
Diese Ausstellung im Schweinfurter Museum Georg Schäfer ist anders. Nicht nur, weil sie mit erheblichem technischen Aufwand in vollkommen ungewohntem Rahmen vollkommen ungewohnte Objekte zeigt. Und auch nicht, weil sie ihrem Titel "Tod und Teufel - Faszination des Horrors" auf teilweise drastische Art gerecht wird.
Sondern, weil sie eine Art Wahrnehmungsumkehr auslöst: Als Betrachter stellt man sich schon bald nicht mehr die Frage, was Künstlerinnen und Künstler, Kuratorin und Kurator sagen wollen. Sondern: Was machen die Objekte mit mir? Was lösen Sie in mir aus?
Das soll Kunst natürlich immer. Aber hier scheint kein Ausweichen möglich. Wer diese Ausstellung besucht, muss zumindest innerlich irgendwie Stellung beziehen - mit Betroffenheit, Beklemmung, wohligem Gruseln, Kopfschütteln oder verlegenem Schmunzeln. Aber das wirklich Verstörende lauert an vollkommen unerwarteter Stelle. Doch davon später.

Worum geht's? Das Museum Georg Schäfer zeigt in Kooperation mit dem Kunstpalast Düsseldorf, wie sich Menschen seit dem Mittelalter mit ihrer Vergänglichkeit, mit der Furcht vor ewiger Verdammnis auseinandergesetzt haben, aber auch mit dieser unerklärlichen Lust am Makabren, Morbiden, Bedrohlichen, Abstoßenden oder gar Ekligen.
Zu sehen ist auch, wie sich die Lust am Horror zu Geld machen lässt, sei es mit Filmen, Videos, Mode oder Accessoires wie den "Satan Shoes" von Nike. Die nicht unschicken schwarzen Sneaker wurden 2021 in limitierter Auflage von - Achtung Symbolzahl! - 666 produziert und für 1500 Dollar angeboten. Heute ist ein Paar angeblich 50.000 Dollar wert.
Wie stereotyp Popkultur und Modebranche das vorgebliche Grauen auskosten
Das Museum Georg Schäfer handelt in einem ausgedehnten "Prolog" reichliche 500 Jahre Kunstgeschichte bis Anfang des 20. Jahrhunderts ab, mit Dürers Meisterstich "Ritter, Tod und Teufel", mit den Bildern der "Schwarzen Romantik" von Blechen bis Böcklin, aber auch mit einer Trauerfesttagstracht um 1900 aus dem Schweinfurter Land. Schnell wird klar: Der Tod ist auch nur einer von uns. So wird er schon beim spätmittelalterlichen Basler Totentanz, vertreten hier durch putzige Figürchen aus dem 19. Jahrhundert, regelrecht angekumpelt.

Der Hauptteil der Ausstellung ist Werken und Produkten aus den vergangenen zwei Jahrzehnten gewidmet. Hier fällt zunächst auf, wie stereotyp Popkultur und Modebranche das vorgebliche Grauen auskosten - zumindest in der Auswahl der in Deutschland lebenden amerikanischen Kuratorin Westrey Page. Das ist immer spitz und stachlig, zum Beispiel in den ikonischen Schriftzügen für die Plattencover von Metal-Bands. Und das hat fast immer mit exzessiver Tätowierung, mit Piercing und viel schwarzem Leder zu tun.
Auffällig ist die Nachbarschaft von Berührendem, Banalem und Brutalem
In Erwartung des erhofften jugendlichen Publikums hat das Museum sogar einen Selfie-Point eingerichtet: vor der riesigen Reproduktion eines Fotos von "Zombie Boy" Rick Genest (1985-2018), der für seine Ganzkörpertätowierung mit dem Motiv einer verwesenden Leiche bekannt wurde.
Auffällig ist die Nachbarschaft von Berührendem, Banalem und Brutalem. Nach jeder Menge mehr oder weniger dekorativer Totenköpfe ist da plötzlich das Wort "Somebody", geschrieben auf schneeweißes Papier mit der Asche eines Verstorbenen (Kris Martin). Übrigens in dem Raum, der den Titel "Ein Hauch von Humor" trägt.

Da ist, zum Abschluss, "Rotes Gestell der Geschändeten und Unwilligen" der amerikanischen Künstlerin King Cobra: Rote Neonröhren beleuchten an Fleischerhaken hängende menschliche Körperteile. Dargestellt sind - in Silikon - die stilisiert verzerrten Überreste schwarzer versklavter Frauen, an denen der Arzt James Marion Sims im 19. Jahrhundert entsetzliche Eingriffe ohne Betäubung vornahm. Hier kann von Faszination keine Rede mehr sein.
Hier wird aus Auflehnung inszenierte Ästhetik
Das Museum hat mit der Hilfe von zwei Stiftungen stilvoll düstere Räume geschaffen. Viele Objekte sind in effektvoll ausgeleuchteten Vitrinen präsentiert. Hier wird Subkultur zum Museumsobjekt, hier wird aus Auflehnung inszenierte Ästhetik. Dass es sich aber bei den fröhlichen Menschen, die sich auf Bilderserie "Wacken Open Air" von Pep Bonet im Schlamm tummeln, wirklich um Models handelt, wie Museumsleiter Wolf Eiermann vermutet, scheint dann doch fraglich.
An einer Stelle gehen Brutales und Banales eine eindrucksvolle Verbindung ein: Mat Collishaw stellt die letzten Mahlzeiten, die sich amerikanische Todeskandidaten gewünscht haben, als altmeisterliche Stillleben dar. Spiegelei und Toast. Ein Glas saure Gurken. Cheeseburger und Enchilladas. Viel verstörender kann man die Flüchtigkeit des Lebens nicht darstellen.
Museum Georg Schäfer, Schweinfurt: "Tod und Teufel - Faszination des Horrors", 14. Juli bis 20. Oktober. Geöffnet Mi.-So. 10-17 Uhr, Di. 10-20 Uhr.