Fünf Jahre war Thomas Höhn 2. Bevollmächtigter der IG-Metall in Schweinfurt. Nach dem Wechsel des langjährigen 1. Bevollmächtigten Peter Kippes in die IG-Metall-Vorstandsverwaltung nach Frankfurt war Höhn sozusagen erste Wahl für den Führungsposten. Das sahen wohl auch die regionalen Metaller so, 109 von 129 Delegierten gaben ihm seine Stimme, beriefen Höhn in das Wahlamt "1. Bevollmächtigter". Im Interview erläutert der 42-jährige Volkacher, welchen Herausforderungen sich eine Gewerkschaft wie die IG-Metall in der Kugellagerstadt Schweinfurt stellen muss.
Thomas Höhn: Zumindest war es in der Schulzeit nicht mein erster Gedanke, in der Industrie anzufangen. Mitte der 90er-Jahre war es nicht einfach, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Mein Vater hat bei Rexroth Star in Volkach (heute Bosch Rexroth) gearbeitet. Irgendwann hat er mir einen Bewerbungsbogen mitgebracht, den ich ausfüllte. So habe ich eine Ausbildung als Industriemechaniker begonnen. Gleich zu Beginn standen die Wahlen für die Jugend – und Auszubildendenvertretung an. Ich wurde angesprochen, ob ich das machen möchte. Schnell erkannte ich, wie wichtig es ist, dass die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Betrieb, aber auch in der Politik, eine starke Stimme bekommen. Seitdem bin ich, wie zum Glück viele andere, in der Gewerkschaft aktiv. 2004 habe ich Bosch Rexroth verlassen, um in Hamburg Volkswirtschaft zu studieren. Der Kontakt zur Region und zur IG Metall ist nie abgerissen, und so habe ich danach als Gewerkschaftssekretär in Schweinfurt angefangen. Die IG-Metall-Leitung ist ein Wahlamt. Nach fünf Jahren als 2. Bevollmächtigter habe ich mich, nach dem Wechsel von Peter Kippes, dem Votum der Wahldelegierten gestellt.
Höhn: Das kann man so nicht verengen. Als 2. Bevollmächtigter habe ich zusammen in den letzten Jahren mit Peter Kippes als Leitungsteam die Geschäftsstelle geleitet. Wir haben viel gemeinsam besprochen. Vieles von dem, was nach außen sichtbar ist, hatte vieles bereits auch meine Handschrift. Ich würde mir wünschen, dass unsere Mitglieder sagen: Meine IG Metall tritt professionell, geschlossen und stark auf. Sie kann sich durchsetzen, ist gleichzeitig da, wo es notwendig ist, auch mal kompromissbereit. In öffentlichkeitswirksamen Auseinandersetzungen geht oft unter, dass die IG Metall nicht nur Ansprechpartner für Beschäftigte in der Großindustrie ist. Auch in den Klein- und Mittelbetrieben und im Handwerk braucht es starke Gewerkschaften. Das möchten wir künftig stärker betonen.
Höhn: Wir haben es schon jetzt mit einem brutalen Verteilungskampf zu tun. Ob, wo und wieviel ein Unternehmen in Zukunftsprodukte investiert, wird in Verhandlungen immer stärker an Bedingungen geknüpft. Auslaufende Produkte sollen zudem den Wandel finanzieren, was wiederum den Verlagerungsdruck erhöht hat. Oft geht das zu Lasten der Arbeitnehmer. Immer schwieriger wird es für die, die seit Jahren in Befristungen oder Leiharbeit feststecken, weil sich die Unternehmen sträuben, fest einzustellen. Der Druck wird wohl erst einmal nicht kleiner. Um so wichtiger ist es, dass wir uns stark aufstellen.
