Es ist ein schmaler Weg, der den lang gezogenen Garten in zwei Hälften teilt. Links und rechts Rasenfläche, ein Rosengarten, ein kleiner Pool. Rundherum ein Zaun. Wenn alles fertig aufgebaut ist, wird es hier ganz anders aussehen. Dann leuchten rund 50 500 Lampen aus jeder Gartenecke, der Rosengarten wird zur "Rentierlandschaft" und etwa 220 Weihnachts- und Schneemänner werden mit 48 Airblow-Figuren um die Wette weihnachten. Doch noch ist es nicht so weit.
Ein Christbaum in jedem Kinderzimmer
Seit nunmehr sieben Jahren zaubert das Ehepaar Erdle zur Adventszeit aus ihrem eigenen Haus und Garten in Veitshöchheim (Lkr. Würzburg) ein wahres Weihnachtswunderland, ganz im amerikanischen Stil. Immer ab dem ersten Advent öffnen sie seither ihr Gartentor, um neugierige Besucher zu empfangen. Die Leidenschaft für "alles was mit Weihnachten zu tun hat" begleitet die Familie schon lange.
Alles begann am 25. Dezember vor 27 Jahren, als der erste gemeinsame Sohn zur Welt kam. "Man wollte es für die eigene Familie gemütlich haben", erinnert sich Angelika Erdle. Später dann hatte jedes der nunmehr drei Kinder einen eigenen Christbaum im Zimmer. Über die Jahre sei die Sammelfreude für Weihnachtsdekoration einfach "explodiert". Erst im Haus, dann auch rund herum.
"Mein Mann ist schon wieder im Garten", lacht Angelika Erdle. Auch an diesem Tag ist Matthias Erdle um 16 Uhr von der Arbeit gekommen, hat noch schnell gegessen und dann zum Akkuschrauber gegriffen. Seit Mitte September sieht so der Alltag im Hause Erdle aus – jede freie Minute wird in den Aufbau ihres "Weihnachtshauses" gesteckt. Drei Monate braucht es dafür.
Jedes von 5000 Plätzchen wird einzeln gezählt
Zwar gebe es im Vorfeld keinen Aufbauplan, aber einige Regeln müssen beachtet werden, damit später alles leuchtet: "Wir fangen immer mit den Lichterketten am Zaun an. Dann werden die Airblow-Figuren aufgestellt – die sind 2,40 Meter hoch und müssen ganz hinten stehen. Und dann kommen in die vorderen Reihen die etwas kleineren Hartplastik-Figuren", erklärt Angelika Erdle. Pfosten und Lichterketten entlang des Gartenweges halten die Besucher aus dem Figuren-Kabel-Labyrinth fern, damit sich niemand verletzt.
"Matthias behält beim gesamten Aufbau immer den Überblick ", lobt Angelika Erdle ihren Mann. Nach Feierabend und am Wochenende schraubt, verräumt und steckt der gelernte Schlosser stundenlang. Währenddessen backt Angelika Erdle meist Plätzchen, manchmal mit der Hilfe ihrer Mutter und Tochter. Am zweiten Novemberwochenende lagerten schon 3348 Plätzchen in den Keksdosen, jedes einzelne wird gezählt. Mindestens 5000 Plätzchen sollen es werden, damit es für die 300 bis 500 Besucher jedes Wochenende reicht. Denn zum Rundgang durch den Weihnachtsgarten gibt es Glühwein und Kekse auf die Hand. Alles kostenlos. "Wir machen das nicht, um hier eine Geldquelle aufzumachen", betont Angelika Erdle. Eine Spendenbox werde aufgestellt, um die Kosten für kiloweise Butter und Mehl oder die rund 600 Euro plus auf der Stromrechnung zu decken.
Kälte, Klimawandel und Kritik
Der größte Feind sei die Feuchtigkeit, erzählt Angelika Erdle. Immerhin liegt alle Elektronik wochenlang bei Nässe und Kälte im Freien. Drei Starkstromleitungen haben sich Erldes mittlerweile verlegen lassen, um die 33 Kilowatt an benötigter Stromleistung stemmen zu können. So viel Strom verbrauchen, je nach Modell, etwa 16 gleichzeitig laufende Waschmaschinen.
