Zwölf Jahre war das Manuskript in der Schublade gelegen. Wolfgang Weigand fand keinen Verlag für die Geschichte von Alfred Kummer, dem im unterfränkischen Schondorf die Muttergottes erschienen ist. Vor kurzem ist der Roman jetzt bei Königshausen & Neumann erschienen. Titel: Maria erscheint. Geschichte eines Rufmordes.
"Was macht jemand, der so eine Vision hat", fragt sich der Theologe und Kabarettist Weigand, der seit Jahren in der Schweiz lebt – das ist kaum zu überhören. Mit dem Thema Marienerscheinungen hat er sich intensiv beschäftigt, das Thema fasziniert ihn. Aber auch der Umgang der Kirche mit diesen Phänomenen. Und auch mit den Themen Außenseiter-Sein und Dorfleben beschäftigt er sich. Das Schondorf im Buch hat ein bisschen was zu tun mit Rannungen, dem Ort, in dem Weigand aufgewachsen ist. Der Ort, aus dem er unbedingt weg wollte.
Außenseiter sein, gemobbt werden, das Gefühl kennt er aus einer Jugend, erzählt er offen, als er das Buch bei der Buchhandlung Collibri vorstellt. Alfred Kummer, der Held, wird rasend schnell ausgegrenzt. Er war als Junggeselle und Büroarbeiter schon an den Akzeptanz-Grenzen, bevor ihm die Muttergottes erschienen ist. Aber jetzt zeigt das Dorf, die Gemeinschaft ihr ganz hässliches Gesicht.
Wolfgang Weigand erzählt das alles mit feinem Blick, auch mit Ironie, auch mit Witz, aber mit Distanz. "Wie funktioniert das, wenn jemand so ausgegrenz t wird?" Das will er zeigen. Und das gelingt ihm auch sehr eindringlich. Zum Beispiel, in dem er von Gabi erzählt, dem Dorf-Nachrichtendienst oder der Bombenlegerin, wie sie der Autor auch nennt. Oder von der Schondorfer Tratschskala. Was anfängt mit "Weißt Du eigentlich schon?" führt über "Habt ihr auch schon gehört?" zu "Was soll man denn dazu sagen?" Dazwischen erzählt jemand jemandem etwas im Vertrauen. Und dann weiß es jeder, und keiner hat ein schlechtes Gewissen. Warum auch. Schließlich geht es ja nur um einen Sonderling wie den Alfred Kummer. Außerdem war der ja in der Irrenanstalt. Mit Worten wie Psychiatrie hält sich in Schondorf jedenfalls niemand auf.
Blick hinter die Kulissen eines Dorfes
Weigand gibt aber auch einen schon fast gespenstischen Einblick hinter die Kulissen eines Dorfes. Streitigkeiten gibt's, die über Generationen gehen. Manch einer hat sich schuldig gemacht in der Nazi-Zeit. Wird aber unter den Teppich gekehrt. Wer seine Frau schlägt, bleibt weiter honorig. Man ist nicht glücklich, aber lebensfähig, heißt es im Roman. Hauptsache, niemand verstößt gegen den Schondorfer Geist. Oder macht sich zum Außenseiter. Insofern ist "Maria erscheint" ein sehr aktuelles Buch, auch wenn es 1983 spielt. Und hinter der Dorf-Posse liegt eine sehr bittere und beklemmende Wahrheit.
Wolfgang Weigand: Maria erscheint. Geschichte eines Rufmordes, Königshausen und Neumann