Der doppelte Spatenstich war symbolisch, die Bauarbeiten sind ganz real: Am Hubland-Campus der Universität Würzburg entstehen für rund 70 Millionen Euro zwei hochmoderne Gebäude – zum einen für Chemie und Pharmazie, zum anderen für das zukunftsträchtige Forschungsfeld der Polymere. Sie sind der Oberbegriff für eine ganze Klasse an Materialien.
Während im Alltag künstliche Polymere als Kunststoffe oder Plastik bekannt sind, zielt das neue "Center of Polymers for Life" (Zentrum Polymere für das Leben) auf die Bio-Fabrikation. Materialien und Zellen sollen so kombiniert werden, dass daraus funktionierende menschliche Gewebe entstehen. Und irgendwann vielleicht Organe aus dem 3D-Drucker?
"Das klingt wie Science Fiction", sagte Bayerns Digitalministerin Judith Gerlach (CSU) beim offiziellen Start in Vertretung von Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU). Doch mit dem Neubau werde die Polymerforschung in Würzburg auf ein neues Level gehoben und der Hightech-Standort Bayern insgesamt gestärkt.
Rund 25,5 Millionen Euro soll der viergeschossige Bau im Anschluss an die Chemie kosten, der Bund übernimmt knapp die Hälfte davon, das Gros der Freistaat. Die Fertigstellung ist bis Ende 2024 geplant. Prof. Jürgen Groll, Sprecher des Zentrums und Geschäftsführer des neu gegründeten Instituts für Funktionsmaterialien und Biofabrikation, machte die Alleinstellung deutlich: An der Uni Würzburg habe man europaweit den ersten Studiengang für Biofabrikation und auch die erste Professur dafür eingerichtet.
Vieles stecke noch in den Kinderschuhen. Um voranzukommen, müssten die Fächergrenzen fallen. Und so arbeiten in dem Forschungsbau künftig Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedensten Disziplinen wie Chemie, Medizin, Biologie, Materialwissenschaft oder Informatik zusammen. Architektonisch verbindet eine durchgängige "Wissenstreppe" alle vier Geschosse. Die Forscherinnen und Forscher sollen im engen Austausch vorankommen.
Wichtiger Schritt für Ringsanierung der Chemie
Keine 50 Meter von dem Baufeld entfernt wird schon fleißig gehämmert und betoniert, auch wenn erst jetzt – im Beisein mehrerer Landtagsabgeordneter und Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt (CDU) – der offizielle "Spatenstich" für das neue Praktikumsgebäude erfolgte: Es gehört zur Fakultät für Chemie und Pharmazie und ist der Auftakt für die notwendige Sanierung beziehungsweise den Neubau des benachbarten Chemie-Zentralbaus. Er stammt aus den 70er Jahren und "ist das Herz der Fakultät", so Prodekan Prof. Maik Finze.
Fast 44 Millionen Euro sind allein für den Praktikumsbau veranschlagt. Er entsteht an der Stelle der früheren Anorganischen Chemie – sie hat bereits einen Neubau bezogen – und soll auch als Ausweichquartier dienen, wenn später der Zentralbau saniert wird. Auf 2800 Quadratmetern entstehen über drei Etagen sowie ein Unter- und ein Dachgeschoss Laborflächen für bis zu 500 Studierende nahezu aller naturwissenschaftlicher Fächer, die dort ihre Praktika absolvieren.
Uni-Präsident Paul Pauli zeigte sich dankbar für die Investitionen des Freistaats. Die Chemie an der Julius-Maximilians-Universität stehe in der Forschung weltweit sehr gut da, im aktuellen Nature-Index-Ranking belegt sie Platz 84, deutschlandweit Platz sechs. "Die Neubauten tragen dieser Position Rechnung."