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Höchberg
Abstraktes Gemälde behindert zwei Millionen Euro teure Schulsanierung - Wie die Gemeinde Höchberg jetzt damit umgeht
"Brutalst" schränke ein Wandgemälde die Sanierung der Höchberger Grundschule ein, sagt der Bürgermeister. Experten messen dem Werk hohe Bedeutung bei. Gibt es eine Lösung?
Die Höchberger Ernst-Keil-Grundschule wird saniert. Das Haupthaus soll zur Treppe erweitert werden, die Aula wird entlang des Haupthauses erweitert. Doch ein abstraktes Gemälde macht bislang Probleme.
Foto: Johannes Kiefer, Montage Jutta Glöckner | Die Höchberger Ernst-Keil-Grundschule wird saniert. Das Haupthaus soll zur Treppe erweitert werden, die Aula wird entlang des Haupthauses erweitert. Doch ein abstraktes Gemälde macht bislang Probleme.
Aaron Niemeyer
 |  aktualisiert: 12.09.2024 02:34 Uhr

Ein neues Gesetz stellt Schulen in der Region Würzburg bald vor eine Herausforderung: Ab 2026 haben Grundschulkinder einen Anspruch auf Ganztagsbetreuung. Die Gemeinde Höchberg bereitet sich darauf mit einer aufwändigen Sanierung der Ernst-Keil-Grundschule vor. Doch im Gemeinderat gibt es Widerstand - wegen eines abstrakten Wandgemäldes.

Rund 340 Schülerinnen und Schüler besuchen aktuell die Höchberger Grundschule. 139 von ihnen sind ab September in Mittagsbetreuung. "Der Bedarf ist aber bereits jetzt – ohne gesetzlichen Anspruch – deutlich höher", erläutert Bürgermeister Alexander Knahn im Gespräch. Die Bedarfsplanung habe ergeben, dass mit dem gesetzlichen Anspruch rund 330 Betreuungsplätze benötigt werden.

Mit dem Ganztagsförderungsgesetz soll nach Angaben der Bundesregierung eine Betreuungslücke geschlossen werden. Ab August 2026 sollen alle Grundschulkinder der ersten Klassen einen Anspruch auf ganztägige Förderung erhalten. In den Folgejahren wird der Anspruch ausgeweitet. Im Januar hatte der Höchberger Gemeinderat entschieden, dem in Form einer Mittagsbetreuung nachzukommen. Doch in ihrer jetzigen Form stößt die Grundschule dabei an ihre Grenzen.

Höchberger Gemeinderat: "Das Bild ist einzigartig für Unterfranken."

"Aktuell weichen wir aus", sagt Bürgermeister Knahn. Die Gemeinde habe Räumlichkeiten im anliegenden Pfarrheim gemietet, zukunftsträchtig sei das nicht. Daher werde die Grundschule nun erweitert. Mehrere Varianten hatte das Architekturbüro Dold + Versbach in einer Machbarkeitsstudie dafür entworfen. Im Juli entschied sich der Gemeinderat mit überwiegender Mehrheit für eine aufwändige Variante: Die Aula und das Hauptgebäude werden ausgebaut - Kosten: 2.282.400 Euro.

Das Wandgemälde 'Fröhliche Bewegung' des Würzburger Künstlers Dieter Stein ist der Erweiterung der Höchberger Grundschule im Weg. Nun soll es möglicherweise versetzt werden.
Foto: Johannes Kiefer | Das Wandgemälde "Fröhliche Bewegung" des Würzburger Künstlers Dieter Stein ist der Erweiterung der Höchberger Grundschule im Weg. Nun soll es möglicherweise versetzt werden.

Doch dagegen gibt es Widerstand, denn ein historisches Kunstwerk, das an einer Innenwand der bestehenden Aula angebracht ist, ist der Erweiterung im Weg: Es handelt sich um das Bild "Fröhliche Bewegung" von Dieter Stein – abstrakter Maler und Kulturpreisträger des Bezirks Unterfranken und der Stadt Würzburg. Er brachte das Bild 1957 im Auftrag des damaligen Gemeinderats in der Schule an.

"Das Bild ist einzigartig für Unterfranken und darüber hinaus. Der Gedanke, dass es zerstört werden könnte, tut mir furchtbar weh", sagt Gemeinderatsmitglied Walter Feineis (fraktionslos) im Gespräch mit der Redaktion. Der gelernte Schriftsetzer und langjährige Lehrer hat als einer von zwei Gemeinderäten gegen die Pläne der Gemeinde Höchberg gestimmt. Er sagt: "Der Rettung des Bildes müsste höchste Priorität eingeräumt werden."

Höchberger Bürgermeister: Bild schränkt Planung "brutalst" ein

Mit dieser Auffassung ist Feineis nicht alleine. Im Jahr 2011 schrieb Carola Schneider, ehemalige stellvertretende Leiterin des Museums im Würzburger Kulturspeicher: "Aufgrund seiner hohen Qualität und herausragenden Stellung (...) ist das Wandbild von Dieter Stein von großer Bedeutung, zumal es als einziges von ihm erhaltenes Werk im öffentlichen Raum gilt."

