Mitte August mit Beginn der Maisernte hatte ein Unbekannter auf Äckern rund um Gerolzhofen diverse Metallteile an Maispflanzen gebunden. Mehrere Maishäcksler waren dadurch beschädigt und die mit den großen Maschinen arbeitenden Landwirte in große Lebensgefahr gebracht worden. Der Ermittlungsgruppe der Polizei ist bei ihren Ermittlungen nach dem Täter bislang noch nicht der Durchbruch gelungen.
Erstmals war es auf einem Maisacker des Frankenwinheimer Landwirts Dominik Keller am südlichen Stadtrand von Gerolzhofen direkt neben dem Nützelbach am 14. August zu einem Zwischenfall gekommen: Der Mitarbeiter eines von Dominik Keller beauftragten Lohnunternehmens war mit dem großen Häcksler, der acht Reihen Mais gleichzeitig abernten kann, erst wenige Minuten auf dem Feld unterwegs, als es in der Maschine einen großen Knall gab. Der Häcksler hatte offenbar irgendeinen harten Gegenstand aufgenommen und ins Innere zu der Messerwalze transportiert, die direkt unter der Fahrerkabine mit mehreren Tausend Umdrehungen in der Minute rotiert. Der Schaden an der Maschine war mit 7000 Euro erheblich. Die Ernte musste erst einmal abgebrochen werden.
Maisacker abgesucht
Bei der Suche nach der Ursache für den Schaden am Häcksler wurden Dominik Keller und sein Vater Josef schnell fündig. Sie trauten ihren Augen nicht: Sie entdeckten auf ihrem Acker, nur ein paar Schritte vom vorbeiführenden Feldweg entfernt, verschiedene Metallteile, die am Stiel der Maispflanzen oder direkt an den Maiskolben festgebunden waren. Der hinterhältige Täter hatte dazu blaue Schnüre benutzt, die in der Landwirtschaft beispielsweise zum Zusammenbinden von gepressten Strohballen verwendet werden. In einigen Äckern waren – das stellte sich erst später heraus – außer den Metallteilen auch noch Plastikflaschen mit einer zunächst unbekannten Flüssigkeit aufgehängt worden.
In den folgenden Wochen fuhr bei den Landwirten stets die Angst mit. Denn Metallteile, die in die Messerwalze eines Hochleistungshäckslers geraten, können sich in höchstgefährliche Geschosse verwandeln, die die Fahrerkabinen von Häcksler und Traktor durchschlagen und so die Landwirte in akute Lebensgefahr bringen. Die Sorge der Landwirte und ihrer beauftragten Lohnunternehmer war nicht unbegründet. Denn in den folgenden Tagen kam es auf anderen Maisfeldern rund um Gerolzhofen zu weiteren Beschädigungen von Häckslern.
Mehr als 14 Attentate
Insgesamt gab es mindestens 14 Attentate, in einigen Fällen konnten die vorsichtig gewordenen Landwirte die Metallteile beim Absuchen des Feldes vorab entdecken. Glücklicherweise wurde bei den Anschlägen niemand verletzt. Jetzt, nach dem Ende der Maisernte, stellt sich heraus, dass der unbekannte Täter wohl noch größeren Schaden anrichten wollte. Die Redaktion hat aus Landwirtschaftskreisen erfahren, dass inzwischen noch weitere Metallstücke mit Schnüren auf abgeernteten Maisäckern entdeckt worden sind, die offenbar nicht fest genug angebunden und deshalb auf den Boden gefallen waren. Die Zahl der geplanten Anschläge ist also sogar noch höher als bislang bekannt.
Die von den Landwirten und Lohnunternehmern eingeschaltete Polizei hatte im August auf den Äckern die Metallteile und die Flaschen als Beweismittel gesichert. „Wir nehmen die Angelegenheit sehr ernst“, sagte schon damals Michael Zimmer vom Polizeipräsidium Unterfranken in Würzburg. Denn es gehe nicht nur um Sachbeschädigung, sondern es stünden auch mögliche Körperverletzungsdelikte im Raum.
Landeskriminalamt eingeschaltet
Bei der Polizeiinspektion Gerolzhofen wurde eigens für den Fall eine Ermittlungsgruppe gebildet. Doch bei der Suche nach dem oder den Tätern ist den Beamten noch kein Durchbruch gelungen. „Bislang ergab sich noch kein konkreter Tatverdacht“, teilt Andy Laacke von der Pressestelle des Polizeipräsidiums auf Anfrage jetzt mit. Die sichergestellten Gegenstände wurden zur Untersuchung an das Bayerische Landeskriminalamt (LKA) in München geschickt. „Die Ermittlungsgruppe der Polizei Gerolzhofen wartet noch immer auf die Gutachten des Landeskriminalamts zu den gesicherten Spuren. Erst im Anschluss können weitere Ermittlungen aufgrund eventueller neuer Ansätze getätigt werden“, beschreibt Laacke den aktuellen Stand der Ermittlungen.
