Ein Slum in Kalkutta, ein Bergdorf in Peru, Hütten in Namibia – Simone Bauer ist mittendrin, geht nicht vorbei, lässt sich auf Begegnungen ein, albert mit Kindern, tanzt mit Fremden und lernt die Menschen wirklich kennen. Ihre Probleme, ihre Geschichte, aber auch ihre Lebensfreude. Von ihr wird die 50-Jährige, die in Hergolshausen zuhause ist, bei unserem Gespräch immer wieder erzählen. Denn das, sagt sie, ist das Besondere. Das, aus dem sie ihre Begeisterung für fremde Länder, Kulturen und die direkte Hilfe für die Ärmsten der Armen zieht.
Von den Müllhalden, kleinen Dörfern und Armenvierteln der Welt kommt Bauer reich zurück. „Jedes Jahr nehme ich 20 Kilo Gelassenheit mit“, sagt sie denen, die nicht verstehen, wie man so die schönste Zeit des Jahres, seinen Urlaub, verbringen mag. Die Lebensfreude der Menschen, die nichts haben, das Kichern der Kinder, die sich beim Sammeln von Rohstoffen auf einer Müllhalde in Kalkutta vor Lachen kringeln, von Kleinen, die sich aus einer Wasserflasche ein Auto bauen und stundenlang damit spielen – das alles erdet, sagt Bauer, das zeigt, was wirklich wichtig ist.
Erfahrungen, die erden und gut tun
Auch ihren Kindern hat diese Erfahrung gut getan. Zehn und 13 sind die beiden heute erwachsenen Töchter Mona und Julia, als Simone Bauer und ihr Mann Stefan das erste Mal auf einer Müllhalde stehen, in Phnom Penh, Kambodscha. Ein Bericht im Fernsehen hatte Bauers hierhergeführt. Der Bericht über eine Schule für Müllsammlerkinder, die zwei Europäer hier gegründet hatten und betreiben.
Zwei große Säcke Reis haben Bauers dabei. Doch mit dem, so erzählt ihnen eine Volontärin, können die Menschen hier selbst nichts anfangen. Sauberes Trinkwasser, mit dem man den Reis kochen könnte, gibt es in den Slums der Müllhalde nicht. Den Reis kocht die Schule. Bauers gehen zum Bäcker, kaufen für alle Kinder etwas zu essen und machen dann eine lange Liste mit dem, was gebraucht wird – Schuhe, Kleidung, Lineale, Bücher, alles. Tütenweise schleppt die Familie das Eingekaufte ins Hotel, verteilt es am anderen Tag an die Müllkinder.
Direkte Spenden
Der Beginn ihres privaten Engagements für die Ärmsten der Armen. Gespendet hatte die Familie auch vorher. Doch vor Ort erfuhr Simone Bauer immer wieder von Hilfsorganisationen oder Sozialarbeitern, dass oft nur wenig dort ankommt, wo es gebraucht wird. Und so sucht Simone Bauer die Organisationen und Menschen, die sie unterstützen will, gezielt aus, nimmt Kontakt auf und besucht die Einrichtungen auf eigene Faust.
Viele hat sie so schon kennengelernt – eine winzige private Schule, in der ein Mann Kinder und Frauen unterrichtet, ihnen Lesen und Schreiben beibringt, eine Einrichtung in Äthiopien, OMO Child, die Kinder aufnimmt, deren Eltern sie sonst getötet hätten, Blechhütten im Slum, in denen sie freudig als Gast begrüßt wurde, ein Haus für Straßenkinder, in denen diese Schutz finden . . . Und immer wieder Indien, immer wieder Menschen, deren Engagement ihr Herz berührt haben. Wie der Sozialarbeiter Fahim, der selbst in einem Slum von Kalkutta, dem Armenhaus Indiens, aufgewachsen ist und nun mit Naturalien Kinderarbeiter von ihren Familien quasi freikauft, damit sie in die Schule gehen können.
Wenn die Straße zum Behandlungszimmer wird
Oder die Ärztin Sabine Krienke, die in Kalkutta Straßenjungs zu Helfern ausgebildet und ein Netzwerk von Stationen und Ärzten aufgebaut hat, das auch nach ihrem Tod 2015 weiter Kranke behandelt. Kostenlos. Einen Tag lang waren Simone Bauer und ein Fotokollege mit ihr unterwegs, sahen, wie die Ärztin mit den Medikamenten, die sie vor Ort gekauft hatten, Menschen half. Einfach auf der Straße.
Freundschaften sind im Laufe der Zeit entstanden, Kontakte in alle Welt. Zu Menschen, die helfen, und Menschen, denen geholfen wird. Simone Bauer schätzt sie, die Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft, die Lebensfreude. Und fängt das alles in Bildern ein. „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, da ist viel dran.“ Sie will das Leben zeigen, Geschichten erzählen, Brücken schlagen – vom Dort zum Hier. Ihre Bilder zeigt Bauer meistens den Freunden, Bekannten und Kollegen, die die Initiativen unterstützen, zu denen die nächste Reise führt. Damit sie sehen können, was mit ihrem Geld passiert.
In Dubai im Finale
Den Hilfsorganisationen stellt Bauer ihre Bilder kostenlos zur Verfügung. Zu sehen sind ihre Fotos außerdem in der Ausstellung des Fotokreises Schwanfeld und oft auch in dieser Zeitung, wenn Simone Bauer – wie vor kurzem– wieder einmal einen Preis geholt hat. Weit mehr als Anerkennung hat sie davon aber nicht. Ein heißes Eisen hat die Bankkauffrau allerdings noch im Feuer: bei dem internationalen Fotowettbewerb eines Scheichs aus Dubai.
Ihr Foto ist eines von mehr als 60 000 eingereichten Bildern. Inzwischen, hat Simone Bauer erfahren, ist ihr Bild schon unter den 2000 im Finale. Ihr Traum: überhaupt in den Katalog zu kommen. Und falls es doch ein Preis sein sollte, diesmal gut dotiert, wäre ja schon klar, was damit passieren würde: Simone Bauer würde ihre Koffer packen, die nächste Fernreise buchen und dorthin reisen, wo Hilfe gebraucht wird.
Ist das Urlaub? Dort, zwischen Müllhalden und Slums? Natürlich, sagt Simone Bauer, die aber gern mit der Familie auch ganz normale Fernreisen macht – vom Himalaya bis nach Bolivien. Sonnenuntergänge, Landschaften, all das gibt es auch in Bauers Fotostrecken. Doch wichtig sind ihr die Porträts von Menschen aus aller Welt. Beeindruckend und berührend.