Beschweren sich die Leute nicht über Energieverschwendung, gerade in Zeiten des Klimawandels? Vor Jahren habe sich mal eine Frau am Eingangstor fürchterlich aufgeregt. Und letztes Jahr habe ein vierjähriges Kind dem Ehepaar Erdle ins Gesicht gesagt: "Das hier ist Energieverschwendung." Völlig verblüfft sei Angelika Erdle in diesem Moment gewesen, erzählt sie. So wirklich nachvollziehen kann sie die Aufregung auch nicht: Die Beleuchtung sei von der Anwohnerstraße aus nicht zu sehen. Man müsse dafür den nach hinten gelegenen Garten gezielt aufsuchen. "Das Weihnachtshaus ist unser Ding und das lassen wir uns auch nicht nehmen. Wir wollen in dieser Zeit, sechs Wochen im Jahr, einfach Freude verbreiten", so Angelika Erdle.
So sieht es auch Jürgen Götz, der Bürgermeister von Veitshöchheim. Er sei selbst schon mehrfach mit seinen Kindern im Weihnachtshaus zu Besuch gewesen und es sei immer wieder ein "Highlight", die Stimmung dort auf sich wirken zu lassen. Beschwerden von Anwohnern oder andere Probleme, wie beispielsweise mangelnde Parkplätze, seien ihm nicht bekannt. In der Adventszeit und an den Wochenenden kämen generell viele Besucher von auswärts - manche auch mit dem Wohnmobil. "Wir freuen uns über Gäste, die unsere Gemeinde besuchen", so Götz. Der Anlass der Besuche, ob nun wegen des Weihnachtsmarkts oder des Weihnachtshauses, sei nicht wichtig.
Jeden Abend im Advent und bis zum Dreikönigstag stehen die Erdles im Garten, um ihre Leidenschaft mit anderen Menschen zu teilen. Auch am 24. Dezember empfangen sie Gäste. Ein sechsjähriger Junge besuche seit seinem zweiten Lebensjahr zusammen mit seiner Großmutter immer an Heilig Abend das Weihnachtshaus. Erst, wenn das Christkind in der Krippe angeschaut worden sei, will der kleine Junge zuhause Bescherung feiern.
Die Höhepunkte in diesem Jahr
Diese Jahr gibt es mehrere neue Höhepunkte. So verwandelte sich beispielsweise eine kleine Gartenhütte in ein ein kuscheliges Kaminzimmer, echt amerikanisch-authentisch. Dort sollen sich die Besucher fotografieren können. Auch neun neue, lebensgroße Krippenfiguren werden aufgestellt, die Angelika Erdle ihrem Mann Matthias zum 24. Hochzeitstag in diesem Jahr geschenkt hat.
Und wenn im Sommer kein Weihnachtshaus ist?
"Wir lieben den Sommer draußen. Es ist die Erholung von der Winterzeit." Denn die sechs Wochen seien ein Ausnahmezustand, im besten Sinne. Tag für Tag neben dem regulären Job abends in der Kälte die Besucher zu empfangen, das koste Kraft. Und nach der Weihnachtszeit muss noch der Abbau bewältigt werden: Nach vier Wintermonaten im Freien muss jede Figur abgewaschen und einzeln verpackt werden. Die Weihnachtsdekorationen werden auf den Spitzboden gelagert. Dort werden die Kisten gestapelt und geschichtet wie bei einem Tetris-Spiel. Die riesigen Air-Blow-Figuren wanken erst noch wochenlang neben der Waschmaschine durch die Luft, weil sie nur im aufgeblasenen Zustand richtig trocknen. Man sei wirklich froh, bekennt Angelika Erdle, wenn der letzte Karton verstaut sei und ein paar Monate Ruhe einkehre, bevor alles von vorne losgehe.
Ob das Ehepaar sich manchmal sagt "dieses Jahr nicht"? Natürlich kommen einem auch solche Gedanken, so Angelika Erdle. Aber eigentlich nur dann, wenn gerade etwas schief gegangen sei oder man zum hundertsten Mal auf den Speicher steigen müsse. Tatsächlich haben die Erdles noch kein Jahr ausgesetzt. Vor wenigen Wochen hätten Angelika und Matthias Erdle zum ersten Mal in all den Jahren darüber gesprochen, wie lange es ihr Weihnachtshaus so noch geben werde. Der Vorsatz: Noch zehn Jahre.
Das Weihnachtshaus in Veitshöchheim ist vom 1. Dezembert bis zum 6. Januar für Besucher geöffnet. Montag bis Freitag: 17-19 Uhr; Samstag und Sonntag: 17-20 Uhr. Der Eintritt ist kostenlos. Der Eingang durch das Gartentor ist von der Bahnhofstraße in Veitshöchheim aus zu erreichen.