„Das hier“, sagt Jürgen Dornberger und es klingt fast ein wenig stolz, „das hier ist unser ältestes Ausstellungsstück, eine original Würzburger Pechleuchte.“ Er steht im Eingangsbereich des Betriebsmuseums der Würzburger Versorgungs- und Verkehrsbetriebe GmbH (WVV) im Alten Gaswerk hinter dem Bahnhof. Dort sind auf mehreren Stockwerken unzählige Schätze zusammengetragen, die aus der Versorgungsgeschichte Würzburgs stammen. Relikte, die Mitarbeiter der WVV oder auch viele Privatleute vor dem sicheren Ende auf der Müllkippe retteten. Relikte wie diese Pechleuchte.
„In Würzburg gibt es an den Häusern keine Pechleuchten mehr – dafür besitzt die Würzburger Straßenbeleuchtung aber etwas anderes, das an die Beleuchtungsgeschichte erinnert: die Gaslaternen an der Residenz.“ Doch bevor Jürgen Dornberger sich der spannenden Geschichte der Gaslaternen widmet, will er erst noch ein paar Sätze zu der Pechleuchte verlieren. „Sie ist aus dem Jahr 1650, aber vermutlich gab es auch schon früher solche Exemplare in Würzburg, ab 1600 wahrscheinlich“, sagt er.
Vor den Gaslaternen sorgten Pechleuchten in Würzburg für Licht
Die Bedienung war ganz einfach: Die Pechleuchten konnten mit einem Scharnier wie Fensterläden zum Haus hin eingeklappt und so aus bequemer Entfernung neu befüllt werden. Für strahlende Helligkeit in den Straßen sorgte das allerdings nicht: Für die Mitte des 19. Jahrhunderts zeichnet Werner Dettelbacher, Autor zahlreicher bedeutender Bücher zu Würzburgs Geschichte, folgendes Bild: „Noch stieß man im Dunkel mit Betrunkenen zusammen, büßte in einer stillen Ecke seinen Geldbeutel ein, bekam nicht selten den Inhalt eines Nachttopfs über den Hut gegossen, denn wo das ‚Auge des Gesetzes’ nichts sehen konnte, da vermochte es auch nicht zu wachen.“
„Doch 1855 konnten die Kilianibesucher dann endlich sicher nach Hause gehen“, sagt Dornberger schmunzelnd. „In diesem Jahr bekam die Stadt nämlich eine eigene Gasversorgung.“ Und ihr auf dem Fuße folgten die Gaslaternen. Dabei war es dem Würzburger Johann Georg Pickel doch schon anno 1784 gelungen, aus Tierknochen Gas zu gewinnen. Die Würzburger beäugten sein Tun damals aber nicht ohne Misstrauen. Werner Dettelbacher schreibt dazu: „Nachdem er wegen seiner Experimente mit Explosivstoffen, Feuerwerkskörpern, der Entwicklung eines elektrischen Feuerzeuges u.a. aus der Juliusspital-Apotheke hatte ausziehen müssen, wurde ihm weit vor der Stadt in den Weingärten ein eigenes Laborgebäude errichtet.“
Ein Augsburger Ingenieur erhielt den Auftrag für Würzburgs Beleuchtung
Und eben „dort gelang es ihm, mit Knochengas den Hauptraum stundenweise zu erhellen. Eine größere Produktion, gar die Versorgung einer Leitung war mit seinen Mitteln nicht möglich, lag auch gar nicht in seinem Forschungsbereich.“ Dass die Kilianibesucher 1855 im Hellen nach Hause gehen konnten, bedurfte aber umfangreicher Vorbereitungen: Schon im September 1849 inserierte die Stadtverwaltung in drei überregionalen Zeitungen, dass die „Konzession über Würzburgs Beleuchtung“ ausgeschrieben werde und bat „höflichst“ um Angebote. Doch nur einer fühlte sich ernsthaft berufen – der war jedoch zu teuer, das Projekt wurde vertagt. Aber dann kam das Jahr 1853 und mit ihm der Augsburger Ingenieur Ludwig August Riedinger, der dem „Ehrsamen Rath“ Zeichnungen nebst Kostenvoranschlag und Plänen zukommen ließ. Riedinger gelang es, die Würzburger zu überzeugen: Am 11. April wurde der Vertrag unterschrieben.