Aus Polizeikreisen ist zu erfahren, dass man hofft, an den Metallteilen und an den verwendeten Schnüren Fingerabdrücke und DNA-Spuren des Täters zu finden. Doch selbst wenn dies gelingen sollte, ist damit natürlich noch lange nicht der konkrete Täter gefunden. Geklärt sei inzwischen aber, was sich in den aufgehängten Plastikflaschen befand: Es war Altöl.
Was treibt den Täter an?
Die Suche nach einem Täter wäre deutlich leichter, wenn ein Motiv für sein Tun zu erkennen wäre. Wollte er aus Feindschaft oder Neid nur bestimmte Landwirte oder bestimmte Lohnunternehmer schädigen? Der Täter müsste dann aber genau gewusst haben, wem dieser oder jene Acker gehört oder wer ihn derzeit gepachtet hat. Und der Täter müsste gewusst haben, welcher Lohnunternehmer in diesem Jahr für welchen Acker beauftragt wurde. Also ein Berufskollege aus der Landwirtschaft?
Es spricht eher einiges dafür, dass es sich beim Täter um eine externe Person handeln könnte, die generell etwas gegen Landwirtschaft im modernen Stil hat, vielleicht gegen Massentierhaltung, vielleicht auch gegen einen Maisanbau speziell für Biogasanlagen. Von den Attentaten betroffen waren sowohl Äcker, deren Mais-Silage für die Rinderaufzucht oder die Milchvieh-Haltung verwendet wird, als auch Felder, auf denen Mais für eine Biogasanlage angebaut wurde.
Altöl in die Silage?
Offenbar wollte der Täter, indem er Flaschen mit Altöl und die zahlreichen Metallteile an den Stängeln aufhängte, die gewonnene Silage für die Bauern unbrauchbar machen. Welche konkreten Auswirkungen das Altöl in der gelagerten Mais-Silage gehabt hätte, darüber hat Landwirt Dominik Keller natürlich keine Erfahrungswerte. Es wäre zwar nur eine kleine Mengen gewesen, „aber gesund ist es für die Kühe auf keinen Fall.“ Gleiches gelte, wenn seine Kühe die scharfkantigen Metallteile aus dem Häcksler geschluckt hätten. Die Tiere können daran jämmerlich verenden.
Und wie sieht es bei der Biogasanlage aus? Kleinere Metallteile im „Futter“ der Anlage stören grundsätzlich nicht. Und das Altöl? Und in vielen Biogasanlagen wird sogar absichtlich abbaubares Pflanzenöl beigegeben. Denn bei der anaeroben Vergärung im Fermenter der Anlage kann es zu einer übermäßigen Schaumbildung kommen. Und die wird zumeist mit Rapsöl eingedämmt. Geringe Mengen von mineralischem Altöl im Fermenter dürften wohl verschmerzbar sein.
Hoher Schaden an den Häckslern
Eine der von den Anschlägen betroffenen Lohnunternehmen ist die Firma Klein aus Atzhausen (Lkr. Kitzingen). Das Unternehmen hat sieben Häcksler laufen. Mutmaßlich vier dieser Großmaschinen wurden bei Gerolzhofen durch Metallteile beschädigt, sagt Tizian Klein. „Drei Häcksler haben wir inzwischen schon gewaschen und gereinigt. Da sind die Schäden klar ersichtlich.“ Ein vierter Häcksler müsse erst noch gesäubert werden, um sich ein Bild von möglichen Schäden machen zu können. „Aber vermutlich ist auch dieser Häcksler betroffen.“
Den entstandenen Schaden alleine bei seiner Firma schätzt Tizian auf 60 000 bis 80 000 Euro. In den kommenden Tagen werde ein Sachverständiger kommen, um die Schäden an den Maschinen zu begutachten. Das Unternehmen habe eine so genannte Bruchversicherung, die diesmal noch den Großteil des Schadens übernehmen wird. „Aber an der Selbstbeteiligung bleiben wir natürlich hängen.“ Wenn es im nächsten Jahr jedoch mit den Attentaten weitergehen sollte, so Tizian Klein, sei es noch unklar, wie die Versicherung dann darauf reagieren werde.