
Drei Tage hängt Alfred Eck am Galgen. Kommunionkinder ziehen über den Marktplatz, sehen verängstigt zu ihm hoch. Wegen Verrat, Fahnenflucht und Volksschädigung wurde er von einem Hauptmann der Wehrmacht zum Tode verurteilt. Alfred Eck ist für sein Heimatdorf Baldersheim den Heldentod gestorben. Doch nicht alle sehen das so. Wie geht man mit jemanden um, der ein Verräter gewesen sein soll?
„Ich weiß vom Leben des Herrn Eck gerade mal sechs Stunden“, sagt Bürgermeister Robert Melber. Es ist ihm anzumerken, dass er nicht gerne über dieses Thema spricht. Denn Alfred Eck ist in Aub und Baldersheim umstritten. Die einen sehen in Eck einen Mann mit Zivilcourage, der brutal hingerichtet wurde. Andere meinen, Eck sei in erster Linie ein Verräter an seiner Heimat gewesen.
Zwei Versuche, die Schule in Aub nach Alfred Eck zu benennen, schlugen bereits fehl. 1985, beim ersten Mal, fasste der Stadtrat zwar den Beschluss, rechnete aber nicht mit dem Widerstand des damaligen Schulamtsdirektors, der schwerste Bedenken hatte, eine Schule nach einem verurteilten Verräter zu benennen.
Die öffentliche Diskussion traf die Familie Eck mitten ins Herz. So sehr, dass sie ihr Einverständnis zur Namensgebung zurückzog. Und der Stadtrat hob seinen Beschluss auf.
2015 treffen andere Bürger am Ratstisch die Entscheidung. Wieder diskutieren sie über die Namensgebung ihrer Schule. Bernhard Mader aus Eibelstadt, ein gebürtiger Auber, hat sich an die „schäbige Diskussion“ von damals erinnert und sah jetzt, 70 Jahre nach Ende des Krieges und in einer Zeit, in der alle Wehrmachts-Deserteure vom Deutschen Bundestag rehabilitiert wurden, die Zeit für eine Alfred-Eck-Schule gekommen.
Doch der Stadtrat war anderer Meinung. Anders als damals lehnten die Räte Maders Vorschlag ab. Es soll aber eine angemessene Form der Ehrung gefunden werden. Von einer Tafel an der Stelle, wo Eck am 7. April 1945 hingerichtet wurde, ist unter anderem die Rede. Das war im April vergangenen Jahres. Bis heute hat sich nichts getan.
Bürgermeister Melber wollte erst einmal abwarten, bis wieder Ruhe eingekehrt ist. „Damit man objektiv an die Sache rangehen kann“, so Melber.
Alfred Ecks Geschichte geht damals wie heute vielen unter die Haut. Vor allem außerhalb Aubs können viele nicht verstehen, warum man sich so schwer tut, Alfred Eck ein würdiges Andenken zu geben. Eine Geschichtswerkstatt soll es nun richten. Der Bürgermeister verspricht sich davon eine Form zu finden, die „dem Ganzen“ gerecht wird.
Zeitzeugen sollen befragt werden, Helmut Veehs „Kriegsfurie über Franken 1945“, in der ausführlich die Ereignisse in Aub und Baldersheim beschrieben sind, wird herangezogen und die Frage, welche Rolle der damalige Baldersheimer Bürgermeister Engert und der Landwirt Neeser bei den Verhandlungen mit den Amerikanern spielten.
Leiten soll die Geschichtswerkstatt Frank Stößel aus Zell am Main. In einem Leserbrief an diese Zeitung hat der pensionierte Sonderschulrektor diesen Vorschlag unterbreitet. Melber griff das auf und fragte Stößel, ob er nicht die Moderation der Geschichtswerkstatt übernehmen möchte. Stößel sagte zu.
Als ehemaliger Leseopa in der Auber Grundschule hat er einen Bezug zur Stadt. Außerdem ist er mit Kilian Angermeier befreundet. Angermaier machte 1985 den Vorschlag, die Schule nach Alfred Eck zu benennen. Und Stößels Großvater hat in ähnlicher Weise wie Alfred Eck Baldersheim, sein Heimatdorf Rüdenhausen vor der Zerstörung durch die Amerikaner bewahrt.
- Lesen Sie dazu den Kommentar von Thomas Fritz: Standpunkt: Die Zweifler aufklären
Am 16. Februar soll das erste Treffen der Geschichtswerkstatt stattfinden. Nach einem Aufruf im Mitteilungsblatt haben sich 13 Personen gemeldet, die mitarbeiten möchten, berichtet der Bürgermeister. Frank Stößel will dem Ergebnis nicht vorgreifen, es muss aber klar sein, sagt er, dass es im Fall Eck einen neuen Anfang geben muss. Denn Deserteure sind rehabilitiert. Weiter spricht er sich dagegen aus, Ecks Schicksal mit Neeser und Engert zu verknüpfen. „Eck ist ermordet worden, die beiden anderen haben ihr Leben auch riskiert, aber nicht verloren“, sagt er wohlwissend, dass es im Auber Krieger- und Veteranenverein anders gesehen wird.
Stößel ist optimistisch, dass die Geschichtswerkstatt zu einem guten Ergebnis kommt. Ein gutes Ergebnis, das ist für ihn eine Gedenktafel am Auber Marktplatz und eine in Baldersheim. „Alfred Eck soll der Wahrheit entsprechend geehrt und niemand darf diffamiert werden.“