László Pluhár ist seit 2002 Bürgermeister von Elek, der ungarischen Partnerstadt von Gerolzhofen. Er gehört der ungarischen Sozialistischen Partei (MSZP) an und wurde 2014 bei vier Kandidaten im ersten Wahlgang mit 54 Prozent in seine vierte Amtszeit gewählt. Doch in Zeiten des nationalkonservativen Orbán-Regiments hat er es als europafreundlicher Politiker schwer.
Frage: Herr Pluhár, in Elek sind an etlichen Stellen Schilder zu sehen mit Hinweisen auf Fördergelder, die aus der EU kommen.
László Pluhár: Ja, das ist Absicht. Wenn die Menschen sehen, wieviel Geld aus Europa kommt, haben sie einen positiven Eindruck von der EU. Wir wollen das öffentlich präsentieren und zwar nicht nur während der Bauzeit, sondern solange ein Projekt noch in Betrieb ist und Bedeutung hat. Die Mehrzahl der Eleker freut sich, dass Ungarn der EU beigetreten ist. Wir haben mit EU-Geldern schon nützliche Werke geschaffen wie die Kanalisation, Straßen und Gehwege.
Kommen die EU-Gelder auch da an, wofür sie gedacht sind?
Das ist schon paradox. Die EU unterstützt ein Land, dessen Regierung nicht europafreundlich ist. Es ist bekannt, dass Gelder aus Brüssel umgelenkt und für andere Zwecke verwendet werden als vorgesehen. Das wird aber nicht diskutiert, weil die Regierung die Medien unter Kontrolle hat. Und die Menschen wollen nichts dagegen machen, weil sie nicht wollen, dass die Hähne zugedreht werden.
Gibt es in Elek Gegner gegen internationale Veranstaltungen wie jetzt das Welttreffen der Eleker oder die Partnerschaftsbegegnungen mit Gerolzhöfern oder Laudenbachern?
Pluhár: Nur wenige. Auch hier muss ich sagen, wir haben für solche Veranstaltungen große Unterstützung aus Brüssel. Allein für das Welttreffen gab es 25 000 Euro Förderung. In Deutschland ist das sicherlich ein großer Betrag, in Ungarn ist es eine unvorstellbar hohe Summe. Das sind acht Millionen Forint. Außerdem ist wichtig zu wissen, dass wir in Elek immer noch eine Mehrheit der europafreundlichen Sozialisten haben. Im Stadtrat sitzen vier Sozialisten, zwei Fides-Leute (Anm.: Die Ausrichtung dieser Partei ist nationalkonservativ bis rechtspopulistisch) und ein Unabhängiger. Aber ich muss feststellen, auch in Elek nimmt der Rechtskonservativismus zu.
Wie hat die Orbán-Regierung die Arbeit von Kommunalpolitikern verändert?
Pluhár: Sehr stark. Früher galt in Ungarn das Prinzip, dass Probleme auf der Ebene gelöst werden, wo sie bestehen. Da war der Stadtrat noch wie ein guter Vater für die Gemeinde. Das gibt es nicht mehr. Der Staat hat praktisch alle Aufgaben übernommen. Er finanziert und bestimmt. Wir haben über fast kein Geld mehr zu entscheiden. Unser Haushalt hat nur noch ein Volumen von vier Millionen Euro. Ein Beispiel für staatliche Lenkung: Früher hatten wir zu bestimmen, ob ein Schulleiter die nächsten fünf Jahre weiter an seiner Schule arbeiten kann oder nicht. Wir haben das wie bisher getan und unseren alten Schulleiter einstimmig im Amt bestätigt. Eine „höhere Hand“ hat nun entschieden, dass das bei ihm nur für ein Jahr gilt. Bei so einer kurzfristigen Perspektive kann es leicht sein, dass der Mann die Lust an seiner Arbeit verliert.
Kann ein Stadtrat da überhaupt noch etwas gestalten?
Pluhár: Wir haben eindeutig weniger Möglichkeiten zu gestalten. Für öffentliche Aufgaben bekommen wir so viel Geld, dass es gerade reicht. Unsere Einnahmen aus Kommunalabgaben sind ebenfalls sehr gering.
Werden Sie angesichts dieser Situation noch einmal als Bürgermeister-Kandidat für eine fünfte Amtszeit antreten?
Pluhár: Ja, ich habe nichts zu verlieren.
Vor vier Jahren haben Sie ein Interview mit uns noch abgelehnt unter dem Hinweis, das sei zu gefährlich. Jetzt stehen Sie offen Rede und Antwort. Warum?
Pluhár: Es gibt Momente im Leben, in denen man seine Meinung öffentlich vertreten muss. So ein Moment ist gekommen, wenn wir sehen, dass die falschen Bilder zur Wirklichkeit werden.
Das Gespräch übersetzte Istvan Kantor.