Das Musiker-Duo Carolin No hat im Sommer Tourneepause. Das bedeutet aber nicht, dass sie Urlaub machen. Sie nehmen Lieder für ihre neue CD auf - und haben nebenbei auch noch andere Pläne.
Das zehnjährige Bestehen von Carolin No liegt schon ein Jahr zurück. Jetzt geben Sie das Elfjährige als Jubiläumsjahr aus. Warum?
Andreas Obieglo: Eigentlich ist der Namensgeber für die Jubiläumstour unser Song „Year of November“. Außerdem: Zehnjähriges Jubiläum feiert jeder, dann hat sich das mit der Elf irgendwann so ergeben. Zudem spielen wir „Year of November“ immer wieder gerne. Der Song hat für uns einen hohen Stellenwert.
Die Hälfte der Jubiläumstour ist absolviert. Wie war es bis jetzt?
Carolin Obieglo: Bis jetzt war es ein großer Erfolg. Es kamen mehr Leute zu den Konzerten als zuvor. Wir haben ja bei dieser Tour sehr viel mit unserer Band gespielt und waren ausgiebig unterwegs, sind weite Strecken gefahren. Das hat sich dann jeweils schon fast wie ein Familienausflug angefühlt.
Gab es ein Konzert, an das Sie sich besonders gerne erinnern?
Andreas Obieglo: Es ist schwer eines herauszugreifen. Aber eine besonders schöne Location war auf Sylt, man konnte von der Bühne aus direkt aufs Meer schauen.
Carolin Obieglo: Mir fällt Ansbach ein. Ich war ganz furchtbar erkältet und habe viele Medikamente geschluckt, um überhaupt durchzuhalten. Es wurde dann einer der schönsten Abende der Tour.
Jetzt machen Sie Sommerpause. Wahrscheinlich liegen Sie die meiste Zeit in Ihrem schönen Garten und ruhen sich ein paar Wochen aus?
Carolin Obieglo: Nein, nein, im Gegenteil. Wir haben es nämlich erstmals nicht geschafft, während der Tour ins Studio zu gehen und neue Lieder aufzunehmen.
Andreas Obieglo: Wir haben lediglich Ideen gesammelt. Jetzt nutzen wir die Sommerpause, um die Skizzen zu verarbeiten und neue Songs zu entwickeln.
Sie komponieren aber nicht den ganzen Tag lang?
Andreas Obieglo: Na ja, wir haben ja auch einen Haushalt zu führen, wie jeder andere auch. Wir müssen uns um den Garten kümmern, wir müssen kochen und waschen und was sonst noch so anfällt.
Carolin Obieglo: Als wir vorübergehend in Berlin gelebt haben, hatten wir eine 50-Quadratmeter-Wohnung, die war in fünf Minuten geputzt und aufgeräumt. Jetzt sieht das ganz anders aus.
Andreas Obieglo: Und außerdem gebe ich ja auch noch zweimal in der Woche Musikunterricht in der Maria-Stern-Schule.
Für viele Kids ist Musikunterricht oft nur eine lästige Plichtübung. Was macht ein professioneller Musiker anders als ein „klassischer“ Lehrer?
Andreas Obieglo: Ich war mit den Kindern beispielsweise auf einer „musikalischen Weltreise“. Wenn ich ihnen afrikanische Percussion zeige, komme ich auf den bayerischen Brauch des Schlagens mit Holzlöffeln zurück. Das gefällt den Kindern und sie sind mit Begeisterung dabei. Eine teure Gitarre beeindruckt sie viel weniger. Für mich persönlich ist das auch eine Rückkehr zum einfachen Klang.
Und die Holzlöffel kommen jetzt auch bei Carolin No zum Einsatz?
Andreas Obieglo: Ja, die werden bestimmt auf der neuen Platte irgendwie zu hören sein.
Bei den Songs an einem Sommerabend haben Sie von einer „Messe für den Frieden“ mit lateinischen Texten gesprochen, die Sie komponieren wollen. Was kann man sich davon erwarten?
Andreas Obieglo: Diese lateinische Messe ist mir ein Bedürfnis. Das möchte ich schon seit zehn Jahren machen. Das wird ein ganz anderes Album, für dessen Aufführung wir uns geeignete Locations – Kirchen oder sakrale Räume - suchen werden.
Carolin Obieglo: Wir werden aber auch neue Carolin-No-Songs aufnehmen, die an das Bisherige anschließen werden. Es wird wohl wieder deutsche und englische Texte geben. Und wir werden bei unserer bisherigen Songform bleiben. Das ist unser Metier.
Andreas Obieglo: Es gibt sogar noch ein drittes Projekt. In einer Fortsetzung der CD „Lieder“, die 2010 erschienen ist, bearbeite ich gerade wieder deutsche Volkslieder.
Exkurs: An dieser Stelle wird das Gespräch kurz unterbrochen, denn Andreas Obieglo möchte ein paar der Volkslieder-Neubearbeitungen auf dem Klavier vorspielen. Sie befinden sich noch im Anfangsstadium, zeigen aber bereits die Richtung auf, in die es gehen könnte. Mal bewegt sich ein Motiv in Richtung Klassik, dann führt der Weg mehr zum Jazz hin. Eines der Stücke, das auf der Liste des Pianisten steht, ist das deutsche Volkslied „Lustig ist das Zigeunerleben“. Aber darf man das Stück heute noch so nennen? Darf man den Titel auf einem CD-Cover abdrucken? Oder muss man dem Stück, wenn man es heute veröffentlichen möchte, einen anderen Titel geben? Schwierige Fragen, mit denen ein Musiker sich auch auseinandersetzen muss.
