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Würzburg
Andreas Obieglo wirft einen neuen Blick auf alte Lieder
Andreas Obieglo von "Carolin No" hat für seine neue CD "Lieder II" deutsche Volkslieder neu arrangiert. Er hat sie entstaubt und echte Klavier-Preziosen daraus gemacht.
Andreas Obieglo von Carolin No hat die CD 'Lieder II' mit eigenen Klavierbearbeitungen von deutschen Volkslieder veröffentlicht.
Foto: Angie Wolf | Andreas Obieglo von Carolin No hat die CD "Lieder II" mit eigenen Klavierbearbeitungen von deutschen Volkslieder veröffentlicht.
Karl-Georg Rötter
Karl-Georg Rötter
 |  aktualisiert: 07.04.2020 13:02 Uhr

„Wenn alle Brünnlein fließen“, „Freut euch des Lebens“ oder „Kommt ein Vogel geflogen“ – das sind Liedertitel bei denen die meisten Jazz- und Popmusiker wohl zunächst einmal die Nase rümpfen. Aber genau diese und einige andere Volksweisen hat sich Andreas Obieglo, die Hälfte des bekannten Singer/Songwriter-Duos „Carolin No“, für seine neue CD „Lieder II“ vorgenommen und völlig neu arrangiert. Vor gut zehn Jahren hat er dies für seine erste Solo-CD „Lieder“ schon einmal getan, doch damals waren noch diverse elektronische Accessoires wie Synthesizer oder E-Piano sowie die unverkennbare Stimme seiner Gattin Caro im Einsatz, die eine Nähe zu „Carolin No“ erkennen ließen. Jetzt hat Andreas Obieglo sich ganz alleine auf sich und sein Klavier verlassen – keine Elektronik, kein Gesang, sondern Piano pur.

Als er mit den Aufnahmen für „Lieder II“ begann, sei die Elektronik noch im Spiel gewesen, erklärt er im Gespräch. Doch bei mehreren Gesprächen mit seinem früheren Hochschul-Klavierlehrer Chris Beier, der ihm als kompetenter Berater heute noch zur Seite steht, hätten sie bemerkt, dass außer dem Klang des Klaviers alles andere verzichtbar sei. Gesagt, getan.

Volkslieder sind wie Jazz-Standards

Aber warum ausgerechnet Volksweisen? Obieglo hat mehrere Erklärungen für diese Entscheidung. Zunächst einmal war da das 150-jährige Bestehen der elterlichen Gastwirtschaft im niederbayerischen Schöllnach, bei dem er für die Musik sorgen sollte. Mit dem erlernten und studierten Jazz, wäre er da wohl nicht gut angekommen, also arrangierte er Volkslieder neu, die man auch im Wirtshaus kannte. Im Grunde sei das nichts anderes gewesen als das, was Jazzmusiker mit Standards machen, die ja meistens Melodien aus Musicals, Broadway-Shows oder Hollywood-Filmen sind, einfache und massenkompatible Kost also. Damals habe er gespürt, dass seine persönlichen „Standards“ eben nicht beispielsweise „Georgia on my Mind“, sondern Lieder wie „Mir san vom Woid dahoam“ sind. Da hat er gespürt, dass er den heimatlichen Liedern mehr hinzufügen könne als den Jazz-Standards aus den fernen USA.

„Ursprünglich habe ich zu einigen der deutschen Volkslieder schon ein gespaltenes Verhältnis gehabt“, erzählt der Pianist. Als seine Großmutter ihm erzählte, dass Inhaftierte während des Dritten Reichs „Freut euch des Lebens“ vor den zynischen Nazi-Schergen singen mussten, stand er vor der Entscheidung: „Finger weg oder eine versöhnlichere Version schaffen“. Obieglo hat sich für Letzteres entschieden, wie man jetzt auf „Lieder II“ hören kann. Ein Lied wie „Muss i denn zum Städtele hinaus“ stellt für ihn eben kein fröhliches Wanderlied dar, sondern es handelt von Abschied, ohne die Gewissheit eines Wiedersehens. Also erklingt es als elegische und wehmütige Ballade auf der neuen CD.

Das Cover der neuen Solo-CD von Andreas Obieglo.
Foto: Mario Schmitt | Das Cover der neuen Solo-CD von Andreas Obieglo.

Vom Wirtshaus in den Konzertsaal

Es glückt Obieglo bei allen Stücken der CD sie von jeglicher kitschiger Volkstümelei zu befreien und sie zu anspruchsvollen pianistischen Miniaturen umzuformen, wobei der Kern des einzelnen Lieds stets erhalten bleibt und erkennbar ist. So werden aus oberflächlichen Gassenhauern in die Tiefe gehende Lieder. Man spürt bei jedem Ton, dass der Pianist diese Lieder ernst nimmt, sich mit ihnen auseinandersetzt, ohne sie artifiziell zu zerlegen – einer Versuchung der Jazzer nur zu gerne erliegen.

Das Schöne an der CD ist zudem, dass man sie wie einen Liederzyklus hören kann, bei dem das Ende des einen Liedes den Beginn des folgenden vorwegnimmt oder zumindest dorthin führt. Dass Andreas Obieglo in das Volkslieder-Repertoire drei eigene Kompositionen einstreut, fällt überhaupt nicht auf, so sehr hat er die Volkslieder zu seinen eigenen gemacht. Zudem hat er ihnen jedes kitschige Pathos genommen und ihnen stattdessen ihre Würde zurückgegeben. Andreas Obieglo ist es meisterhaft gelungen, die Lieder aus dem Wirtshaus zu befreien und sie salonfähig für den Konzertsaal zu machen. Und tatsächlich will er im nächsten Jahr einige Solokonzerte mit dem „Lieder“-Repertoire spielen.

„Lieder II“ gibt es als CD und LP sowie als MC (Musikkassette). Außerdem ist ein Notenheft mit allen Klaviertranskriptionen erhältlich.

 
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