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Bieberehren
Alte Wagnerwerkstatt geht auf Reisen: Josef Bergolds Lebenswerk zieht ins Freilandmuseum Bad Windsheim
Die Werkstatt von Wagnermeister Josef Bergold in Bieberehren erzählt von einer fast ausgestorbenen Handwerkskunst und bleibt nun für die Nachwelt erhalten.
Bis ins hohe Alter stand der 2022 verstorbene Wagnermeister Josef Bergold noch in der Werkstatt, die künftig jetzt im Freilandmuseum Bad Windsheim wieder zugänglich gemacht werden soll. 
Foto: Hannelore Grimm (Archivbild) | Bis ins hohe Alter stand der 2022 verstorbene Wagnermeister Josef Bergold noch in der Werkstatt, die künftig jetzt im Freilandmuseum Bad Windsheim wieder zugänglich gemacht werden soll. 
Hannelore Grimm
 |  aktualisiert: 14.03.2024 02:56 Uhr

Für die Werkstatt von Wagnermeister Josef Bergold in Bieberehren geht eine nahezu 150 Jahre alte Geschichte zu Ende, und eine neue beginnt mit dem Umzug in das Freilandmuseum in Bad Windsheim. In dem alten Gebäude im Anwesen in der Hinteren Straße hat Josef Bergold, der im August 2022 im Alter von 97 Jahren gestorben ist, sein gesamtes Leben verbracht.

In der kleinen Werkstatt, die wirkt, als wäre sie aus der Zeit gefallen, setzte Josef Bergold eine Tradition fort, für die sein Großvater Michael Bergold 1880 mit dem Kauf des Anwesens den Grundstein gelegt hatte. Der Vater von Josef, Martin Bergold, baute die Werkstatt auf und stattete sie mit für die damalige Zeit modernen Maschinen aus, wie einer Drechselbank, einer Bandsäge und einer Hobelmaschine. 

Die Werkstatt in Bieberehren sieht noch immer so aus, wie sie Wagnermeister Josef Bergold vor Jahren verlassen hat. Im Vordergrund die mit Transmission betriebene Drechselbank.
Foto: Hannelore Grimm | Die Werkstatt in Bieberehren sieht noch immer so aus, wie sie Wagnermeister Josef Bergold vor Jahren verlassen hat. Im Vordergrund die mit Transmission betriebene Drechselbank.

Getrieben wurden die Maschinen - auch das damals eine bewährte Technik - durch Transmission. Der Motor liegt unter den Bodenbrettern. Von dort wurde die Kraft über ein System aus Wellen und Riemen auf die jeweiligen Maschinen übertragen. Gegenwärtig sind Thomas Kreißelmeyer und Helmut Wülf damit beschäftigt, das Antriebssystem auszubauen und für den Umzug vorzubereiten. Die Mitarbeiter des Freilandmuseums sind auch dabei, die die unzähligen kleineren Gerätschaften und Werkzeuge einzupacken, bevor die gewichtigen Maschinen abtransportiert werden können.

Früher wurden noch Leiterwägen und Holzräder gebaut.

Für Josef Bergold begann das Berufsleben mit der Wagnerlehre, die er bei seinem Vater absolviert hat. Nach der Unterbrechung, bedingt durch Kriegsdienst und Gefangenschaft, kehrte er 1947 zurück in seine Werkstatt. Gemeinsam mit dem Vater fertigte er landwirtschaftliche Gerätschaften. Vor allem Leiterwägen, hölzerne Räder und Rechen sowie Stalltüren und Hoftore wurden hier gebaut und auch repariert. 

Nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1949 werkelte Josef Bergold alleine weiter und bewirtschaftete daneben die kleine Landwirtschaft. Wie zuvor schon sein Vater erwarb auch Josef Bergold den Meisterbrief. Aus der Ehe mit seiner Frau, die 2011 starb, gingen fünf Kinder hervor. 

Die  Mitarbeiter des Freilandmuseums, Helmut Wülf (links) und Thomas Kreißelmeyer, holen die unter den Bodenbrettern verlegten Riemen
ans Tageslicht, mit dem die Maschinen angetrieben wurden.
Foto: Hannelore Grimm | Die Mitarbeiter des Freilandmuseums, Helmut Wülf (links) und Thomas Kreißelmeyer, holen die unter den Bodenbrettern verlegten Riemen ans Tageslicht, mit dem die Maschinen angetrieben wurden.