Und an Kiliani war es dann endlich so weit. „Zu diesem Fest des Bistumspatrons strömten Tausende von Kirchenbesuchern aus den Dekanaten des Bistums herbei […], als bei Eintritt der Dunkelheit sämtliche 616 Straßen- und 150 Hauslaternen entzündet wurden, konnte die Presse von ‚feenhafter Beleuchtung‘ sprechen (...)“, schreibt Dettelbacher und fährt fort: „Städter wie Landbevölkerung waren des Staunens voll. Sie versprachen sich mehr Sicherheit auf den Straßen, denn die Zahl der Laternen war jetzt viermal so hoch wie zuvor, dazu die Ausstrahlung kräftiger und gleichmäßiger. Gasthausbesuch und Vereinsleben bekamen neue Impulse, da sich ängstlichere Gemüter nun auch abends vor die Haustüre wagten. Wohlgemerkt nur Männer und Jünglinge, denn alleine ausgehen durfte keine Frau, Hebammen und ‚Solchene‘ ausgenommen.“
Halbwüchsige warfen mit Steinen in die Lampenschirme
Und es gab durchaus auch Menschen, die argwöhnten, eine Straßenbeleuchtung werde das „Gesindel“ eher noch dazu einladen, sich draußen herumzutreiben: „Da gibt es aus Köln eine ganz interessante Zeitungsnachricht, in der gegen die neue Gasstraßenbeleuchtung gewettert wird, das bringe dunkles Gesindel auf die Straße“, erzählt Archivbetreuer Dornberger schmunzelnd. Und auch Lausbuben brachten die neuen Laternen auf dumme Gedanken: „Es wurde schnell zum Sport unter Halbwüchsigen, die gläsernen Lampenschirme mit einem Stein zu treffen.“
Aus anderen Städten, zum Beispiel Heidelberg, ist auch bekannt, dass Studenten mit Feuereifer übten, nicht nur die Lampenschirme zu treffen, sondern die Gasflammen durch Tritte gegen den Mast zum Erlöschen zu bringen – was den Delinquenten dann gleich ein paar Tage Karzer einbrachte. Um solcherlei Scherzen entgegenzutreten, erließ der Würzburger Magistrat am 9. November 1855 eine Verordnung „zum Schutze der Gasbeleuchtung“, in der er für jeden „eingelieferten Übeltäter“ 25 Gulden Belohnung versprach. „Wie viel Erfolg diese Verordnung brachte, ist allerdings nicht bekannt“, sagt Jürgen Dornberger. Dafür hat er im WVV-Archiv noch einen alten Laternenkalender, in dem genau geregelt war, wie lange nach Anbruch der Dunkelheit die Lampen brennen sollten.
Die Elektrifizierung machte dieser Form der Beleuchtung dann große Konkurrenz, heute sind in Würzburg nur noch rund 80 von einst 800 Gaslampen erhalten. Diese werden allerdings aus wirtschaftlichen Gründen Zug um Zug durch Stromleuchten ersetzt. 16 Gaslampen hängen an der Residenz und werden dort auch in Zukunft mit ihrem warmen Licht deren Besuchern den Weg nach Hause leuchten.
Text: Eva-Maria Bast
Der Text stammt aus dem Buch „Würzburger Geheimnisse - Band 2“ von Eva-Maria Bast, das in Kooperation mit der Main-Post entstand. Das Buch enthält 50 Geschichten zu historischen Geschehnissen und Orten. Präsentiert werden die Begebenheiten jeweils von Würzburger Bürgern.