
Amerikanische Mustangs werden in ihrer Heimat als Freiheitssymbol verehrt, aber auch gejagt, gefangen, geschlachtet. Wer an Mustangs denkt, hat stolze Pferde vor Augen, die frei wie der Wind und im wahrsten Sinn des Wortes zügellos durch die Prärie streifen. Ein Idyll, das leider so nicht stimmt, so Pferdetrainerin Nina Gassner, die im März mit ihrem Partner, Pferdetrainer Joshua Burke, den Reiterhof am Ortseingang von Brebersdorf gekauft hat. "Savvy Center" heißt die Anlage nun, in der Pferdebesitzer nicht nur ihr Reittier unterstellen können, sondern auch Kurse und Fortbildung rund ums Pferd angeboten werden. "Savvy" sagt man in Amerika, wenn man eine Sache verinnerlicht und kapiert hat, in diesem Fall den partnerschaftlichen Umgang zwischen Mensch und Pferd.
Doch zurück zur Realität der Mustangs. Mustangs sind keine Wildpferde, sondern Nachkommen der Pferde, die im Jahr 1500 von den spanischen Eroberern nach Amerika gebracht wurden. An Bord ihrer Schiffe nahmen sie Pferde arabischen und andalusischen Geblüts in die neue Welt mit. Zuvor gab es keine Pferde in Amerika, dennoch wäre die Geschichte der US-Pionierzeit ohne sie nicht denkbar. Die indianischen Ureinwohner entdeckten das Pferd als Reit- und Lasttier für sich. Die Besiedlung des "Wilden Westens" ist ohne die endlos langen, von Pferden gezogenen Planwagen-Trecks kaum vorstellbar.
Doch heutzutage haben es die verwilderten Gebrauchspferde und Nachfahren der indianischen Appaloosa-Ponys in Amerika schwer. "Mustangs werden in Amerika oft als Plage angesehen", so Nina Gassner. Zwar von vielen Amerikanern als Symbol der Freiheit geliebt, werden sie aber auch zusammengetrieben und eingesperrt. Bei jährlichen Bestandskontrollen durch die US-Behörde BLM (Bureau of Land Management) werden Mustangs eingefangen. Tausende Mustangs gelangen so in Auffangstationen und werden bei Auktionen für Preise zwischen 10 und 30 Dollar versteigert. Nicht selten werden die verkauften Tiere zu Steaks oder Tierfutter verarbeitet.

Pferdeherden brauchen viel Platz, deshalb streifen sie vornehmlich durch die westlichen US-Bundesstaaten, in denen die großen Ranches liegen. Die größten Mustang-Vorkommen gibt es in Nevada, Oregon, Wyoming und Montana. Einflussreiche Farmer sehen die Mustangs nicht gern als Nahrungskonkurrenten auf ihren Weiden. Wohl auch deshalb werden Schutzgesetze mehr und mehr aufgeweicht.
Neue Lebensperspektive für Mustangs
Tiere schützen, das geht auch, indem man eingefangenen Mustangs zu einer neuen Lebensperspektive verhilft. Und hier kommt das "Mustang Makeover" ins Spiel, das Hengst Sunny, der vor wenigen Monaten noch in Oregon war, nach Brebersdorf geführt hat. Bei der "Mustang Makeover Trainer Challenge", an der sich das "Savvy Center" beteiligt, geht es darum, innerhalb von gut 100 Tagen ein wildes Pferd artgerecht, harmonisch und fair auszubilden. Dabei stehen keine Höchstleistungen im Mittelpunkt, sondern der Aufbau von Partnerschaft und Vertrauen zwischen Mensch und Tier.

