Den beiden christlichen Kirchen in Deutschland laufen immer mehr Schäfchen davon. Denn die Zahl der Austritte ist bundesweit 2018 im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen. In Unterfranken sieht es zumindest bei den Katholiken nicht anders aus.
So ist die Zahl der Katholiken in der Region um 1,5 Prozent zurückgegangen, wie das Bistum Würzburg unter Berufung auf Zahlen der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) vom Freitag mitteilte. Zum Jahresende zählte das Bistum damit noch exakt 734 613 Katholiken. Damit gehörten 56 Prozent der Bevölkerung in Unterfranken dieser Glaubensrichtung an. Der Regierungsbezirk ist nahezu deckungsgleich mit dem Bistum.
Wie das Bistum Würzburg die Zahlen interpretiert
Dort kehrten im vergangenen Jahr 6532 Menschen (2017: 4529) der katholischen Kirche den Rücken zu - so viele wie noch nie. „Es geht ganz offensichtlich um die Glaubwürdigkeit der Kirche“, kommentierte Würzburgs Bischof Franz Jung die Zahlen. Es gehe für die katholische Kirche nun darum, "in einer Welt mit vielen Sinnangeboten Menschen für Christus zu gewinnen“.
Generalvikar Thomas Keßler bezeichnete die große Zahl der Kirchenaustritte als "erschreckend". Sie stehe "sicher im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Ergebnisse der Missbrauchsstudie im September 2018".
Was "Wir sind Kirche" meint
Ähnlich sieht das die bundesweite Bewegung "Wir sind Kirche" um ihren Sprecher Magnus Lux aus Schonungen (Lkr. Schweinfurt). Neben den "erschütternden Ergebnissen" der Missbrauchsstudie hätten auch der "schleppende Umgang mit sexualisierter Gewalt in der Kirche" zu den vielen Austritten beigetragen, teilte die Bewegung am Freitag mit.
Die katholische Kirche müsse sich von ihrer Strukturreform und damit von Pfarreienschließungen verabschieden, um den Gläubigen wieder eine Heimat zu bieten. "Weg von dem von den Bischöfen kontrollierten Versorgungsprinzip zur wirklichen Teilhabe der Getauften und Gefirmten an der Gestaltung ihres Gemeindelebens": So lautet der Lösungsvorschlag von "Wir sind Kirche".
Immerhin zwei Zahlen dürfte die Katholiken im Bistum beruhigen: 5641 Taufen hat es in 2018 gegeben, fast genau so viele wie im Jahr davor. Und die Zahl der kirchlichen Eheschließungen stieg leicht auf 1575.
Auch vor anderen Themen stehen Minuszeichen
Das war es dann aber auch schon mit den guten Nachrichten. Denn vor anderen Aspekten stehen wieder Minuszeichen. So besuchten 2018 mit durchschnittlich 84 000 Menschen acht Prozent weniger als 2017 die Sonntagsgottesdienste. Wie das Bistum weiter mitteilte, gingen in diesem Zeitraum 5277 zur Erstkommunion, was einem Minus von sechs Prozent entspricht.
In Deutschland haben 2018 rund 216 000 Menschen die katholische Kirche verlassen, teilte die DBK am Freitag in Bonn mit. Das sind 48 500 Austritte mehr als 2017. Insgesamt sank die Zahl der Katholiken in Deutschland im vergangenen Jahr um gut 300 000 auf 23 Millionen.
Wie es bundesweit und bei den Protestanten aussieht
Bei den Protestanten traten 220 000 Menschen aus der Kirche aus, 23 000 mehr als 2017, teilte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) in Hannover mit. Die Gesamtzahl der Protestanten verringerte sich um 1,8 Prozent auf gut 21 Millionen. Zahlen für Unterfranken waren am Freitag bis Redaktionsschluss nicht zu bekommen.
Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm sagte, jeder Austritt schmerze. Allerdings könne man sich heute anders als früher völlig frei entscheiden, ob man in der Kirche bleiben wolle. "Wir sind dankbar für die vielen Menschen, die sich heute aus Überzeugung für die Mitgliedschaft in ihrer Kirche entscheiden."
Auf katholischer Seite bezeichnete der Sekretär der Bischofskonferenz, Hans Langendörfer, die Entwicklung als "besorgniserregend". Ein Grund für die gestiegene Zahl der Austritte sei sicher die im September veröffentlichte Missbrauchsstudie. Dadurch sei eine große Debatte ausgelöst worden. "Viele glauben uns nicht mehr, dass wir konsequent und entschlossen gegen Täter vorgehen", erläuterte Langendörfer.
Der Bischof von Münster, Felix Genn, sagte, nach der Veröffentlichung der Studie hätten viele wohl gedacht: "Jetzt reicht es mir endgültig." Nach einer Projektionsstudie der Universität Freiburg werden die Mitgliederzahlen beider Kirchen bis 2060 um rund die Hälfte zurückgehen.
(Mit Infos von dpa.)