Ulrich Pabst hat zwei Leidenschaften: Landwirtschaft und Bildung. Der 58-Jährige, der den Pabst-Hof in Giebelstadt (Lkr. Würzburg) betreibt, ist durch und durch Landwirt; seinen Hof mit dem Schwerpunkt Ackerbau hat er seit einem Jahr von konventioneller auf biologische Landwirtschaft umgestellt. Das, was das Leben auf dem Land ausmacht, möchte Pabst aktiv gestalten und weitergeben, insbesondere an die nachkommenden Generationen. Auf dem Hof des vierfachen Vaters und dreifachen Großvaters soll nun Unterfrankens erster Bauernhofkindergarten entstehen; geplanter Start ist im Herbst.
Bei der Gemeinde Giebelstadt stieß Pabst mit seinen Plänen nach eigenen Aussagen auf offene Ohren. Bürgermeister Helmut Krämer bewertet den Bauernhofkindergarten als „attraktiv und eine gute Sache“; er sei eine „Bereicherung des Angebots“ zu den bestehenden zwei Kindergärten vor Ort. „Zur Deckung unseres Bedarfs an Kindergartenplätzen ist das neue Projekt nicht zwingend notwendig, es entlastet aber ein stückweit“, so Krämer.
500 Stunden Arbeit
Die Idee für einen Bauernhofkindergarten hatte Pabst schon lange. Im April 2017 ließ er sich beim Landratsamt Würzburg beraten, ein Jahr später reichte er dort seinen Antrag ein. „Es ist ein Konzept, das es so in Unterfranken noch nicht gibt“, heißt es von Seiten des Landratsamts. Man stehe dem Vorhaben und den Planungen sehr aufgeschlossen und positiv gegenüber. Nachdem Mitarbeiter des Landratsamtes den Hof und das Gelände besichtigt haben, wurde („nach Vorliegen aller notwendigen Unterlagen“), eine vorläufig befristete Betriebserlaubnis für zunächst ein Jahr ausgesprochen.
Zwischen der Idee für das Projekt und dem Antrag beim Landratsamt lagen etwa 500 Stunden ehrenamtliches Engagement von verschiedenen Seiten, hat Pabst errechnet. 500 Stunden, in denen der 58-Jährige Schulungen sowie Wald- und Bauernhofkindergärten besuchte, um sich Inspiration und Rat zu holen; in denen er Finanzfragen klärte, Gespräche mit potenziellen Mitarbeitern führte, Schnuppertage für interessierte Familien anbot, ein Konzept für das Gelände erarbeitete. „An den rechtlichen Dingen saß ich nächtelang“, so Pabst. Wie berechnet sich der Personalschlüssel für einen Kindergarten? „Ich habe 30 verschiedene Personalvarianten durchgespielt“, sagt Pabst und lacht.
Ein Bauwagen von der Gemeinde
Schwerpunktmäßig soll der Bauernhofkindergarten für Giebelstädter Kinder da sein, prinzipiell ist die Einrichtung aber für jeden offen. Ein Dutzend verbindlicher Anmeldungen hat Pabst bereits, eine Gruppe von bis zu 25 Kindern ist geplant. Die Betriebskosten des Kindergartens werden laut Landratsamt durch Zuschüsse der Kommune und des Freistaats Bayern gedeckt. Der Betrag, den Eltern für ihr Kind zahlen, orientiere sich an den üblichen Kindergartenbeiträgen, so Pabst.
Die Gemeinde Giebelstadt unterstützt den Bauernhofkindergarten durch die Anschaffung eines Bauwagens im Wert von 60 000 Euro, der kostenlos zur Verfügung gestellt wird, sowie durch die Zusage, innerhalb der ersten drei Jahre eventuelle Defizite mit einem Betrag von insgesamt 37 000 Euro abzufedern. „Damit wollen wir unsere Unterstützung signalisieren“, so Krämer.
Bestandteil einer Gesamtschöpfung
Pabst, der ausgebildeter „Erlebnisbauer“ und „Bauernhofpädagoge“ ist, kann bei der Entwicklung des Kindergartens auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen: Zusammen mit seiner Frau Inge Moser-Pabst bietet er auf seinem Hof seit 25 Jahren pädagogisch angeleitete landwirtschaftliche Projekte an – vor allem im Rahmen der Initiative „Lernort Bauernhof“, mit regelmäßigen Besuchen von Kindergärten, Schulen und Familien. Den „Lernort Pabst-Hof“ hat Ulrich Pabst zum Trägerverein des Bauernhofkindergartens gemacht, er selbst ist Vereinsvorsitzender.
Kinder von klein auf mit der Natur in Verbindung zu bringen und sie selbst Erfahrungen machen zu lassen, ist der Antrieb des 58-Jährigen. All das werde in unserer Gesellschaft immer mehr vernachlässigt, so seine Einschätzung, „das bereitet mir Schmerzen“. Dass Alternativ-Angebote wie Wald- und Bauernhofkindergärten regen Zulauf haben, kann Pabst nachvollziehen. Der Mensch sei Bestandteil einer Gesamtschöpfung – draußen zu sein und sich als Teil des Ganzen zu fühlen, sei daher ein Grundbedürfnis und -recht des Menschen, so seine Überzeugung.