15 Mustang-Mensch-Teams, die Pferdetrainer wie Joshua Burke investieren ihre Zeit dafür ehrenamtlich, bereiten sich derzeit in Deutschland auf diese Challenge vor. Am 30. und 31. Juli findet das Mustang-Makeover-Finale auf dem altehrwürdigen CHIO-Pferdesportgelände in Aachen statt. Bei der Gelegenheit kann dann auch Hengst Sunny zeigen, was er von Burke in den Bereichen Trail, Dressur und Free-Style alles gelernt hat. Danach werden die an den Menschen gewöhnten und ausgebildeten Mustangs an Pferdefreunde versteigert – Mindestgebot 8000 Euro.
Wie man ein Pferd zum Fliegen bringt
Doch wie kommt ein Mustang aus Oregon nach Deutschland? Die Antwort ist einfach: Es fliegt! Natürlich nicht selbst, sondern mit dem Flugzeug. "Mustang Makeover Germany" mit Sitz in Taunusstein kümmert sich um den Ankauf der Pferde aus US-Auffangstationen, organisiert den Transport und teilt die Pferde Trainerinnen und Trainern zu. Ein Flug ist ungewohnt für ein Pferd, aber allemal besser als Gefangenschaft und Pferdemetzger.
Mustangs werden laut Gassner sorgsam auf ihren Flug in extra für Großtier-Transporte umgebauten Flugzeugen vorbereitet. Etwa 7000 Euro kostet ein Ticket für ein Pferd. Pferdepfleger und Tierarzt sind mit an Bord. Turnierpferde, die zu internationalen Sprung- und Dressur-Wettbewerben oder zur Olympiade anreisen, sind übrigens ständige Fluggäste.

"Die Mustang Makeover Challenge soll auf die Situation der Wildpferde aufmerksam machen", so Nina Gassner. Sunny ist nun schon gut zwei Monate in Brebersdorf. "Am Anfang ließ er sich kaum berühren, inzwischen hat er mich akzeptiert, ist an den Sattel gewöhnt, lässt sich von mir reiten", schildert Joshua Burke das Vertrauen, das Sunny zu seinem Trainer entwickelt hat. Am Anfang galt es, überhaupt eine Beziehung zum nicht an Menschen gewöhnten Hengst aufzubauen.
Pferde sind Fluchttiere, Menschen erst einmal "Raubtiere"
Pferde als Fluchttiere haben grundsätzlich Angst vor dem "Raubtier Mensch". Landet etwas, wie etwa ein Reiter, auf seinem Rücken, geht ein wildes Pferd davon aus, dass es ein Raubtier, zum Beispiel ein Puma oder ein Wolf, ist und nach dem Leben trachtet. Das Pferd steigt dann hoch, um den Angreifer abzuwerfen, erläutert Joshua Burke die Hürden, die aus dem Weg geräumt werden müssen, damit ein Vertrauensverhältnis zwischen Mensch und Pferd entsteht. Es brauche Geduld, bis das Pferd erkenne, dass der Mensch ihm nichts Schlechtes will.

Dem Tier die Angst nehmen, sich Respekt und Vertrauen erarbeiten und ein partnerschaftliches Verhältnis aufbauen, das sind für Joshua Burke die Grundlagen für die Ausbildung eines Pferdes. Arbeit mit Pferden sei auch immer verantwortungsvolle Reflexion eigenen Handelns, so der erfahrene Pferdetrainer, der in England geboren und in Florida aufgewachsen ist.
Partnerschaft zwischen Mensch und Pferd
Diese Philosophie der Partnerschaft zwischen Mensch und Pferd wollen Nina Gassner und Joshua Burke in ihrem "Savvy Center" umsetzen. "Wir wollen ein Ausbildungszentrum für Menschen und Pferde aufbauen", so Gassner. Wenn man Pferdebesitzern helfe, ihre Pferde besser zu verstehen, helfe dies auch den Pferden, besser "mit ihren" Menschen klarkommen.
An der Beziehung zwischen Mensch und Pferd arbeiten, ist eine Wissenschaft für sich, hat viel mit Psychologie zu tun. Wie diese Arbeit aussieht, wie man es schafft, eine gute Führungskraft für sein Pferd zu werden, darüber können sich Interessierte diesen Samstag, 9. Juli, ab 10.30 Uhr im Rahmen eines Tags der offenen Tür im "Savvy Center" informieren. 200 Personen haben sich bereits angemeldet. Auch Mustang Sunny, inzwischen gut an die Anwesenheit weiterer Menschen gewöhnt, wird sich präsentieren.

Danach bleiben "Mr. Mustang" noch drei Wochen in Brebersdorf bis zum Showdown beim Makeover-Finale in Aachen. Und dann heißt es Abschied nehmen. Der an Menschen gewöhnte und ausgebildete Mustang wird nach der Challenge versteigert. "Gerne auch mit Übergangszeit und der Möglichkeit, sich hier bei uns auf vertrautem Gelände an neue Besitzer zu gewöhnen", so Joshua Burke, dem wohl auch der Abschied nicht ganz leicht fallen wird. Die Beziehung zwischen Mensch und Pferd ist eben nie eine Einbahnstraße.