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Würzburg/München
Aiwanger bleibt: So kommentieren Politikerinnen und Politiker aus Unterfranken die Entscheidung Söders
Erleichterung bei den Freien Wählern, Entsetzen bei der Opposition: Wie Spitzenpolitiker aus der Region die Entwicklung im Fall Aiwanger bewerten.
Hubert Aiwanger bleibt Vize-Ministerpräsident in Bayern. Das Bild entstand am vergangenen Montag auf der Michaelismesse in Miltenberg.
Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa | Hubert Aiwanger bleibt Vize-Ministerpräsident in Bayern. Das Bild entstand am vergangenen Montag auf der Michaelismesse in Miltenberg.
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 15.07.2024 16:00 Uhr

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat sich festgelegt: Hubert Aiwanger (Freie Wähler) bleibt bayerischer Wirtschaftsminister und stellvertretender Regierungschef. So bewerten Spitzenpolitikerinnen und -politiker in der Region die Entwicklung in der Affäre um das antisemitische Flugblatt, das vor 35 Jahren in Aiwangers Schultasche gefunden wurde.

Für Kultusstaatssekretärin Anna Stolz hat Söder die "einzige richtige Entscheidung" getroffen. Eine Entlassung des Wirtschaftsministers wäre "absolut unverhältnismäßig" gewesen, so die unterfränkische Bezirksvorsitzende der Freien Wähler (FW). Hubert Aiwanger habe die "menschenverachtende Hetzschrift" schließlich nicht verfasst und sich für "Fehler", die er als Jugendlicher begangen habe, entschuldigt.

Stolz, die Spitzenkandidatin der Freien Wähler für die Landtagswahl in Unterfranken, räumt ein, das Krisenmanagement Aiwangers sei nicht immer "ganz glücklich" gewesen. Aber es gehe eben an niemanden spurlos vorbei, wenn man "völlig zu Unrecht" als Antisemit beschimpft werde. Nun gelte es, die "gute Arbeit", die die CSU-Freie-Wähler-Koalition für Bayern geleistet habe, "mit voller Kraft" fortzusetzen.

"Markus Söder weiß, dass er sich auf die Freien Wähler verlassen kann", so kommentiert auch Thomas Zöller, die Nummer zwei der Freien Wähler auf der Unterfranken-Liste zur Landtagswahl die Entscheidung vom Sonntag. "Ich bin froh, dass es, wie gehabt, weitergeht", so der FW-Bezirksvize und Bürgermeister von Mönchberg (Lkr. Miltenberg).

Aiwanger habe sich zuletzt auch bei seinem Besuch auf der Michaelismesse in Miltenberg klar von dem antisemitischen Flugblatt distanziert. Was vor 35 Jahren "im Schutzraum Schule" passiert sei, sollte man einem Politiker heute verzeihen können. Dies sähen viele Wählerinnen und Wähler so, betont Zöller. Insofern rechne er auch mit einem guten Ergebnis für die Freien Wähler bei der Landtagswahl.

Tamara Bischof, der Spitzenkandidatin der Freien Wähler für die Bezirkstagswahl, reicht Aiwangers Erklärung, er habe diese menschenverachtende Hetzschrift nicht verfasst. Sie hoffe,  schreibt die Kitzingen-Landrätin in einer kurzen Stellungnahme, dass jetzt wieder über aktuelle politische und gesellschaftliche Herausforderungen und deren Lösung diskutiert und gerungen werden kann.

CSU-Bezirkschef Vogel: Söder hat vernünftig abgewogen

Steffen Vogel, der unterfränkische CSU-Bezirksvorsitzende, steht ebenfalls hinter seinem Parteichef. Markus Söder habe es sich mit seiner Entscheidung, Aiwanger im Amt zu belassen, nicht leicht gemacht, am Ende aber "vernünftig überlegt und abgewogen". Angesichts der Faktenlage wäre es "schädlich für Bayern" gewesen, den Freie-Wähler-Chef zu entlassen und damit die Zusammenarbeit mit seiner Partei aufzukündigen. Aiwangers Aussage, er habe das viel diskutierte Pamphlet vor 35 Jahren nicht selbst verfasst, sei nicht zu widerlegen. 

Landtagsabgeordneter Vogel ist sicher, "dass die Bürgerinnen und Bürger in Bayern die bürgerliche Regierung wollen". Jede Alternative würde Bayern "instabiler" machen. Außerdem habe Söder verhindern müssen, "dass sich Aiwanger zum Märtyrer stilisiert".  

Grünen-Abgeordnete Celina: Söder ging es allein um Machterhalt

Ganz anders die Bewertung der Opposition. Sie sei "entsetzt", sagt Kerstin Celina, die Spitzenkandidatin der unterfränkischen Grünen für die Landtagswahl. Söders Entscheidung zeige, "dass es ihm allein um den Machterhalt geht". Dass das "Ansehen Bayerns und Deutschlands" durch das Festhalten an Aiwanger beschädigt werde, nehme der Ministerpräsident in Kauf. Es wundere sie nicht, so Celina, "wenn die Menschen da politikverdrossen werden".

Die Grünen-Abgeordnete sagt, sie glaube Aiwanger weder die Version, dass sein Bruder das Flugblatt geschrieben hat, noch die Erinnerungslücken, die er bei weiteren Vorwürfen wie Judenwitzen und Hitlergruß geltend mache. Die "Jugendsünden von damals" seien das eine, der Umgang damit heute das andere, so Celina. Aiwangers Verhalten sei "reine Salamitaktik", er kommuniziere "nicht offen und ehrlich", sondern gebe lediglich das zu, was sich nicht mehr leugnen lasse. Celina: "Für einen Vize-Ministerpräsident ist das peinlich."

Ähnlich reagiert Volkmar Halbleib, der Spitzenkandidat der Unterfranken-SPD für die Landtagswahl. Er bedauere, "dass Söder keinen reinen Tisch gemacht und Aiwanger entlassen hat". Ganz offensichtlich befinde sich der Ministerpräsident in einer "Zwangslage", nachdem er sich frühzeitig auf eine Fortsetzung der Koalition mit den Freien Wählern festgelegt habe. Nun halte er "aus taktischen Gründen" an seinem Vize fest.

Halbleib betont, man müsse Aiwanger nicht unbedingt nachtragen, wie er sich als Schüler vor 35 Jahren verhalten habe. Erschreckend aber sei der Umgang heute mit den Geschehnissen von damals. Erst habe er gemauert, später nur zugegeben, was nicht mehr zu leugnen war. "Und die Entschuldigung kam auch viel zu spät." Statt reinen Tisch zu machen, habe sich Aiwanger "zum Opfer stilisiert", so Halbleib. "Das ist starker Tobak." Er rechne damit, so der SPD-Politiker, dass die Landtagsopposition bei der Sondersitzung am Donnerstag die Entlassung des stellvertretenden Ministerpräsidenten beantragen werde.   

 
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