
Die Erzeugerpreise für Milch, Getreide und Fleisch sind bekanntlich nicht immer so, wie sich das die Landwirte wünschen. Neue Ideen und der Anbau von Nischenprodukten sollen dazu beitragen, dass sich rechnet, was mit Mühe und der Hände Arbeit auf den Äckern angebaut wird.
Mit der Gartenkresse hat der junge Landwirt Julian Glückert (30) aus dem Üchtelhäuser Ortsteil Zell eine solche Nische für sich entdeckt. Die Gartenkresse hat es in sich, und das im wahrsten Sinn des Wortes. Eisen, Calcium und Vitamin C finden sich reichlich in dem auf jeder Fensterbank leicht zu ziehenden Gewürzkraut. Dazu kommt der typische Kressegeschmack zwischen würzig und leicht scharf, der jedes Butterbrot veredelt oder einen Frischkäse bereichert.
Hier geht es nicht um das grüne Kraut, sondern um die reifen Samenkörner
Die meisten kennen die Kresse von den typischen Gewürzkraut-Schälchen, die beinahe in jeder Gemüseabteilung zu finden sind. Ein ganzer Acker davon ist in unseren Breitengraden aber eine absolute Seltenheit. Das ändert gerade Julian Glückert, denn die Gartenkresse ist nicht nur ein Vitaminlieferant aus dem Kräutergarten, sondern auch eine wichtige Zwischenfrucht für die Landwirtschaft.
Die Samen der Gartenkresse sind Teil vieler Zwischenfruchtmischungen, wie sie von den Landwirten ausgesät werden, um den Böden zwischen zwei Ernten Erholung zu gönnen. Und um genau diese Samenkörner geht es Julian Glückert. Nicht das grüne Kraut, sondern die Samen sind sein Produkt, das er an die Bayerische Futtersaatbau GmbH (ursprünglich Bayerische Saatveredelung BSV) in Schwebheim vermarktet.

Gut zehn Kilogramm Kressesamen braucht es für einen Hektar Kresse. Auf einem Feld von rund 1,3 Hektar Größe hat Julian Glückert dieser Tage das Gewürzkraut angesät. Läuft alles gut, wird er in rund drei Monaten zehn bis 15 Doppelzentner Samenkörner pro Hektar ernten können. Eine echte regionale Saatgutvermehrung also, die hier über die Bühne geht.
"Ich wollte mal etwas anderes probieren neben dem Getreideanbau", so Julian Glückert, der heuer in seine dritte Kresse-Saison gestartet ist. Das geschah natürlich auch vor dem Hintergrund, dass die Getreidepreise "nicht so berauschend" sind. "Ich habe etwas gesucht, das man selber säen und selber dreschen kann", so Glückert. Erst war Kümmel in der engeren Auswahl, doch dafür gibt es keinen Markt in Deutschland, so fiel die Wahl schließlich auf die Kresse. Kresse keimt und wächst schnell und friert im Winter sicher ab, was sie zum wichtigen Bestandteil von Zwischenfruchtmischungen macht.

Die Kresse biete neben der gesicherten Vermarktung über die bayerische Futtersaatbau GmbH in Schwebheim auch sonst noch so einige Vorteile. Kresse ist relativ anspruchslos, was die Böden und die Kultivierung betrifft, und sie braucht nur sehr wenig bis gar keinen Einsatz von Spritzmitteln. "Einmal wird sie gedüngt, das war's dann schon", erläutert Julian Glückert weitere Gründe, die für die Kresse sprechen. Ist sie erstmal gut aufgegangen und gewachsen, unterdrückt die Kresse das Unkraut sozusagen selbst.
Während die Kresse für den Küchengebrauch schon lange vor ihrer Blüte verwendet wird, darf die Kresse auf dem Acker voll erblühen. Nach dem Abblühen der weißen Blüten entstehen dann die Schoten mit dem Samen darin, die ähnlich wie zum Beispiel der Raps mit einem ganz normalen Mähdrescher gedroschen werden. Moderne Mähdrescher können so fein eingestellt werden, dass sie nicht nur Getreide, sondern sogar noch feineren Samen als den der Kresse verarbeiten können.

Auf "20 bis 25 Hektar" schätzt Herbert Stapf die Fläche, die für die Bayerische Futtersaatbau GmbH insgesamt mit Kresse angebaut wird. Der Diplom-Ingenieur mit dem Spezialgebiet "Anbauberatung bei der Saatgutvermehrung" ist Mitarbeiter der Bayerischen Futtersaatbau GmbH, die außer in Schwebheim in Ulm, Cham und Plattling ansässig ist. Die Kresse, so Stapf, ist eine wichtige Komponente einiger Zwischenfruchtmischungen, die sich neben der Kresse zum Beispiel aus Saatwicken, Grünfuttererbsen, Phacelia, Alexandrinerklee und Buchweizen zusammensetzen.
Dank "Zwischengrün" ist es möglich, zum Beispiel zwischen zwei Wintergetreidearten dem Boden Gutes zu tun. Wenn es sich wie bei der Kresse dann auch noch um eine Pflanze mit relativ wenig eigenem Stickstoffbedarf handelt, macht sie das als Zwischenfrucht umso wertvoller. Auch mit Pflanzenschädlingen komme die Kresse ganz gut zurecht. Lediglich eine Blattwespenart könne, wenn sie in großen Massen auftritt, auch größere Schäden anrichten.
Keine Angst vor den Eisheiligen
Vor den "Eisheiligen" braucht sich der frisch ausgesäte Kressesamen übrigens nicht zu fürchten. "Ein paar Grad Frost verträgt sie", so Stapf. Auch im Winter, nach getaner Arbeit als Zwischenfrucht, reichen keine drei, vier Minusgrade, sondern da dürfen es auch schon mal acht bis zehn Kältegrade sein, damit sie gut abfriert, weiß der Fachmann. Die abgefrorenen Pflanzen, deren bräunlich verfärbte Blätter den Boden bedecken, konservieren nicht nur den überschüssigen Dünger von der Vorfrucht, sondern sind auch auch Erosionsschutz für den Boden. So geschützt, zum Beispiel auch vor Auswaschungen, kommt der Boden gut ins nächste Jahr.

Nun wäre ein schöner Landregen recht, damit die Samen gut angeschoben werden und ins Wachstum kommen. In einigen Wochen wird man dann auf diesem Acker zwischen Zell und Hambach eine Kresse sehen, wie man sie auf der Fensterbank schon gar nicht und auch im Hobbygarten nur selten sieht - in voller Blüte. Wenn dann, wieder ein paar Wochen später, sich die Samenkapseln bräunlich verfärben und abtrocknen, sind die Kressesamen reif für die Ernte.