Seit einiger Zeit gibt es das Buch „Was glaubst du?“ des Religionspädagogen Rainer Oberthür, in dem Songtexte von Ihnen in einen neuen Zusammenhang gestellt werden. Damit sind Sie auch live aufgetreten.
Carolin Obieglo: Wir haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Obwohl wir uns zunächst nicht so recht vorstellen konnten, wie wir das umsetzen würden.
Es hat aber funktioniert?
Carolin Obieglo: Wir hatten bisher acht Konzert-Lesungen, die alle sehr viel Freude gemacht haben, weil sich das Publikum auch sofort auf unser neues Format eingelassen hat. In diesem Programm sind ganz stille Lieder dabei, die in unseren regulären Konzerten leider oft keinen Platz finden.
Hat das Auswirkungen auf zukünftige Arbeiten?
Andreas Obieglo: Ich glaube schon, dass uns das inspirieren wird. Im Übrigen finde ich, dass man das Publikum auch fordern kann und darf. Es ist nicht unser Job, die Zuhörer „nur“ zu unterhalten.
Jetzt machen Sie neue Aufnahmen. Wie läuft bei Ihnen eine Produktion ab?
Carolin Obieglo: Ich wünschte manchmal, eine Produktion wäre so klar planbar wie eine Tournee, aber: die Aufnahmen nehmen oft den ganzen Tag ein. Manchmal geht es schon vor dem Frühstück los. Und manchmal enden die Aufnahmen auch erst spät in der Nacht.
Andreas Obieglo: Es ist in der Tat auch eine Herausforderung, dass wir zu Hause aufnehmen. Wir haben überall bequeme Ecken und die Couch ist nicht weit. Da braucht es schon viel Disziplin und Willen, sich nicht ablenken zu lassen, deshalb fangen wir sehr früh, so um 6.30 Uhr, im Studio an.
Gibt es auch mal Reibereien oder gar Streit?
Carolin Obioeglo: Streit gibt es nicht, aber: Wenn der Produktionsprozess so richtig begonnen hat, sind wir sehr, sehr streng mit uns selbst.
Was kommt zuerst, der Text oder die Komposition?
Carolin Obieglo: Der Text ist immer zuerst da. Wir prüfen zunächst die Ideen, dann schreibt jeder für sich daran weiter. Und danach wird wieder überprüft. Und auch bei Texten, die scheinbar fast fertig sind kommen wir manchmal doch an den Punkt, wo wir feststellen: Das wird nichts. Wir lassen jedenfalls nichts durch, wozu wir nicht zu gleichen Teilen stehen können.
Andreas Obieglo: Im weiteren Verlauf der Produktion ziehen wir dann regelmäßig unser „Mini-Kompetenzteam“ zu Rate. Das sind Leute, die uns musikalisch, aber auch emotional sehr nahe stehen und auf deren Meinung und Input wir sehr viel Wert legen. Mein ehemaliger Lehrer und Freund Chris Beier ist eine ganz wichtige Instanz (Anm.: Der Jazzpianist Chris Beier war Leiter der Jazzabteilung an der Würzburger Hochschule für Musik und bildete neben Andreas Obieglo und vielen anderen auch Michael Wollny aus). Er hat mich schon mehrfach vor halbfertigen Veröffentlichungen bewahrt.
Das klingt nach einem komplizierten Prozess?
Carolin Obieglo: Es gibt kaum eine intensivere Zeit als die, in der ein neues Album entsteht. Manchmal ist es sogar schmerzhaft intensiv. Die nächste Tour ist dann die Belohnung für das, was vorher war.
Sie machen immer wieder mal neue Versionen von bestehenden Songs. Weil Sie mit den ursprünglichen Fassungen nicht zufrieden gewesen sind?
Carolin Obieglo: Nein, das ist lediglich eine Weiterentwicklung.
Andreas Obieglo: Man muss ja ein Stück nicht das ganze Leben lang gleich spielen.
Carolin Obieglo: Wir haben glücklicherweise ein Publikum, das uns solche Veränderungen erlaubt und sich freut, wenn es eine neue Version eines bekannten Songs hören kann.
Andreas Obieglo: Wir wollen das Programm ja auch für uns selbst interessant halten und nicht immer das Gleiche abspielen.
Eingefahrene Routine ist nicht Ihr Ding?
Carolin Obieglo: Ein paar Programmlieblinge spielen wir schon immer (fast) gleich. Aber früher haben wir uns manches nicht getraut, was wir uns inzwischen einfach gestatten. Wir haben noch geglaubt, man muss bestimmte Erwartungen bedienen. Aber letztlich sind die einzigen Erwartungen, die wir erfüllen wollen: Das Publikum soll spüren, dass wir uns auf jedes einzelne Konzert freuen und wir immer versuchen, im Moment so authentisch wie möglich zu musizieren.
Andreas Obieglo: Andererseits gibt es inzwischen nichts mehr, was uns mehr egal ist als die Regeln des sogenannten „Musikbusiness“.
Es gibt merkwürdige Erlebnisse, wenn Veranstalter für Sie ein Hotel buchen. Die Zimmer sind oft für "Frau No, Carolin" gebucht.
Carolin Obieglo: Ich ärgere mich darüber, Andi nicht so sehr.
Andreas Obieglo: Mich stört es nicht. Ich frage mich nur, was denken sich die Leute, wenn auf den Fotos immer dieser Typ nebendran steht.
Auf der Website www.barfuss.net findet man auch Carolin No. Warum?
Carolin Obieglo (muss nachdenken): Ach so, weil ich gerne mal ohne Schuhe singe. Da fühle ich mich oft am wohlsten. Manche Momente auf der Bühne sind so ganzheitlich, da kann ich nichts haben, was mich stört.