Heu machen mit Kettcars
„Einem Biohuhn stehen laut Gesetz vier Quadratmeter zur Verfügung, einem Kind im Kindergarten zehn Quadratmeter“, sagt Pabst provokant. „In unserem Bauerhofkindergarten wird es für jedes Kind 100 Quadratmeter und mehr geben.“ Die Kinder sollen ihre eigenen Projekte haben, sich um Pflanzen und Tiere im Jahreskreislauf kümmern oder ihr eigenes Hochbeet anlegen. Das, was sie dort anbauen, ernten sie und kochen damit. Wenn Gemüse übrig bleibt, können die Kinder dies mit nach Hause nehmen. „Das hat einen Wert, die Kinder tragen so einen Anteil zur Familienversorgung bei, was sie wiederum stolz macht“, sagt Pabst.
Ein klassischer Tag im Bauernhofkindergarten könnte wie folgt aussehen: Morgenkreis um 8 Uhr; zusammen mit den Kindern wird der Tagesablauf und die Aufgabenteilung besprochen – wer versorgt die Tiere, wer die Pflanzen? Später beginnt die Freispielzeit, die die Kinder zum Beispiel mit Spielen im Gehölz oder am Bach verbringen können. „Es wird auch einen sechs mal sechs Meter großen Sandkasten geben“, sagt Pabst. „Außerdem Schaufeln, Hämmer und Nägel, Laufräder, Bollerwägen und Kettcars, an die man hinten einen Rechen basteln kann, um damit selbst Heu zu machen.“ Für schlechtes Wetter ist mittelfristig eine Spielscheune mit Strohballen zum Austoben geplant.
Um 13.30 Uhr schließt der Kindergarten. Dass das Halbtagskonzept einige interessierte Eltern und Kinder ausschließen wird, ist Pabst bewusst: „Die Zeiten gelten für den Einstieg, müssen aber nicht dauerhaft so bleiben.“
Hühner, Hasen und Heidschnucken
Der Grundsatz, den Tag im Freien zu verbringen, stellt auch an die künftigen Erzieher und Erzieherinnen besondere Anforderungen: „Ich muss Bock haben, den ganzen Tag draußen zu sein“, sagt Pabst trocken und lacht. Nur so könne man die Kinder dafür begeistern. Während das Kindergartenteam alle erzieherischen Entscheidungen trifft, trägt Pabst die Verantwortung für die Tiere (es soll unter anderem Hühner, Hasen und Heidschnucken geben) und ist für die Geländepflege zuständig – sowie für spezielle Projekte, die sich zum Beispiel um Themen wie Bienen, Küken oder Gemüsevielfalt drehen.
Die Kinder wiederum sollten keine Windeln mehr brauchen, und „schon selbst los wollen“. Von einer „minutiösen Beaufsichtigung“ möchte Pabst wegkommen. Kinder würden in vielen konventionellen Kindergärten vor allem betreut – und so der Möglichkeit beraubt, Selbstwirksamkeit zu erleben. „Wir tun so, als würden Kinder das nicht merken, aber dem ist nicht so.“
Bauernhof- und Waldkindergärten
Kurzkonzept des Natur- und Bauernhof-Kindergartens Giebelstadt (in Auszügen): - Bis zu 25 Kinder (Alter: drei Jahre bis zum Schuleintritt) können aufgenommen werden. - Betreuungszeiten: Montag bis Freitag von 7.30 bis 13.30 Uhr - Mindestens zwei Fachkräfte betreuen die Kinder. - Die Gruppe hält sich draußen auf (Ausnahmen: Sturm, Hagel, Gewitter). - Räumlichkeiten: ein Bauwagen, ein Gruppenraum, ein Fachwerkschuppen. Mehr Infos: www.pabst-hof.de
Für eine gut gemischte Altersstruktur sucht der Bauernhofkindergarten noch einige ältere Kinder (deren Schuleinschreibung sich zum Beispiel um ein Jahr verzögert hat). Als Mitglied der Interessengemeinschaft „Lernort Bauernhof“ ist der Pabst-Hof ein qualifizierter Erlebnisbauernhof. Die offizielle Eröffnung des Kindergartens ist für den 29. September 2018 geplant. Bundesweit gibt es derzeit circa 30 Bauernhofkindergärten; in Unterfranken wird Giebelstadt der Vorreiter sein. Waldkindergärten stehen im Landkreis Würzburg vier zur Auswahl: in Höchberg, Reichenberg, Rimpar und Waldbrunn; ein weiterer in Güntersleben ist in Planung. Weitere Infos zu Bauernhof- und Waldkindergärten: kita-natura.de (Hilfe bei der Planung und Gründung eines Bauernhofkindergartens) bvnw.de (Bundesverband der Natur- und Waldkindergärten in Deutschland e.V.)