Höhn: Ohne irgendetwas schön reden zu wollen: Mir kommen dabei unsere Erfolge zu schlecht weg. Immerhin gehen die Arbeitsplätze aus Eltmann ins Schaeffler-Werk nach Schweinfurt und werden nicht nach Osteuropa verlagert. Und bei Reich haben wir einen Tarifvertrag vereinbart, der die Fläche bis auf wenige Ausnahmen komplett anerkennt. Beides, weil sich die Beschäftigten für ihre Belange und Interessen massiv eingesetzt haben. Solche Einschnitte wird es immer wieder geben. Es wird aber auch weiter Menschen geben, die sich laut und erfolgreich gegen solche Pläne stellen. Auch zukünftig werden sich Betriebsratsgremien gründen oder es werden Tarifverträge erkämpft, wo es bisher keine gab. Die IG Metall ist nicht Thomas Höhn oder das Büro in der Schweinfurter Manggasse. Die IG Metall, das sind Menschen, die zusammen für ihre Interessen einstehen. Manchmal erfolgreich, manchmal stecken wir Niederlagen ein. Das ist aber immer noch besser, als wenn die Arbeitgeber ohne Mitsprache der Beschäftigten entscheiden könnten.
Höhn: Schweinfurt hat innerhalb der IG Metall eine sehr wichtige Stellung. Zudem sind die Arbeitsbedingungen in der Metall- und Elektroindustrie ein wichtiger Maßstab – vor allem hier in der Region. Viele Branchen orientieren sich an den Ergebnissen unserer Tarifverträge. Neben den 22 000 Mitgliedern bin ich stolz auf die über 1400 besonders aktiven Metallerinnen und Metaller, die sich in Betriebsräten, Jugendvertretung, Schwerbehindertenvertretung oder als Vertrauensleute der IG Metall engagieren. Das ist unser Rückgrat. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir unseren Einfluss auch zukünftig geltend machen können.
Höhn: Ich bin da trotz der auf uns zukommenden Veränderungen optimistisch. Wir haben hier ein starkes Industriecluster, ein extrem hohes Qualifikationsniveau durch jahrzehntelange herausragende berufliche Ausbildung. Zudem unsere FH Schweinfurt/Würzburg, die aus meiner Sicht vollkommen zu Recht einen ausgezeichneten Ruf genießt. Die großen Konzerne sind grundsätzlich für die Zukunft gut aufgestellt. Offen ist sicherlich die Frage, ob sie auch den Mut haben, zukünftig ihre Innovationen hier fertigen zu lassen. Ich bin überzeugt, dass wir hier auch nachhelfen müssen. Denn viele Manager, die oberhalb der regionalen Werkleiter stehen, entscheiden viel zu sehr anhand von Kennzahlen und kurzfristiger Margenziele.
Höhn: Ich sage ihnen, dass es ein verdammt gutes Gefühl ist, sich für Werte wie Gerechtigkeit, Fairness und Respekt einzusetzen. Leistung und Engagement muss wertgeschätzt werden. Dass es nicht nur um Geld gehen darf, sondern der Mensch und seine Bedürfnisse wichtig sind. Das alles klingt vielleicht sozialromantisch. Aber es wird dann konkret, wenn es zum Beispiel um die Frage geht, ob man für eine Weiterbildung freigestellt wird oder nicht. Ob man nach der Ausbildung übernommen wird. Ob man von einer Befristung in die nächste hangelt. Ob man darüber mitentscheiden darf, ob man am Samstag arbeiten muss oder nicht. Diesen Einsatz braucht es in unserer global organisierten kapitalistischen Gesellschaft auch dringend.
Das ist viel zu pauschal. Innovationen brachten auch sehr viele neue Arbeitsplätze!
"Im Zuge der Elektrifizierung werden manche Komponenten schlicht überflüssig."
Auch das ist zu kurz gedacht, da die E-Mobilität wegen ihrer bekannten Nachteile von manchen Fachleuten nur als Übergangstechnologie angesehen wird, bis die Wasserstofftechnik marktreif ist. Man muss also zweigleisig forschen & entwickeln, mit entsprechend großem Personalaufwand - wenn man das Klimaproblem einigermaßen in den Griff bekommen will!
Wobei Schweinfurt als Wasserstoffzentrum prädestiniert ist: die FH bietet hier den ersten deutschen Studiengang Wasserstofftechnik an und die Stadtwerke arbeiten laut Schweinfurter Tagblatt an einem Wasserstoffprojekt zusammen mit Siemens; eine Wasserstofftankstelle soll in der Region eröffnet werden.
Es gibt viel zu tun, packen wir's an!