll mit Selbsttests. Welcher Hundetyp bist du? Welcher Berühmtheit aus der Geschichte ähnelst du? Welche Farbe hat dein Musikgeschmack? Zumindest diese letzte Frage beantwortete am Mittwoch das Mozartfest den Besuchern des "Dating-Konzerts" in der Würzburger Residenz. Das Orchester im Treppenhaus, ein Hannoveraner Ensemble, das sich auf neuartige Konzerterlebnisse spezialisiert hat, spielte zwei Blocks: einen für alle im Kaisersaal und einen zweiten verteilt auf weitere Räume des Palasts.
Das Publikum tippte aufs Display, wenn ihm eine Passage gefiel
Wer nach der Pause welchen dieser Räume aufsuchte, entschied die Farbe seines oder ihres Musikgeschmacks, dieser wiederum wurde ermittelt mittels einer App, die das Publikum vor dem Konzert auf seinen Smartphones installiert hatte. Während also die erste Hälfte gespielt wurde – Beethovens Coriolan-Ouvertüre, Mozarts Figaro-Ouvertüre, das wilde "Chain I" von Witold Lutoslawski oder Arthur Honeggers magische "Pastorale d'été" –, waren die Besucherinnen und Besucher aufgefordert, immer dann auf den Bildschirm zu tippen, wenn ihnen eine Passage, eine Stimmung gefiel.
Nach einer Stunde Musik - zunächst übrigens ohne Nennung der Werke - die Auswertung per Künstlicher Intelligenz (KI): Auf dem Bildschirm erschien eine Farbe. Gelb, Rot, Blau, Grün, Pink, Orange, Violett oder Braun. Die Zuhörerinnen und Zuhörer begaben sich in die entsprechend ausgewiesenen Säle oder, im Fall der Farbe Braun, in die Hofkirche, unter ihnen der Autor dieser Zeilen.
Dort gab es dann kleine Kammerkonzerte mit Duos, Trios, Streichquartetten oder Bläserquintett. Auch hier: zunächst war nicht klar, was gespielt werden würde und warum. Die Auflösung kam erst zum Schluss: Wer mehrheitlich dramatische Passagen angetippt hatte, bekam die Farbe Rot. Gelb stand für fröhlich, Grün für melancholisch, Pink für experimentierfreudig.
Und Braun? Braun stand für aufgeregt und bescherte den so Eingeteilten neben großer Holzbläserkunst noch das Vergnügen, die Hofkirche zu besuchen, in der eher selten Konzerte stattfinden. Höhepunkt hier: die ausgesprochen charismatische Interpretation einer Bläserquintett-Bearbeitung aus Anton Dvoraks "amerikanischem Streichquartett".
Nie überlagerte die technische Spielerei das Erleben der Musik selbst
Wer keine Farbe zugeteilt bekommen hatte – aus welchen digitalen Gründen auch immer –, bekam gleich im Kaisersaal Hilfe, alle anderen konnten rätseln, was sie sich da zusammengetippt hatten. Interessanterweise fanden sich Menschen gemeinsam in einer Farbe wieder, die sehr unterschiedliche Passagen markiert hatten. So entstanden jede Menge erstaunlich tiefe Gespräche über Musik.
Ein Konzert nicht nur mit exzellenter Musik, das Orchester spielte unter der Leitung von Thomas Posth in Bestform – mal fetzig, mal lyrisch, transparent und dennoch wunderbar rund. Sondern auch ein Konzert mit wunderbaren Anstößen, über das Wesen der Musik nachzudenken. Und über die eigenen Vorlieben. Denn die wurden zwar stimmungsmäßig bedient, oft aber mit eher unbekannten Stücken. So war es neben den Aha-Erlebnissen auch ein Abend der Neuentdeckungen. Das Beste aber: Nie überlagerte die technische Spielerei das Erleben der Musik selbst.