
Nach der vergangenen Silvesternacht mit Toten, Verletzten und zerstörten Wohnungen, reißt die Debatte über ein generelles Böllerverbot in Deutschland nicht ab. Die einen sind strikt dagegen und wollen sich die traditionelle Silvesterböllerei nicht verbieten lassen, die anderen wünschen sich einen ruhigen Jahreswechsel; etwa zwei Millionen Menschen haben bereits die aktuellen Böllerverbots-Petitionen von Polizeigewerkschaft und der Deutschen Umwelthilfe unterschrieben.
Auch in Theilheim (Landkreis Schweinfurt) blickte Alexandra Köth mit Sorge auf den Jahreswechsel. Der hatte sich nämlich in den letzten Jahren vor ihrer Tür zu einer wahren Straßenschlacht entwickelt, wie sie vor Silvester im Gespräch mit dieser Zeitung berichtete. Trotz unmittelbarer Nähe zu Kirche und brandempfindlichen Stallgebäuden wurde dort zunehmend heftiger geböllert.
Gigantische Böllerbatterien und Raketen wurden vor ihrem Anwesen gezündet und Kracher auf das Grundstück geschmissen - laut Sprengstoffverordnung ist das verboten. Doch bis jetzt hat sich daran keiner gestört; ihre Pferde allerdings und die der anderen Pferdebesitzer sind – trotz klassischer Musikbeschallung und Festbeleuchtung - jedes Jahr in Panik geraten.
Wenig ergebnisreichen Gesprächen mit der Verwaltung
Alexandra Köth war klar: Da muss sich etwas ändern, und so hat sie sich dann nach, wie sie selbst sagt, "wenig ergebnisreichen Gesprächen mit Bürgermeister Christian Zeißner und der Verwaltung", entschlossen, ihre Sorgen öffentlich zu machen. Neben Aufrufen in den Sozialen Medien und über das Gemeindeblatt hat sie sich an diese Redaktion gewandt, die Situation geschildert. Nach Erscheinen des Artikels erhielt sie viel Zuspruch - im persönlichen Gespräch, aber auch über die Online-Kommentarfunktion der Main-Post.
Das Gros der Kommentierenden sah es wie die Pferdehalterin, fühlte sich von der Böllerei rund um den Silvestertag genervt, plädierte für Vernunft und Rücksichtnahme und sprach sich wie auch Alexandra Köth für ein zentral organisiertes Feuerwerk aus. Aber auch von "Schönwetter-Tierschützern" und "protestantischen Gestalten" war in einem Kommentar die Rede, die anderen den krachenden "Spaß nicht gönnen". Eine Online-Umfrage zum Artikel ergab schließlich: Knapp 54 Prozent wollen an Silvester kein Feuerwerk zünden, für knapp 45 Prozent der Abstimmenden gehört die Böllerei einfach dazu.
Und so war Alexandra Köth am Silvestertag, wie sie ein paar Tage später am Telefon berichtet, dann doch ziemlich angespannt, wie die Reaktionen ausfallen werden. Als nahezu mulmig beschrieb sie ihre Gefühle rückblickend, da sie befürchtete, dass sich vielleicht einige durch den Zeitungsbericht provoziert fühlen und mit "jetzt erst recht" reagieren.
Doch die Befürchtungen erwiesen sich als unbegründet. Nur ein paar Jugendliche warfen am frühen Abend einige wenige Kracher vor das Anwesen, vielleicht eine Reaktion, vermutet Alexandra Köth, auf ihre Hinweisschilder, die sie selbst gedruckt und aufgehängt hatte, mit der Bitte kein Feuerwerk zu zünden.
Alexandra Köth erfährt viel positiven Zuspruch
Ansonsten erfährt Alexandra Köth nur positiven Zuspruch. Schon zum traditionellen Standkonzert der Theilheimer Musikanten am Nachmittag vor dem Köth’schen Anwesen rief ihr eine Nachbarin zu, in diesem Jahr auf Böllerbatterien zu verzichten. Außerdem machte die Geschichte von einem Pferd die Runde, das sich in einem Theilheimer Stall vor 30 Jahren an Silvester das Genick in Panik vor der Böllerei gebrochen hatte. Das ist vielen in Erinnerung geblieben, und doch war einigen nicht bewusst, fasste Köth die Rückmeldungen zusammen, wie heftig die Silvesterknallerei vor allem Tiere stresst.
Um Mitternacht erlebte Alexandra Köth dann eine große Überraschung: "Kein Geballere, keine fliegenden Flaschen und grölenden Menschen" vor ihrem Tor am Brunnen in der Dorfmitte, erzählte sie begeistert. Alles war ruhig, und so stieß sie gemeinsam mit den anderen Stallbesitzern glücklich und entspannt auf das neue Jahr an. Und am Neujahrsmorgen musste erstmals seit langem kein Silvesterdreck vor dem Anwesen zusammengeräumt werden.
Alexandra Köth ist den Theilheimerinnen und Theilheimern sehr dankbar für das entgegengebrachte Verständnis, und es ist ihr wichtig, dass auch über ihre positiven Erfahrungen berichtet wird. Es zahle sich eben doch aus, wenn man mit den Menschen ins Gespräch komme und über Sachlagen informiere, die – wie die Sprengstoffverordnung - oftmals gar nicht bekannt sind. Das hat ihr am nächsten Tag auch ein Theilheimer bestätigt. Sogar aus der Nachbargemeinde kam Zuspruch, ein Wernecker Marktgemeinderat hat ihr geschrieben, dass "die Theilheimer sie erhört hätten". Nun hofft Alexandra Köth, dass das auch zum nächsten Jahreswechsel so bleibt.
Schließlich, stellt sie nach all den positiven Erfahrungen der letzten Tage abschließend augenzwinkernd fest, "ist die Welt auf dem Dorf wohl noch in Ordnung".
Es ist doch noch nicht alles verloren.