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Grombühl
Auch Kinder sind immer häufiger psychisch krank
Die Kinder- und Jugendpsychiatrie in Würzburg ist 40 Jahre alt. Gefeiert wurde mit Fachvorträgen: ein Plädoyer für die Würde der Kinder. 
Staatsministerin Marion Kiechle (CSU) bei der Festveranstaltung zum 40. Geburtstag der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Würzburg: 'Wir müssen Kinder und Jugendliche besonders schützen.' Foto: Daniel Peter
| Staatsministerin Marion Kiechle (CSU) bei der Festveranstaltung zum 40. Geburtstag der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Würzburg: "Wir müssen Kinder und Jugendliche besonders schützen." Foto: Daniel Peter
Regina Urbon
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:04 Uhr

Ein halbes Gesicht an einer halben Uhr mit dem Zeiger auf fünf vor zwölf; schwarze Bäume und ein schwarzer Hund über bunten Blumen; ein Mädchen, dem Tränen über die Wangen laufen, und dessen Mund zugenäht ist: Ausschnitte aus Zeichnungen, die in Therapiesitzungen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie  (KJP) des Uniklinikums Würzburg entstanden sind.

Sie verdeutlichen das Befinden der jungen Patienten und auch den Druck, unter dem oft schon Kinder stehen. Aber die jungen Patienten malten auch verspielte Szenen in hellen Farben.

In der seelischen Not helfen

40 Jahre Kinder- und Jugendpsychiatrie am Uniklinikum Würzburg: Die Bilder wurden zur Eröffnung der Festveranstaltung mit Vorträgen und anschließendem Staatsempfang im Virchow-Zentrum an der Josef-Schneider-Straße gezeigt. Sie stehen für die seelische Not von Kindern und Jugendlichen. Sie verdeutlichen aber auch, dass junge Patienten durch fachliche Hilfe wieder aufblühen können.

Die Würde der Kinder in den Blick nehmen

Klinikdirektor Marcel Romanos begrüßte Landtagspräsidentin Barbara Stamm und die bayerische Ministerin für Wissenschaft und Kunst Marion Kiechle neben den Fachreferenten, die das "Kind in seiner Würde" in den Blick nahmen. Der frühere Direktor der Klinik Andreas Warnke verwies darauf, dass psychisch Kranke früher gar als "unwertes Leben" galten, später aus der Gesellschaft oft noch ausgeschlossen wurden. Erst in den vergangenen Jahrzehnten wuchs das Wissen, dass die Psyche ebenso schwere Krankheiten auslösen kann wie der Organismus.

"Sie wären tot, wenn wir sie draußen stehen lassen würden."
Andreas Warnke, ehemaliger Klinikleiter 
Prof. Dr. Andreas Warnke vor dem Publikum im Hörsaal des Rudolf-Virchow-Zentrums. Foto: Daniel Peter
| Prof. Dr. Andreas Warnke vor dem Publikum im Hörsaal des Rudolf-Virchow-Zentrums. Foto: Daniel Peter

Warnke: "In der Intensivstation behandeln wir Patienten, die sich ihr Leben nehmen wollen - die, wenn wir sie draußen stehen lassen würden, tot wären!" Er dankte für alle Förderung seitens der öffentlichen Hand und für Millionen von Spenden über den Förderverein Menschenskinder. 

Die Festveranstaltung war eine Zeit der freundlichen, aber ernsten Töne. Der Präsident der Universität Würzburg Alfred Forchel wies auf "die drastische Zunahme psychischer Erkrankungen in frühen Lebensjahren" hin und verband damit nachhaltig die Bitte um Fördergelder für die weitere Forschung im Rahmen von Exzellenzclustern, der Profilgebung von Wissenschaftsstandorten in Deutschland. Es sei absehbar, dass gerade die psychischen Krankheiten auch bei Kindern und Jugendlichen noch zunehmen würden. Forschung, Ausbildung und die Anwendung neuer Erkenntnisse müssten immer mehr ineinander greifen.

Fachbereich mit Scharnierfunktion

Schon jetzt, betonten die Referenten, habe die Kinder- und Jugendpsychiatrie eine Scharnierfunktion. Sie sei in Medizin, Psychologie und Sonderpädagogik aktiv und Schnittstelle zur Kinder-, Jugend- und Familienhilfe, zu Schulen und Gerichten. 

Die Entwicklung der Kinder- und Jugendpsaychiatrie seit 40 Jahren verglich Warnke mit dem Zustand von der elektrischen Schreibmaschine über den PC bis hin zu bildgebenden Verfahren in der Molekulargenetik, bei der es um Veränderungen des Erbgutes geht. 

Krank durch Flucht, Mobbing und Cybermobbing

Der Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Uni-Klinikum Ulm Jörg Fegert erläuterte, psychische Krankheiten von Kindern würden in jüngster Zeit vielfach ausgelöst durch Flucht, durch Mobbing und Cybermobbing. Studien belegten: Belastungen in der Kindheit führten oft zu Krankheiten in späteren Jahren.

Schon jetzt, so Ministerin Kiechle, würden 10 000 Suizide pro Jahr in Deutschland verzeichnet - darunter viele junge Menschen. "In den Seelen spiegeln sich die Konfliktlagen unserer Zeit", sagte sie.

40 Jahre Kinder- und Jugendpsychiatrie: Zahlen, Fakten
1954 und 1958 entstehen die ersten Lehrstühle des Fachgebietes in Marburg und in Rostock.
1978 Gründung eines ersten Lehrstuhls in Bayern. Einrichtung in der Uni-Kinderklinik am Röntgenring mit 18 Betten, Leiter: Gerhardt Nissen.
1980 Integration in die neue Uni-Nervenklinik Füchsleinstraße (später: Margarete-Höppel-Platz 1). Bis in die 90-er Jahre 32 Betten.
1992 Antritt Andreas Warnke.
1999 Eröffnung einer Tagesklinik  (Träger: Diakonie).
2004 Bau des Krick-Pavillons (Unterkunft für Eltern). Bau und Einweihung einer eigenständigen Intensivstation (Träger: Bezirk Unterfranken).
2012 Klinik am Greinberg für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen (Bezirk).
April 2012 Marcel Romanos wird Lehrstuhlinhaber und Klinikdirektor.
2013 Zentrum für Psychische Gesundheit am Uniklinikum entsteht. Es löst die alte Nervenklinik ab.
2018 Gründung eines interdisziplinären Zentrums für Angsterkrankungen und Gründung eines Zentrums Deletionssyndrom 22q11 (fehlendes Erbmaterial).
Derzeit 75 Behandlungsplätze (davon 61 stationär und 14 teilstationär); außerdem 14 in der Intensivstation, 15 am Greinberg und weitere 14 in der Tagesklinik.
Jährlich versorgt die KJP 1200 Patienten stationär und teilstationär und rund 2500 ambulant.
 
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