Der Höchberger Gemeinderat Walter Feineis will das Gemälde in der Grundschule unbedingt erhalten.
Foto: Aaron Niemeyer | Der Höchberger Gemeinderat Walter Feineis will das Gemälde in der Grundschule unbedingt erhalten.

Und auch Suse Schmuck, Würzburger Kunst- und Architekturhistorikerin und ehemalige Dozentin an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt schreibt in einer Mitteilung an die Redaktion von einem "einzigartigen Kunstwerk der Wiederaufbauzeit".

Bei Schmuck hatte der studierte Architekt Knahn seinerzeit Kunstgeschichte gelernt. Er wolle sich nicht anmaßen, den Wert des Bildes zu beurteilen, sagte er im Höchberger Gemeinderat. Er hielt jedoch auch fest: "Das Bild schränkt uns und die Entwicklung unserer Schule brutalst ein."

Diese Lösung könnte für das Höchberger Wandgemälde funktionieren

Eine Lösung scheint nun jedoch gefunden: Das Bild könne versetzt werden, sagte Knahn wenig später im Gespräch mit der Redaktion. Und auf Anfrage übermittelte die Gemeinde Höchberg kürzlich einen präzisierten Planungsentwurf. Dem ist zu entnehmen, dass das Bild an die Wand zwischen Schule und Aula versetzt werden könne. "Wenn sich das Bild unbeschadet herausschneiden ließe, könnte ich notfalls damit leben", sagt dazu Gemeinderat Feineis. Kann der Umbau nun also beginnen?

Nein, sagt Bürgermeister Knahn. "Es gibt von der Regierung keinen Planungsleitfaden für die Sanierung." Um zu erfahren, inwiefern der Freistaat die Sanierung fördert, habe die Gemeinde den Entwurf vorgelegt. Eine Antwort habe die Gemeinde bisher nicht erhalten, es fehle jetzt an Planungssicherheit.

Grundlage für eine Förderung sei die Bayerische Schulbauverordnung, teilt die Regierung auf Anfrage der Redaktion mit. "Die Flächen müssen notwendig sein für einen ordnungsgemäßen Schulbetrieb." Der Antrag aus Höchberg sei Ende Juli "durch die Ganztagskoordinatorin geprüft" worden. Daraufhin habe man die Gemeinde um Übersendung weiterer Unterlagen gebeten. Inwiefern dies erfolgt sei, könne aktuell aufgrund der Urlaubszeit nicht mitgeteilt werden.

 
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  • Harald Bach
    Natürlich ist so ein Gemälde viel wichtiger als der gewonnene Raum für die Schüler .
    Einer der Gründe, warum in diesem Land Stillstand und Rückschritt herrschen.
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  • Frank Stößel
    Hoffentlich wird der pädagogisch und gesellschaftlich sinnvolle Anbau zu Ganztagesbetreuung der Grundschulkinder wegen des Kunstwerkes in der Aula nicht unnötig lange blockiert. Das hatten wir schon seit bald 50 Jahren mit der Schaffung der ersten Ganztagsschule Bayerns auf dem Heuchelhof aus ideologischen Gründen. Dem Heiligen St. Bürokratius sollten ordentlich die Sporen gegeben werden. Erster Schritt Genehmigung und Förderung zur Integrierung des Wandgemäldes durch das Landesamt für Denkmalschutz und den Freistaat. Es ist der Gemeinde Höchberg nicht alleine zuzumuten, eine gesetzlich vorgegebenen Pflichtaufgabe mit einem derartigen Erschwernis zu bewältigen. Gut, wenn Pädagoge Feineis und seine Unterstützer der Umsetzung zustimmen. Was ist nun wichtiger, das Wandgemälde oder die Ganztagsbetreuung der Grundschulkinder? Die Antwort : Bild in die Schule oder in ein Museum integrieren. Das Freilandmuseum Bad Windsheim könnte sagen, wie das geht.
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  • Bernhard Mott
    Wir finden in Deutschland inzwischen 1.000 Gründe warum eine Baumaßnahme nicht geht, aber kaum Gründe, warum wir es tun sollten. So wird das nichts mit der Zukunft.

    Bei der Sanierung unseres Pfarrheims war übrigens das gleiche Thema. Wir hatten damals das außen angebrachte Gemälde wegen einer Wärmedämmung abgepaust und in den Saal neu erstrahlen lassen. Seitdem wird es von viel mehr Menschen wahrgenommen.
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  • Walter Vonhof
    "Deutschland" scheitert beim Bauen doch eher daran, dass "der Deutsche" machen möchte, was er will, ohne vorher nach rechts und links zu gucken und ohne Rücksicht auf andere Belange. Man kann es ja mal versuchen, und wenn man Glück hat, kommt man durch. Wenn nicht, ist das Erstaunen groß, und es wird laut gejammert. Besser wäre doch, Konfliktpotential im Vorfeld zu erkennen, dann täte man sich mit Lösungen einfacher.
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