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Würzburg
90. Geburtstag: Ein Architekt der zerstörten Stadt
Es leben nur noch wenige Menschen, die von sich sagen können, sie hätten die Stadt nach dem Krieg wieder aufgebaut. Wilhelm Eckstein ist einer von ihnen.
An diesem Donnerstag, 13. Juni, feiert der Würzburger Architekt Wilhelm Eckstein seinen 90. Geburtstag. Er kam nach dem Studium in Nürnberg  1952 nach Würzburg und hat viel zum heutigen Stadtbild beigetragen.
Foto: Thomas Obermeier | An diesem Donnerstag, 13. Juni, feiert der Würzburger Architekt Wilhelm Eckstein seinen 90. Geburtstag. Er kam nach dem Studium in Nürnberg 1952 nach Würzburg und hat viel zum heutigen Stadtbild beigetragen.
Jörg Rieger
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:48 Uhr

Die Menschen, die Würzburg nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut haben, sind altersbedingt rar geworden. Wilhelm Eckstein hat den Gewerbe- und Wohnungsbau in der Stadt ab 1953 mitgeprägt. An diesem Donnerstag feiert der Architekt über den Dächern Würzburgs seinen 90. Geburtstag. Eckstein erinnert sich noch an unglaublich viele Details seines Wirkens – so als hätte er noch gestern daran gezeichnet.

„Die Weinhänge und die Burg – das hat mich an meine Heimat erinnert.“
Wilhelm Eckstein - Architekt

Er wuchs in Pressburg – der deutschen Bezeichnung von Bratislava – auf. Um der Zwangsarbeit nach dem Krieg zu entgehen, floh er in die Oberpfalz. Dort erlernte er weit oben im bewaldeten Steinwald den Beruf des Zimmerers. „Meine Spezialität war das Ausbeilen von Gehölzen“, sagt Eckstein heute. Eine Technik, die schon damals kaum noch jemand beherrschte.

Unter anderem entwarf er den frühen Neubert und das Gebäude des Renault-Autohauses von Margot Müller.
Foto: Thomas Obermeier | Unter anderem entwarf er den frühen Neubert und das Gebäude des Renault-Autohauses von Margot Müller.

Nach der Gesellenprüfung ging es zum Architekturstudium nach Nürnberg. Auch seine spätere Frau Marianne lernte er in dieser Zeit kennen. Warum er sich schließlich als Sudentendeutscher in Würzburg niedergelassen hat? „Die Weinhänge und die Burg – das hat mich an meine Heimat erinnert“, so der mittlerweile diplomierte Ingenieur. Eckstein heuerte bei der Baufirma Hauck & Gärtner an – und war sogleich an der Planung der Zellerauer Adalbert-Stifter-Schule beteiligt. Schon bald machte er mit einem Freund gemeinsame Sache. „Er kümmerte sich um die Gastwirtschaften und ich widmete mich dem Rest“, berichtet Eckstein.

Die Straßen und Gebäude in der Stadt lagen früher viel tiefer

Vor allem in der Innenstadt entstanden viele Wohn- und Geschäftshäuser. Der Architekt berichtet von einem Baggerfahrer der im zerstörten Neckermann-Gebäude am Sternplatz in einen Gewölbekeller einbrach. „Ihm passierte nichts. Er war in der ganzen Stadt als Fidel Castro bekannt, weil er ihm ähnelte“, erzählt der dreifache Vater. In der Sanderstraße, dort wo heute die Studentenkneipe Muck zu finden ist, stießen seine Bauleute sogar auf einen Brunnen. „Die Straßen und Gebäude in der Stadt lagen früher viel tiefer“, weiß Eckstein, der später dem Vater aller Discounter, Karl Albrecht, den Weg nach Würzburg geebnet hat. „Er kaufte ein Gebäude in der Eichhornstraße. Unten war eine Werkstatt und oben ein kleines Parkhaus“, berichtet der Jubilar. Dort entstand der erste Aldi der Stadt, der bis heute existiert.

Manchmal entwickelten sich zwischen dem Architekten und seinen Bauherren auch Freundschaften.
Foto: Thomas Obermeier | Manchmal entwickelten sich zwischen dem Architekten und seinen Bauherren auch Freundschaften.

Der Widerstand gegen den ersten Aldi-Laden sei groß gewesen, allen voran von Seiten der Familie Kupsch. „Die Stadt verlangte schließlich für den Wegfall der Parkplätze 90 000 DM – eine damals horrende Summe, von der man glaubte, dass sie Albrecht nicht aufbringen würde.“ Man sollte sich täuschen. „Am nächsten Tag kam Karl Albrecht mit einem Geldkoffer nach Würzburg und übergab ihn den verblüfften Beamten.“ Überhaupt sei Albrecht damals oft auf den Baustellen anzutreffen gewesen, so Eckstein: „Man konnte ihn fast nicht von einem normalen Arbeiter unterscheiden.“

Entwürfe für Neubert und Renault Müller

Zwei weitere erfolgreiche Geschäftsleute vertrauten ihre Gebäude ebenfalls Eckstein an: Hermann Neubert und Margot Müller. Der Architekt entwarf Anfang der 70er Jahre das Heidingsfelder Möbelhaus mit der weißen Fassade, das seinerzeit von der Fachpresse als schönstes seiner Art gefeiert worden ist. „Das war für mich in der Folge eine Dauerbaustelle, weil sich der Neubert ständig weiterentwickelte.“ Das Besondere am Renault Müller sei gewesen, weiß der Alpenliebhaber, dass beide Gebäude in der Münzstraße mit einem Tunnel verbunden seien.

Zu seinen Bauherren entwickelte er nicht selten eine freundschaftliche Beziehung

Was Eckstein auszeichnete, waren seine Akribie und Verlässlichkeit, sagt er; zu seinen Bauherren entwickelte er nicht selten eine freundschaftliche Beziehung. Neubert war am Dallenberg auch sein Nachbar. „Ihm baute ich in den Garten einen Atomschutzbunker, der schnell als Weinkeller umfunktioniert worden ist“, erinnert sich Eckstein.

Er selbst entwarf sich in sein Flachdachhaus – seine Art des Bauens, die heutzutage wieder en vogue ist – ein originales Tiroler Stüble. „Die Dielen sind vom Schloss Burgberg. Da haben Adelige drauf geschlafen“, sagt Eckstein noch heute stolz. Manchmal ging sein Blick auch über die Dächer Würzburgs hinaus. Am Donnerstag feiert er im Café Perspektive am Waldfriedhof seinen 90. Geburtstag.

 
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