
Ein königsblauer Bugatti 37b ragt aus dem Gartengrundstück in Zeuzleben in der Straße Galgengarten, auf der anderen Seite ein feuerroter Ferrari F40. Weiter unten steht auf einem Drehteller ein weißer Porsche 959 – keine Spielzeugautos, sondern originalgetreue Repliken, die nach dem Winter-Hochwasser gerade erst wieder auf Hochglanz gebracht wurden.
Ein wenig komisch wirkt es schon auf den ersten Blick, das gibt auch Manfred Herrmann zu, der die Fahrzeuge vor vielen Jahren gebaut hat – in Handarbeit und nicht nur diese drei. Insgesamt 30 Nachbauten, darunter ein Mercedes aus dem Jahr 1924, ein Bentley und eine AC Cobra, gehen auf das Konto des Tüftlers.
Doch wie kommt man auf eine solche Idee? "Ja, da muss man schon ganz schön verrückt sein", meint Manfred Herrmann schmunzelnd. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Erika lebt er in Zeuzleben und hat nicht nur Autos, sondern auch die Einrichtung in seinem Haus selbst gebaut sowie im Garten verschiedene Kunstobjekte installiert, die stark an Hundertwasser erinnern.

Anfang der 1980er-Jahre war der autobegeisterte Familienvater in Frankfurt bei der IAA und sah dort erstmals den neuen Porsche 959. "Ein Supersportwagen, der laut Porsche nur knapp 300-mal gebaut wurde und heute als Oldtimer die Millionen-Euro-Grenze knackt." Ein "Traumauto", doch viel zu teuer für den Zeuzlebener. Und so kam Manfred Herrmann auf die Idee, den Porsche in fahrtauglicher und straßenzulässiger Originalgröße als Replika nachzubauen.
Als Vorlage dienten ihm Fotos von der IAA und aus Illustrierten sowie Zeichnungen mit Maßangaben und ein Modellauto. Zuerst aus Sand und Schnee und schließlich aus etwa 20 Zentnern Gips hat dann der gelernte Bauschlosser den Porsche nachgebaut.
Für die Gipsmodelle nutzte Hermann ein VW-Käfer-Fahrgestell als Unterbau. Darauf baute er ein Skelett aus Schweißdraht und spannte darüber feinen Maschendraht, der anschließend mit einer Haut aus Glasfasermatten und Polyesterharz überzogen wurde. Darauf trug Herrmann den Gips auf – in vielen Schichten. Immer wieder wurde neu geschliffen und nachmodelliert, bis die Karosserie seinen Vorstellungen entsprach und er sie mit Trennlack überziehen konnte.
Alle Arbeitsgänge sind fotografisch dokumentiert
Während des Gesprächs blättert er in einem dicken Fotoalbum, das den Entstehungsprozess dokumentiert. Die Stunden, die für die vielen Arbeitsgänge nötig waren, haben die Herrmanns nicht gezählt. "Fakt ist", so Ehefrau Erika, "die Familie hat in diesen insgesamt drei Jahren recht wenig von ihm gesehen." Allerdings sei ihr Mann immer "griffbereit" in der Garage gewesen, meint Erika Herrmann augenzwinkernd.

Ursprünglich sollte das Gipsmodell nur zum Abformen weniger GFK-Kohlefaserkarosserien dienen, doch letztendlich fertigte Herrmann eine Negativform an, um seinen fahrbereiten und TÜV-fähigen Replika-Porsche mit dem Namen "H1 Cabrio 959-Style" auch anderen zugänglich zu machen. Einige Zubehörteile wie Türen, Scheiben oder Scheinwerfer stammen übrigens von anderen Automodellen, die Inneneinrichtung vom Sattler.
Die Replika ist im Gegensatz zum Original etwas niedriger, breiter und länger, dafür aber ein Viersitzer. Das sei wichtig, denn die Replika müsse vom Original abweichen. Laut Manfred Herrmann 30 Prozent, sonst sei Ärger mit dem Autohersteller vorprogrammiert, wie bei seinem Ferrari. Der F40 sei deshalb auch nie ganz fertiggestellt worden.
1988 landet Manfred Herrmann dann den nächsten Coup, seine fahrfertige H1-Replika wird auf der IAA ausgestellt – neben dem Original, mit einem Kostenunterschied von mehreren 100.000 Mark. Während der Porsche für 400.000 Deutsche Mark angeboten wird, verlangte Herrmann für die Rohversion der stahlrohrverstärkten Kunststoff-Karosserie nur knapp 12.000 D-Mark, für den Sport-Cabriolet-Bausatz 20.000 D-Mark und für das fertige Fahrzeug 50.000 D-Mark. Elf Stück hat Hermann davon verkauft. Reich sei er damit nicht geworden, wie er heute mit Blick auf die vielen Arbeitsstunden und die Materialkosten pragmatisch feststellt.
Faszination für Autos und Spaß am Konstruieren
Doch die Faszination fürs Auto, den Spaß am Konstruieren haben den Tüftler noch viele weitere straßentaugliche Autos nachbauen lassen. Einige wurden eine Zeitlang als Hochzeitsautos vermietet, und manche fahren noch heute umher, wie Herrmann weiß, mittlerweile als Oldtimer.

Und wie schon in seinen Autos steckt auch bei seiner Prototypen-Ausstellung im Schrebergarten der Witz im Detail. So sitzt im Porsche das Oberteil einer Schaufensterpuppe, während die Beine unter dem Auto liegen – damit hat er seiner Frau übrigens mal einen Riesenschrecken beschert, erzählen beide lachend.
Immer wieder bleiben am Gartenzaun in Zeuzleben nun Leute stehen und staunen. Manche klettern sogar auf dem Bugatti herum und fabulieren von "Fake-Autos". Deshalb hat Manfred Herrmann jetzt auch eine Tafel mit dem Hinweis angebracht, dass dies kein "Autofriedhof" sei, sondern es sich um in mühevoller Handarbeit gefertigte, TÜV-geprüfte Prototypen aus den 1980er-Jahren handle. "Nur, dass das mal klar ist", betont er. Bei seinen Autos hört eben auch für Manfred Herrmann der Spaß auf.