Bis ins hohe Alter hing Josef Bergold mit ganzem Herzen an seinem selten beinahe ausgestorbenen Beruf und hütete die Werkstatt, die ihm Vater und Großvater hinterlassen hatten, nicht nur, sondern hielt sie auch am Leben. Noch als 93-Jähriger fertigte er Stiele für Schaufeln und Hacken oder reparierte schadhafte Utensilien der Bieberehrener. Dann zwang ihn ein Schlaganfall dazu, die Werkzeuge endgültig aus der Hand zu legen. 

Der über 100 Jahre alte Werkstattofen geht mit ins Museum.

Neben den Unmengen von Gerätschaften, Werkzeugen, Schablonen und anderen Hilfsmitteln wird auch der Ofen, mit dem die Werkstatt über ein Jahrhundert lang beheizt wurde, Einzug im Freilandmuseum Bad Windsheim halten, ebenso wie die über 100 Jahre lang akribisch geführten Werkstattbücher und der Meisterbrief von Martin Bergold aus dem Jahre 1912.

Christine Schindler mit dem Meisterbrief ihres Großvaters Martin Bergold von 1912, der ebenfalls im Freilandmuseum ausgestellt werden wird.
Foto: Hannelore Grimm | Christine Schindler mit dem Meisterbrief ihres Großvaters Martin Bergold von 1912, der ebenfalls im Freilandmuseum ausgestellt werden wird.

Für Josef Bergolds Tochter Christine Schindler, die ihren Vater bis zum Tod gepflegt hat und sich nun um seinen Nachlass kümmert, wäre es unvorstellbar gewesen, die Werkstatt und die vielen Erinnerungsstücke "einfach zu entsorgen", wie sie sagt. Darüber sei sie sich auch mit ihren vier Geschwistern einig. 

Das Freilandmuseum zeigt sofort Interesse an der Wagner-Werkstatt.

Um die Werkstatt zu erhalten, war sie deshalb vor einigen Monaten auf die Idee gekommen, beim Fränkischen Freilandmuseum in Bad Windsheim anzufragen – und stieß dort umgehend auf Interesse. Zunächst kamen Museumsmitarbeiter nach Bieberehren, um von Christine Schindler und einigen Nachbarn Näheres, über die Werkstatt und ihre Geschichte zu erfahren.

Nachdem die Museumsleitung zunächst in Betracht gezogen hatte, die Werkstatt einzulagern, teilte ihr stellvertretender Museumsleiter Markus Rodenberg kürzlich, dass es inzwischen fest eingeplant sei, die Wagnerei wieder aufzubauen und dem Publikum zugänglich zu machen.

Seine Werkzeuge hat Wagnermeister Josef Bergold gut gehütet
Foto: Hannelore Grimm | Seine Werkzeuge hat Wagnermeister Josef Bergold gut gehütet

Vor einigen Tagen wurde die gesamte Werkstatt in einem Film festgehalten, um die später möglichst originalgetreu wieder aufbauen zu können. Auch die elektrisch betriebenen Maschinen wurden geprüft und funktionierten tadellos. Stück für Stück werden sie nun die Werkstatt verlassen und nach Bad Windsheim umziehen.

Die alten Maschinen sind noch voll funktionstüchtig.

Wie stellvertretender Museumsleiter Markus Rodenberg gegenüber der Redaktion berichtet, soll dort in drei bis vier Jahren eine große Scheune aus Reuth am Wald, einem Dorf im mittelfränkischen Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen, wieder aufgebaut werden. Die Dauerausstellung in dem Gebäude werde sich dem ländlichen Transportwesen widmen. Josef Bergolds Wagnerwerkstatt wird Teil dieser Ausstellung sein. 

Die Hobelmaschine, die Thomas Kreißelmeyer prüft, ist 100 Jahre alt und noch immer voll  funktionstüchtig.
Foto: Hannelore Grimm | Die Hobelmaschine, die Thomas Kreißelmeyer prüft, ist 100 Jahre alt und noch immer voll funktionstüchtig.
 
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