
Es hatte sich so schön angehört: Die zugezogenen Wanderfalken finden eine neue Heimat am Nordturm der Gerolzhöfer Stadtpfarrkirche. Und die Turmfalken, die seit Jahren dort gebrütet haben, müssen nicht lange nach einer Ersatzwohnung suchen und kommen in kurzfristig installierten Nistkästen im Weißen Turm und an einer alten Trafostation in der Östlichen Allee unter. Doch wer an diese Friede-Freude-Eierkuchen-Geschichte geglaubt hatte, sollte ab hier nicht mehr weiterlesen. Denn in der Geschichte deutet sich eine dramatische Wendung an.
Christel Fehlbaum, die von ihrer Wohnung in der Kirchgasse aus die Falken an der benachbarten Stadtpfarrkirche bestens beobachten kann, informierte diese Redaktion jetzt darüber, dass die von den größeren Wanderfalken vertriebenen Turmfalken seit einigen Tagen wieder rund um die Kirchtürme zu sehen sind. Sie vermutet, dass es ein Trugschluss war, daran zu glauben, dass die Turmfalken die von Mitarbeitern der Stadt installierten Ersatz-Nistkästen so bereitwillig und schnell akzeptiert haben, wie es zunächst den Anschein hatte.
Könnten die Turmfalken die Küken aus dem Nest werfen?
Die Szenen, die sich vor den Augen ihrer Familie am Nordturm der Stadtpfarrkirche abspielen, beschreibt Christel Fehlbaum wie folgt: "Die Turmfalken attackieren den brütenden Wanderfalken und versuchen, wieder in den Kasten zu kommen." Sie sei sich unsicher, ob das ein gutes Ende nimmt, zumal die Wanderfalken nach Fehlbaums Berechnung in wenigen Tagen Nachwuchs bekommen müssten. Die versierte Vogel-Beobachterin, fürchtet, die Turmfalken könnten, obwohl sie den Wanderfalken körperlich unterlegen sind, die Wanderfalken-Küken aus dem Nest werfen, sobald deren Eltern den Nistkasten mal für einen Moment verlassen haben. "Wir hoffen natürlich, dass es nicht so kommt und die Turmfalken endlich ihr neues Zuhause annehmen", erklärt Christel Fehlbaum.
Doch die Sache hat ihr keine Ruhe gelassen. Sie hatte zwischenzeitlich Kontakt mit einem Mitglied des Landesbunds für Vogelschutz (LBV), dem sie selbst angehört. Der Mann aus dem Raum Aschaffenburg hatte im Internet die Veröffentlichungen über die außergewöhnliche Ansiedlung von Wanderfalken im Gerolzhöfer Kirchturm gelesen. Das LBV-Mitglied kennt sich laut Fehlbaum sehr gut mit Falken aus, ist für den Wanderfalken- und Uhuschutz e. V. aktiv und kartiere alle Wanderfalken in ganz Franken.
Wanderfalken beschützen ihre Jungen lange
Von diesem hat die Gerolzhöferin eine beruhigende Information erhalten: Nach Einschätzung des Falken-Kenners würden sich Wanderfalken nicht mehr so einfach vertreiben lassen, wenn sie erst einmal irgendwo nisten. Die Greifvögel würden ihre Jungen für gewöhnlich so lange beschützen, bis sie als Beute zu groß für die Turmfalken sind.

Eine Indiz dafür, dass die Wanderfalken von den Turmfalken tatsächlich weniger beeindruckt sind, als dies für menschliche Beobachter erscheinen mag, könnte auch eine weitere Beobachtung von Christel Fehlbaum sein. Sie berichtet: Der Terzel, der männliche Wanderfalke, sitze abends meistens gelassen auf dem Turmkreuz, "den lässt das scheinbar alles kalt".